Regierung des Großherzogtums Hessen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Hessisches Kriegsministerium)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Kollegiengebäude am Luisenplatz in Darmstadt, Sitz der Regierung
Siegelmarke des großherzoglich-hessischen Staatsministerium

Die Regierung des Großherzogtums Hessen war die Exekutive des Großherzogtums Hessen von 1806 bis 1918.

In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt bestand seit 1617 das Geheime Ratskollegium, das seit dem 18. Jahrhundert auch als Geheimes Ministerium auftrat als (dem Landgrafen nachgeordnete) Regierung. Daneben bestanden der Lehenhof und die Rentkammer. Diese waren nach dem Kollegialitätsprinzip organisiert.

Mit einem Organisationsedikt vom 12. Oktober 1803 wurde die Regierung neu aufgestellt.[Anm. 1] Neu war die Einteilung in Ministerien („Ministerialdepartments“):

  • des Äußeren und des Großherzoglichen Hauses,
  • des Inneren (zu dem auch die Justiz zählte) und
  • der Finanzen.

Daneben bestand eigenständig das Kriegsministerium.

Neu war weiterhin, dass diese Spitzenbehörden nicht mehr kollegial geleitet wurden, sondern durch einen Spitzenbeamten. Dessen durchgängige Bezeichnung als „Minister“ setzte sich aber erst im Laufe des 19. Jahrhunderts durch.

Die Verfassung von 1820 regelte in Artikel 4, dass der Großherzog in Sich alle Rechte der Staatsgewalt vereinte und ausübte. Details zur Regierungsorganisation traf sie nicht. Die Regierung war nicht dem Landtag, sondern dem Großherzog verantwortlich. Durch gemeinsamen Beschluss beider Kammern der Landstände des Großherzogtums Hessen war jedoch eine Ministeranklage vor dem Oberappellationsgericht Darmstadt möglich.[1]

Mit Verordnung vom 28. Mai 1821[2] wurde festgelegt, dass die Regierung (nun als „Staats-Ministerium“ oder „Gesamt-Ministerium“ bezeichnet) von einem Präsidenten der vereinten Ministerien geleitet wurde. Die Aufgabe wurde zusätzlich von einem der Minister wahrgenommen. Das Kriegsministerium war weiterhin organisatorisch getrennt und blieb dies auch bis zum Ende. Karl du Bos du Thil führte ab 1829 nicht mehr den Titel eines Präsidenten der vereinten Ministerien, sondern den eines Dirigierenden Staatsministers.

Die Märzregierung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 14. März 1848 führte die Märzrevolution zur Ernennung des Märzministeriums. Organisatorisch war wesentlich, dass das Justizressort aus dem Innenresort herausgelöst wurde. Der Titel des Dirigierenden Staatsministers wurde am 9. September 1848 in Präsident des Gesamt-Ministeriums geändert. Auch wurde das Kollegialitätsprinzip wieder gestärkt, indem ein gemeinsamer Vortrag beim Großherzog bei wesentlichen Sachfragen eingeführt wurde.

Von der Reaktionsära bis zur Novemberrevolution

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1852 wurde die Bezeichnung Ministerpräsident für den Vorsitzenden des Gesamt-Ministeriums eingeführt. Die Reichsgründung führte 1870/71 dazu, dass in großem Umfang Aufgaben an das Deutsche Reich abgegeben wurden. In der Folge wurde zum 1. Januar 1872 das Kriegsministerium[3] und 1874 auch das Außenministerium abgeschafft[4], verbleibende Restaufgaben auf die anderen Häuser verteilt. Die bisher vom Außenminister wahrgenommenen Aufgaben eines Ministers des Großherzoglichen Hauses nahm nun der Ministerpräsident wahr.[5]

Die Verordnung vom 12. März 1879[6] legte fest, dass das Staatsministerium, geleitet durch den Präsidenten des Staatsministeriums, nur noch zwei Ministerien hatte: Ein vereinigtes Innen- und Justizressort und das Finanzministerium. 1898 wurden Innen- und Justizressort wieder getrennt.[7]

Mit der Novemberrevolution endete 1918 die Geschichte der Regierung des Großherzogtums Hessen. Ihre Aufgaben übernahm die Regierung des Volksstaates Hessen.

Amtsbezeichnungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Minister trugen vielfach zunächst den Titel eines Direktors ihres Ressorts. Um sie herauszuheben, konnte der Großherzog ihnen den Titel eines Präsidenten oder gar eines Ministers des Ressorts verleihen. Dies waren lediglich Titel. Die Kompetenzen der Minister waren davon unabhängig. In den folgenden Ministerlisten sind daher die Minister unabhängig von ihrer jeweiligen Titulatur aufgeführt.

Soziale Herkunft der Minister

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Ausnahme der Kriegsminister, die alle hohe Offiziere waren, entstammten die Minister überwiegend der Beamtenschaft. Die Literatur spricht daher von einer Beamtenregierung. Typisch für den Lebenslauf waren die Herkunft aus einer Beamtenfamilie, das Studium der Rechtswissenschaften – in der Regel an der Landesuniversität, der Ludewigs-Universität in Gießen – und eine Beamtenkarriere, die mit der Berufung zum Minister gipfelte. Minister sind vor ihrer Ernennung als Minister üblicherweise nicht als Politiker, etwa in den Landständen, in Erscheinung getreten. Georg Kempf stellt diesbezüglich eine Ausnahme dar. Nur ein relativ kleiner Teil der Minister stammte aus dem Adel, hatten auch Beamtenkarrieren hinter sich und wurden nicht primär des Adels wegen als Minister berufen. Eine Ausnahme stellten die Märzminister dar. Hier überwog der Anteil der Adligen und es fehlte an Verwaltungserfahrung. Eine Reihe von Ministern wurde aufgrund ihrer Verdienste nobilitiert.

Ab etwa 1900 rückten mit Feodor Gnauth und Wilhelm Küchler erstmals Kommunalpolitiker in die Ministerrolle auf.

Insgesamt gab es während der fast 100 Jahre zwischen 1820 und 1918 lediglich 37 Minister. Grund hierfür ist, dass die Amtszeiten der Minister relativ lang waren, die Minister vielfach mehrere Ressorts verantworteten und die Zahl der Ministerien immer gering war.

1821 wurde die Rechtsgrundlage für den Staatsrat des Großherzogtums Hessen geschaffen, der 1823 eingerichtet wurde. Für die Regierung sollte er beratend tätig sein. Außerdem hatte er die Funktion eines obersten Verwaltungsgerichts. Seine faktische Bedeutung darüber hinaus war gering. 1875 wurde im Großherzogtum eine moderne Verwaltungsgerichtsbarkeit geschaffen und der Staatsrat bei dieser Gelegenheit abgeschafft.

Präsidenten des Gesamt-Ministeriums

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Amtsinhaber Amtszeit Anmerkungen
Friedrich August Freiherr von Lichtenberg 1805–1819 de facto Regierungschef
Karl von Grolman 1821–1829 Erster Präsident der vereinten Ministerien seit dem Inkrafttreten der Verfassung
Karl du Thil 1829–1848 Das „du Thil’sche System“ der jahrzehntelangen Herrschaft des dirigierenden Staatsministers prägte die Politik seiner Zeit konservativ.
Heinrich von Gagern 1848 Während der Märzrevolution für drei Monate Ministerpräsident, anschließend: Präsident der Frankfurter Nationalversammlung
Carl Wilhelm Zimmermann 1848 2. Juni 1848[8] – 16. Juli 1848[9]
Heinrich Karl Jaup 16. Juli 1848[10]–1850 Mitglied des Siebzehnerausschusses und der Frankfurter Nationalversammlung
Reinhard Carl Friedrich von Dalwigk 1850–1871 Unter Ludwig III., 1871 auf Druck Preußens entlassen
Friedrich von Lindelof 1871–1872 Unter Ludwig III.
Karl Wilhelm Hofmann 1872–1876 Unter Ludwig III.
Philipp Freiherr Rinck gen. v. Starck 1876–1884 Unter Ludwig III., nach dessen Tod 1877 unter Ludwig IV.
Jakob Finger 1884–1898 Unter Ludwig IV., nach dessen Tod 1892 unter Ernst Ludwig
Carl Rothe 1898–1906 Unter Ernst Ludwig
Christian Wilhelm Carl Ewald 1906–1918 Unter Ernst Ludwig, bis zur Novemberrevolution

Einzelne Ministerien

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Außenministerium war gleichzeitig für die Angelegenheiten des Großherzoglichen Hauses zuständig.

