Neohesperidin-Dihydrochalkon

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von E 959)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Struktur von Neohesperidin-Dihydrochalkon
Allgemeines
Name Neohesperidin-Dihydrochalkon
Andere Namen
  • 3,5-Dihydroxy-4-[3-(3-hydroxy-4-methoxyphenyl)propanoyl]phenyl-2-O-(6-desoxy-α-L-mannopyranosyl)-β-D-glucopyranosid (IUPAC)
  • 1-(4-((2-O-[6-Desoxy-α-L-mannopyranosyl]-β-D-glucopyranosyl)oxy)-2,6-dihydroxyphenyl)-3-[3-hydroxy-4-methoxyphenyl]-1-propanon
  • E 959[1]
Summenformel C28H36O15
Kurzbeschreibung

weißer bis gelber, kristalliner Feststoff, nicht hygroskopisch[2][3]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 20702-77-6
EG-Nummer 243-978-6
ECHA-InfoCard 100.039.965
PubChem 30231
ChemSpider 28072
Wikidata Q424595
Eigenschaften
Molare Masse 612,59 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[3]

Schmelzpunkt

156–158 °C[2]

Löslichkeit
  • schlecht in kaltem Wasser (0,4–0,5 g·l−1 bei 20 °C)[4]
  • gut in heißem Wasser (650 g·l−1 bei 80 °C)[4]
  • löslich in Ethanol, Aceton und verdünnten Basen
  • unlöslich in Diethylether, Ethylacetat, n-Hexan und verdünnten Mineralsäuren
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Neohesperidin-Dihydrochalkon (NHDC) (E 959) ist ein kalorienfreier Süßstoff mit hoher Süßkraft. Es handelts sich um ein halbsynthetisches Glycosid, das sich vom Naturstoff Neohesperidin ableitet. Die Zuckerkomponente, Neohesperidose, ist bei beiden identisch.

Grapefruit-Schale enthält Naringin, das als Edukt für die Synthese von Neohesperidin-Dihydrochalkon dient

Neohesperidin-Dihydrochalkon kann ausgehend von Naringin synthetisiert werden, das aus Grapefruit-Schalen extrahiert wird. Dieses wird zunächst in Lauge gekocht, um das Neohesperidosid des Trihydroxyacetophenons zu gewinnen. Durch Kondensation mit Isovanillin entsteht Neohesperidin. Hydrierung ergibt das Neohesperidin-Dihydrochalkon.[5][3]

Die Süßkraft von Neohesperidin-Dihydrochalkon ist 1500 bis 2000 mal höher als die von Saccharose[3], in praxiüblicher Verwendung 400 bis 600 mal.[4] Neben seinem süßen Geschmack beeinflusst es schon in geringen Konzentrationen (1 bis 4 ppm) andere Aromen in Speisen. Diese Veränderungen wurden in einer Studie aber überwiegend als positiv eingestuft.[6] Die Verbindung hat einen Lakritze- bzw. Mentholnachgeschmack, der durch die Mischung mit anderen Süßstoffen in Lebensmitteln überdeckt wird.[4]

Der Bindungsstelle an menschlichen Geschmacksrezeptoron, an die Neohesperidin-Dihydrochalkon bindet, wurde identifiziert. Sie überlappt mit den Bindungstellen, an denen Cyclamat und Lactisol binden. Die Verbindung bindet nicht Geschmacksrezeptoren bei Ratten, die eine andere Struktur als die menschlichen haben.[7]

Neohesperidin-Dihydrochalkon ist bei Raumtemperatur und pH-Werten, die in Getränken typischerweise vorkommen (> 2), sehr stabil.[8] Bei einer Untersuchung mit Johannisbeermarmelade wurde ein Abbau der Verbindung beim Erhitzen während der Herstellung festgestellt, sowie bei Lagerung der Marmelade über mehr als 18 Monate.[9] Es ist stabil gegen Luftsauerstoff.[3]

Neohesperidin-Dihydrochalkon ist ein starkes Antioxidans. Es kann verschiedene reaktive Sauerstoffspezies abbauen bzw. deren Bildung verhindern, sowie die Lipid-Peroxidation hemmen.[10]

Der Metabolismus von Neohesperidin-Dihydrochalkon in Ratten wurde untersucht. Die Metabolite waren insbesondere Addukte mit Glucuronsäure und Sulfat, sowohl des intakten Glycosids als auch des hydrolysierten Aglycons.[11] Menschliche Darmbakterien können zum Teil die Verbindung abbauen. Dabei wird diese zunächst in zwei Stufen deglycosyliert und das Aglycon dann zu 3-(3-Hydroxy-4-methoxyphenyl)propansäure abgebaut.[12]

In umfangreichen Tierversuchen an Ratten und Hunden über längere Zeiträume wurden keine Hinweise auf cancerogene oder mutagene Eigenschaften gefunden und die nachgewiesene Toxizität war sehr gering. Negative gesundheitliche Effekte konnten nur bei Hunden in sehr hohen Dosen nachgewiesen werden.[3] In Studien an haben selbst hohe Dosen (Einnahme von etwa 3,3 g pro Kilogramm Körpergewicht und Tag) keine teratogene Wirkung oder nennenswerte Toxizität gezeigt.[13]

Verwendung und Zulassung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wegen seiner hohen Süßkraft kann Neohesperidin-Dihydrochalkon nur in kleinen Mengen verwendet werden, weshalb es normalerweise mit Füllstoffen gemischt wird.[3] Es wird z. B. in Getränken, Kaugummi, Halbfettmargarine, Speiseeis und Arzneimitteln verwendet.

