Anglikanismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Anglikaner)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die Kathedrale von Canterbury gilt als Wallfahrtort der Anglikaner.

Anglikanismus (von lateinisch anglicanus „englisch“) ist eine christliche Konfession und bezieht sich auf Glaubenslehre und Kirchenordnung der „Kirche von England“ (Church of England) und ihrer Tochterkirchen. Die meisten dieser Tochterkirchen gehören zur Anglikanischen Gemeinschaft, einige haben sich aber von der Gemeinschaft getrennt und der Traditional Anglican Communion oder der Orthodox Anglican Communion angeschlossen.

Die Anglikanische Kirche erkennt den Erzbischof von Canterbury als ihr nominelles Oberhaupt an. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Anglikanische Gemeinschaft eine lose Organisation ist und die einzelnen Kirchen autonom sind. Der Erzbischof von Canterbury hat eine symbolische Rolle und wird als “primus inter pares” oder “erster unter Gleichen” angesehen. Er hat keine direkte Autorität über die anderen Bischöfe und Kirchen der Gemeinschaft, außer in seiner eigenen Diözese. Aber seine Rolle ist sehr einflussreich und er spielt eine zentrale Rolle bei den Lambeth-Konferenzen, die alle zehn Jahre stattfinden und bei denen die Bischöfe der Anglikanischen Gemeinschaft zusammenkommen.

Gründung und frühe Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Christentum begann wahrscheinlich nicht später als im frühen 3. Jahrhundert in England praktiziert zu werden. Im 4. Jahrhundert war die Kirche gut genug etabliert, um drei britische Bischöfe - von Londinium (London), Eboracum (York) und Lindum (Lincoln) - zum Konzil von Arles (im heutigen Frankreich) im Jahr 314 zu senden. Nach dem Rückzug der Römer aus Britannien und der Invasion der Angelsachsen im 5. Jahrhundert leisteten St. Illtud und St. Patrick Missionsarbeit in Wales bzw. in Irland.

Englische Reformation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Church of England erklärte definitiv ihre Unabhängigkeit vom Heiligen Stuhl zur Zeit der elisabethanischen Religionsregelung. Viele der anglikanischen Formulare der Mitte des 16. Jahrhunderts entsprechen eng denen des historischen Protestantismus. Diese Reformen wurden von einem der dafür Verantwortlichen, Thomas Cranmer, dem Erzbischof von Canterbury, und anderen als ein Mittelweg zwischen zwei der aufkommenden protestantischen Traditionen, nämlich dem Luthertum und dem Calvinismus, verstanden.

Entwicklung und heutige Situation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Anglikanismus ist locker organisiert in der Anglikanischen Gemeinschaft, einer weltweiten Familie von religiösen Körpern, die die Nachkommen der Church of England repräsentiert und den Erzbischof von Canterbury als ihren nominellen Kopf anerkennt.[1] Obwohl die Anglikanische Gemeinschaft ein Glaubensbekenntnis hat - die Neununddreißig Artikel - ist sie geneigt, weit divergierende Interpretationen zuzulassen. Das Book of Common Prayer, eine Zusammenstellung der liturgischen Formen der Kirche, die ursprünglich 1549 herausgegeben wurde, repräsentiert die Unabhängigkeit des Glaubens von Rom und bleibt das Markenzeichen der anglikanischen Identität.[2]

Heute betont der Anglikanismus traditionelle Anbetung und Struktur, operiert aber autonom und flexibel in verschiedenen Orten. Es gibt über 85 Millionen Anhänger weltweit.[3] Die Mehrheit der Anglikaner sind Mitglieder von nationalen oder regionalen kirchlichen Provinzen der internationalen Anglikanischen Gemeinschaft, die die drittgrößte christliche Gemeinschaft der Welt bildet.

Glaubenslehren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die anglikanischen Kirchen sehen sich als Teile der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, die sich der Tradition und Theologie der englischen Reformation verpflichtet haben. Sie verstehen ihre Reformation nicht als einen Bruch mit der vorreformatorischen Kirche, sondern als notwendige Reform der katholischen Kirche der britischen Inseln. Damit ist die anglikanische Kirche sowohl katholische Kirche als auch reformatorische Kirche.

Charakteristiken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Anglikanismus vertritt einen Mittelweg (via media) zwischen dem abendländischen Katholizismus, von dem man sich in der Reformation trennte, und dem Protestantismus. Er zeichnet sich durch eine große Kraft zur Integration unterschiedlicher theologischer Positionen aus. Als Grundlage gelten die Heilige Schrift, die Tradition und die Vernunft.[4]

Anglikanerinnen und Anglikaner glauben, dass er Brot und Wein tatsächlich in Leib und Blut Christi verwandelt. Anglikanerinnen und Anglikaner verehren wie Katholikinnen und Katholiken Heilige. Nur ein Teil der Anglikanerinnen und Anglikaner verehrt dagegen Maria als Heilige Mutter Gottes. Die Anglikanische Kirche schreibt kein Zölibat vor.

Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf der ganzen Welt hat die Anglikanische Kirche rund 80 Millionen Anhängerinnen und Anhänger. Mehr als die Hälfte von ihnen lebt in England, die meisten anderen in Ländern mit englischer Sprache. Aber auch in Deutschland gibt es einige kleine anglikanische Gemeinden.

Unabhängige Kirchen anglikanischen Ursprungs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Aidan Nichols: The Panther and the Hind: A Theological History of Anglicanism. T&T Clark, Edinburgh 1993 (englisch).
  • William L. Sachs: The Transformation of Anglicanism: From State Church to Global Community. Cambridge University Press, Cambridge 1993 (englisch).
  • Stephen Sykes, John Booty und Jonathan Knight (Hg.): The Study of Anglicanism. Fortress Press, Minneapolis, MN 1998 (englisch).
  • Edward Norman: Anglican Difficulties: A New Syllabus of Errors. Morehouse, London 2004 (englisch).
  • Mark Chapman: Anglicanism. A very short introduction. Oxford University Press, Oxford 2006.
  • Paul Avis: The Anglican Understanding of the Church. London 2013
  • Paul Avis: Die anglikanischen Kirchen. In: Johannes Oeldemann: Konfessionskunde. Handbuch der Ökumene und Konfessionskunde. Band 1. Evangelische Verlagsanstalt/Bonifatius, Leipzig/Paderborn 2015, S. 158–187.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Anglicanism | History, Beliefs & Practices | Britannica. 29. März 2024, abgerufen am 13. Mai 2024 (englisch).
  2. Anglicanism | History, Beliefs & Practices | Britannica. 29. März 2024, abgerufen am 13. Mai 2024 (englisch).
  3. Anglican Communion. Abgerufen am 13. Mai 2024 (englisch).
  4. Annegret Lingenberg: Anglikaner/Anglikanismus. In: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde (ELThG2), Bd. 1, 2017, 249–253, hier 250f.