Leitende Beamte

1874 wurde das Außenministerium abgeschafft.[11] Die Angelegenheiten des Großherzoglichen Hauses wurden vom Ministerpräsidenten wahrgenommen.

Innenministerium

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Neues Kanzleigebäude, Sitz des Innenministeriums
Siegelmarke Grossherzoglich Hessische Ministerium des Innern

Das Großherzoglich Hessische Ministerium des Innern und der Justiz war die Oberbehörde für die Regierungen der drei Provinzen Oberhessen, Starkenburg und Rheinhessen sowie der Landratsbezirke und später der Kreisämter. 1848 wurde das Justizministerium ausgegliedert. Das Innenministerium war für die Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, die Kirchen, die Wohltätigkeitsorganisationen und die öffentliche Gesundheitspflege verantwortlich. Ab 1875 kam die Zuständigkeit für das Gendarmeriecorps, 1877 für die Berg- und Eichungsbehörden und 1879 erneut das Justizministerium wieder hinzu, das 1898 zum zweiten Mal verselbständigt wurde.[12]

Das Innenministerium hatte seinen Sitz am Mathildenplatz in Darmstadt in der Neuen Kanzlei.

Leitende Beamte

Finanzministerium

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wilhelm Küchler, Finanzminister 1898–1900
Siegelmarke Grossherzoglich Hessische Ministerium der Finanzen

Dem Finanzministerium war 1821 bis 1879 als Oberbehörde die Obersteuerdirektion Darmstadt nachgeordnet. Es war zugleich auch die Eisenbahnaufsichtsbehörde für das Großherzogtum. Zum 6. September 1891 wurde dafür im Ministerium eine eigene Abteilung gebildet.[13]

Leitende Beamte

Justizministerium

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor 1848 war das Justizministerium Teil des Innenministeriums[14] und erneut zwischen 1879 und 1898.[15]

Leitender Beamter
1879 bis 1898: Innenminister

Kriegsministerium

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Ministerium wurde zunächst als Oberkriegskolleg, ab dem 4. Juli 1821 als Kriegs-Ministerialdepartment[16] und ab dem 14. Mai 1823 als Kriegsministerium bezeichnet.

Das Kriegsministerium des Großherzogtums Hessen hatte in mehrfacher Weise eine Sonderrolle inne. Zum einen war es organisatorisch vom Gesamt-Ministerium getrennt. Der Minister berichtete direkt an den Großherzog. Zum anderen waren die Minister durchgehend hohe Offiziere und Adlige und nicht bürgerliche Beamte wie in den anderen Ressorts. Nach der Gründung des Kaiserreichs und dem Abschluss der Militärkonvention vom 13. Juni 1871 mit Preußen ging die hessische Armee zum 1. Januar 1872 in der preußischen auf.[17] Daraufhin wurde zum gleichen Datum auch das hessische Kriegsministerium aufgelöst.[18]

Das Kriegsministerium war in drei Sektionen unterteilt:

  1. Die erste Sektion beschäftigte sich mit rein militärischen Fragen: Formation, Dienst und Übung der Truppe, Offizierspersonalien, Rapportwesen, Militärbildungsanstalten und Militärordenssachen
  2. Die zweite Sektion war verantwortlich für die Militärpolizei und -Disziplin, Militär-Strafgesetzgebung, Militärgerichte, -Strafanstalten, Desertationsprozesse, Militär-Witwen und Waisenanstalten, das Invalideninstitut, Militär-Kirchen und Schulwesen
  3. Die dritte Sektion kümmerte sich um die Kriegskasse, stellte den Etat auf, verwaltete das Militärbauwesen und nahm die Rechnungsprüfung vor.