Die Europäische Union schreibt eine erlaubte Tagesdosis von 20 mg/kg Körpergewicht täglich vor, wobei die übliche tägliche Aufnahme laut einer Studie wesentlich geringer ist.[14] Die zugelassenen Mengen bei der Verwendung als Süßstoff reichen von 10 mg/L (für Bier) bis 400 mg/kg (für Kaugummi). Für bestimmte Produkte ist es mit einer Höchstmenge von 5 mg/kg als Geschmacksverstärker zugelassen. In den USA fällt Neohesperidin-Dihydrochalkon unter GRAS (generally recognized as safe).[4] In der EU ist es unter der FL-Nummer 16.061 für verschiedene Produkte mit verschiedenen Höchstmengen als Aromastoff zugelassen: mit einer Höchstmenge von 3 mg/kg in Milchprodukten, Speiseeis, verarbeiteten Früchten und Gemüsen, Müsliprodukten, Fleisch, Fisch, Eier und -produkten, Gewürzen, Suppen und Soßen, sowie Getränken, mit einer Höchstmenge von 4 mg/kg in Speisefetten, Süßwaren und Backwaren, sowie mit einer Höchstmenge von 5 mg/kg in verzehrfertigen Snacks.[15]

Ein quantitativer Nachweis ist durch Extraktion aus Nahrungsmitteln mit Methanol, Abtrennung mittels Umkehrphasen-HPLC und Detektion durch UV-Spektroskopie möglich.[4]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Eintrag zu E 959: Neohesperidine DC in der Europäischen Datenbank für Lebensmittelzusatzstoffe, abgerufen am 27. Juni 2020.
  2. a b c d Datenblatt Neohesperidin dihydrochalcone bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 16. Juni 2011 (PDF).
  3. a b c d e f g Pratter, Paul J. "Neohesperidin dihydrochalcone: An updated review on a naturally derived sweetener and flavor potentiator." Perfumer Flavorist 5.6 (1980): 12–18.
  4. a b c d e f Eintrag zu Neohesperidin-Dihydrochalkon. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 6. Juni 2014.
  5. George H. Robertson, J. Peter Clark, Robert Lundin: Dihydrochalcone Sweeteners: Preparation of Neohesperidin Dihydrochalcone. In: Product R&D. Band 13, Nr. 2, Juni 1974, S. 125–129, doi:10.1021/i360050a009.
  6. M. G. Lindley, P. K. Beyts, I. Canales, F. Borrego: Flavor Modifying Characteristics of the Intense Sweetener Neohesperidin Dihydrochalcone. In: Journal of Food Science. Band 58, Nr. 3, Mai 1993, S. 592–594, doi:10.1111/j.1365-2621.1993.tb04331.x.
  7. Marcel Winnig, Bernd Bufe, Nicole A Kratochwil, Jay P Slack, Wolfgang Meyerhof: The binding site for neohesperidin dihydrochalcone at the human sweet taste receptor. In: BMC Structural Biology. Band 7, Nr. 1, Dezember 2007, doi:10.1186/1472-6807-7-66, PMID 17935609, PMC 2099433 (freier Volltext).
  8. G. E. Inglett, L. Krbechek, B. Dowling, R. Wagner: Dihydrochalcone Sweeteners?Sensory and Stability Evaluation. In: Journal of Food Science. Band 34, Nr. 1, Januar 1969, S. 101–104, doi:10.1111/j.1365-2621.1969.tb14371.x.
  9. F.A. Tomás-Barberán, F. Borrego, F. Ferreres, M.G. Lindley: Stability of the intense sweetener neohesperidine dihydrochalcone in blackcurrant jams. In: Food Chemistry. Band 52, Nr. 3, Januar 1995, S. 263–265, doi:10.1016/0308-8146(95)92821-Z.
  10. J. Suarez, M.D. Herrera, E. Marhuenda: In vitro scavenger and antioxidant properties of hesperidin and neohesperidin dihydrochalcone. In: Phytomedicine. Band 5, Nr. 6, Dezember 1998, S. 469–473, doi:10.1016/S0944-7113(98)80044-5.
  11. Feng-Xiang Zhang, Yu-Lin-Lan Yuan, Shuang-Shuang Cui, Min Li, Xuan Tan, Zuo-Cheng Qiu, Rui-Man Li: Dissection of the potential pharmacological function of neohesperidin dihydrochalcone – a food additive – by in vivo substances profiling and network pharmacology. In: Food & Function. Band 12, Nr. 10, 2021, S. 4325–4336, doi:10.1039/D1FO00104C.
  12. Annett Braune, Wolfram Engst, Michael Blaut: Degradation of Neohesperidin Dihydrochalcone by Human Intestinal Bacteria. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry. Band 53, Nr. 5, 1. März 2005, S. 1782–1790, doi:10.1021/jf0484982.
  13. D.H Waalkens-Berendsen, M.E.M Kuilman-Wahls, A Bär: Embryotoxicity and teratogenicity study with neohesperidin dihydrochalcone in rats. In: Regulatory Toxicology and Pharmacology. Band 40, Nr. 1, August 2004, S. 74–79, doi:10.1016/j.yrtph.2004.05.007.
  14. Re‐evaluation of neohesperidine dihydrochalcone (E 959) as a food additive | EFSA. Abgerufen am 7. August 2023 (englisch).
  15. Food and Feed Information Portal Database | FIP. Abgerufen am 31. August 2023.