Jede Sektion hatte einen Sektionschef.[19]

Kriegsminister Friedrich von Wachter verlor 1866 Krieg und Amt
Leitender Beamter
  • Konrad Cosack: Das Staatsrecht des Großherzogthums Hessen. Mohr, Freiburg und Leipzig 1894.
  • Eckhart G. Franz: Hessen-Darmstadt 1820-1935. In: Klaus Schwabe (Hrsg.): Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten. 1815–1933. (= Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit. Band 14 = Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte. Band 18). Boldt, Boppard am Rhein 1983, ISBN 3-7646-1830-2
  • Dagobert Karenberg: Die Entwicklung der Verwaltung in Hessen-Darmstadt und Ludewig I. (1790–1830). 1964.
  • Ferdinand Koob: INNENMINISTERIUM (= Repertorien Hessisches Staatsarchiv Darmstadt) Bestand G 11 (PDF; 492 kB). In: Archivinformationssystem Hessen (Arcinsys Hessen), Stand: 11. September 2008, abgerufen am 15. September 2016.
Commons: Sealing stamps of government of Grand Duchy of Hesse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Das Edikt wurde damals gedruckt veröffentlicht, dann aber offensichtlich nie wieder, so dass es heute nur in Archiv-Beständen greifbar ist (Franz/Fleck/Kallenberg: Großherzogtum Hessen, S. 696).

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Gesetz, die Verantwortlichkeit der Minister und der obersten Staatsbeamten betreffend vom 5. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 31 vom 16. Juli 1821, S. 387f.
  2. Verordnung über die Organisation der obersten Staatsbehörde vom 28. Mai 1821. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 14 vom 1. Juni 1821, S. 179–188.
  3. § 1 Verordnung, die in Folge der Militärconvention vom 13. Juni 1871 in der Organisation der Militärbehörden eintretenden Veränderungen betreffend vom 23. Dezember 1871. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 43 vom 30. Dezember 1871, S. 497f.
  4. Verordnung die Organisation der obersten Staatsbehörden betreffend vom 22. August 1874. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 42 vom 1. September 1874, S. 487–491 (490).
  5. § 8 Verordnung die Organisation der obersten Staatsbehörden betreffend vom 22. August 1874. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 42 vom 1. September 1874, S. 487–491 (490).
  6. Verordnung die Organisation der obersten Staatsbehörden betreffend vom 15. März 1879. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 6 vom 22. März 1879, S. 55–61.
  7. Cosack, S. 30.
  8. Dienstnachrichten. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 28 vom 13. Juni 1848, S. 181.
  9. Dienstnachrichten. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 34 vom 19. Juli 1848, S. 204.
  10. Dienstnachrichten. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 34 vom 19. Juli 1848, S. 204.
  11. § 8 Verordnung die Organisation der obersten Staatsbehörden betreffend vom 22. August 1874. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 42 vom 1. September 1874, S. 487–491 (490).
  12. Cosack, S. 30.
  13. Ferdinand Scheyrer: Geschichte der Main-Neckar-Bahn. Denkschrift zum fünfzigsten Jahrestag der Eröffnung des Betriebs der Main-Neckar-Bahn am 1. August 1846. Darmstadt 1896. Reprint: Verlag Wolfgang Bleiweis, Schweinfurt 1996. ISBN 3-928786-46-6, S. 94.
  14. Verordnung, die Trennung des Ministeriums des Innern und der Justiz in zwei Ministerien betreffend vom 14. März 1848. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 11 vom 17. März 1848, S. 71.
  15. Cosack, S. 30.
  16. Edict wegen der Constituierung eines Kriegs-MinisterialDepartements vom 4. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 28 vom 6. Juli 1821, S. 355–358.
  17. Eckhart G. Franz, Peter Fleck, Fritz Kallenberg: Großherzogtum Hessen (1800) 1806–1918. In: Walter Heinemeyer, Helmut Berding, Peter Moraw, Hans Philippi (Hg.): Handbuch der Hessischen Geschichte. Band 4.2: Hessen im Deutschen Bund und im neuen Deutschen Reich (1806) 1815–1945. Die hessischen Staaten bis 1945 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 63. Elwert. Marburg 2003. ISBN 3-7708-1238-7, S. 848.
  18. § 1 Verordnung, die in Folge der Militärconvention vom 13. Juni 1871 in der Organisation der Militärbehörden eintretenden Veränderungen betreffend vom 23. Dezember 1871. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 43 vom 30. Dezember 1871, S. 497f.
  19. Karenberg: Die Entwicklung der Verwaltung S. 129–130.