Shanghai-Dialekt

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Shanghai-Dialekt
上海话 – Shànghǎihuà

Gesprochen in

China Volksrepublik Volksrepublik China
Sprecher 12[1] bis 14 Millionen
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in

Der Shanghai-Dialekt, auch Shanghaiisch oder Shanghainesisch (chinesisch 上海話 / 上海话, Pinyin shànghǎihuà, Shanghainesisch: 上海閒話/上海闲话, Wugniu Romanisierung: zaon-he ghe-gho) genannt, gehört zur Wu-Dialektgruppe des Chinesischen.

Der Shanghai-Dialekt hat keinen offiziellen Status. Verwaltungs- und Bildungssprache in Shanghai ist Hochchinesisch. Trotz seines ursprünglich relativ hohen Prestiges vor Ort scheint der Shanghai-Dialekt an Terrain zu verlieren. Es gibt zwar eine traditionelle Opernform im Shanghai-Dialekt (hùjù 沪剧), jedoch beispielsweise keine moderne Popmusik.[2] Seit den 90er-Jahren wird der Shanghai-Dialekt sporadisch im Rundfunk verwendet. 1995 gab es einen Fernsehfilm über die Kulturrevolution im Shanghai-Dialekt, der landesweit ausgestrahlt wurde.[3] Durch den Zuzug von Menschen aus anderen Teilen Chinas und durch den Einfluss des Hochchinesischen verändern sich Wortschatz und Syntax des Shanghai-Dialekts rasch. Viele Sprachwissenschaftler betrachten ihn als schwer analysierbaren Mischmasch und betrachten in der Regel die Dialekte von Suzhou und Wenzhou als repräsentative Beispiele für die Wu-Dialekte, obwohl diese Dialekte viel weniger Sprecher haben. Für viele jüngere Menschen in Shanghai ist Ende des 20. Jahrhunderts Hochchinesisch zur Erstsprache geworden.[4]

Typische Fehler im Hochchinesischen, wie sie von Shanghai-Dialektsprechern gemacht werden, sind die fehlende Unterscheidung zwischen ​[⁠n⁠]​ und ​[⁠ŋ⁠]​ am Silbenende sowie zwischen [ʦ ʦʰ s] und [tʂ tʂʰ ʂ] am Silbenanfang und die Ersetzung von Diphthongen durch Monophthonge (​[⁠ɛ⁠]​ und ​[⁠ɔ⁠]​ statt [ai] und [au]).[5]

Phonetik und Phonologie

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Im Shanghai-Dialekt ist die historische Dreiteilung der Plosive und Affrikaten (einfach–aspiriert–stimmhaft) sowie die historische Zweiteilung der Frikative (stimmlos–stimmhaft) als Silbenanlautkonsonanten erhalten.[1]

Die Stimmhaftigkeit wird im Wortanlaut als hauchige Phonation (breathy voice) des folgenden Vokals, im Wortinneren als Stimmhaftigkeit des Konsonanten selbst realisiert.[1]

Der Shanghai-Dialekt hat die zwölf Plosive p pʰ b t tʰ d k kʰ ɡ kʷ kʷʰ ɡʷ, den Glottisverschluss ʔ, die vier Nasale m n ɲ ŋ, die neun Frikative f v s z ɕ ʑ h ɦ hʷ, die fünf Affrikaten ʦ ʦʰ ʨ ʨʰ ʥ, die zwei Approximanten w j und die Liquida l.[1][6]

Der Shanghai-Dialekt hat die Vokale i ɪ y ʏ ɛ ə ø a ɔ ɤ o u ʊ, wobei [ɪ ʏ ə ʊ] jeweils Allophone von /i y ɛ u/ sind (/i y ɛ/ → [ɪ ʏ ə]/_[ŋ ʔ], ​/⁠u⁠/​​[⁠ʊ⁠]​/_​[⁠ŋ⁠]​). Bei Sprechern unter Mitte Vierzig fallen die Silbenauslaute [-aŋ] und [-ɔŋ] zu [-ãŋ] zusammen.[7][8]

Silbenbildende Konsonanten

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Im Shanghai-Dialekt kommen die drei silbenbildenden Konsonanten m ŋ ɹ vor, wobei ​[⁠ɹ⁠]​ ein Allophon von /i/ ist und nur nach den apiko-alveolaren Anlauten ʦ ʦʰ s z auftritt.[9]

Es gibt im Shanghai-Dialekt folgende „eigentliche“ Diphthonge: /ja jɔ jɤ ej/, daneben treten die Kombinationen [jɛ jʊ] auf, da nach den palatalen Anlauten ɕ ʑ ʨ ʨʰ ʥ ein j eingeschoben wird ( → j/[+koronal –vorne]_v, wenn v≠[ɪ i y ʏ]); die „eigentlichen“ Diphthonge kommen sowohl nach palatalen als auch nach nicht-palatalen Anlauten vor.[9]

Der Shanghai-Dialekt weist drei verschiedene Silbenstrukturen auf: (K)V, (K)VS und (K)VN, wobei K für einen Konsonanten steht, V für einen Vokal, silbenbildenden Konsonant oder Diphthong, S für den Glottisverschluss ʔ und N für den velaren Nasal ŋ.[9]

Der Shanghai-Dialekt ist wie alle chinesischen Dialekte eine Tonsprache. In populären Darstellungen heißt es manchmal, der Shanghai-Dialekt habe nur zwei Töne, und tatsächlich ist der Unterschied zwischen einem hohen und einem tiefen Register besonders ausgeprägt.[10] Wissenschaftliche Darstellungen beschreiben für einsilbige Wörter jedoch in der Regel fünf[11] bis sieben[12][13] phonologisch distinktive Töne. Einige der historischen Tonkategorien sind zusammengefallen; die Tonverläufe des Shanghai-Dialekts werden hier mit Ziffern dargestellt (1–tief, 5–hoch): yīnpíng 阴平 51; yīnshǎng 阴上 34; yīnqù 阴去, yángpíng 阴平, yángshǎng 阳上 und yángqù 阳去 13; yīnrù 阴入 5 und yángrù 阳入 12, wobei Silben, welche einen der beiden -Töne – rùshēng入声 tragen, auf einen Glottisverschluss enden.[12][14]

Silben mit stimmhaften Obstruenten im Anlaut tragen Töne, die tief beginnen (Tonverlauf 12 mit Glottisverschluss am Silbenende und Tonverlauf 13); Silben mit stimmlosen Obstruenten im Anlaut hingegen tragen Töne, die nicht tief beginnen (Tonverlauf 5 mit Glottisverschluss, sowie Tonverläufe 51 und 34).[1] Diese Unterscheidung zwischen stimmhaften und stimmlosen Anlauten gilt nicht für die Sonoranten (m n ɲ ŋ w j l), die mit jedem Tonverlauf kombiniert auftreten.[15]

Beim Aufeinanderfolgen der Silben treten komplizierte Tonveränderungen (Sandhi) auf;[16] bei mehrsilbigen Wörtern kann man vier verschiedene Tonmuster bzw. -verläufe beobachten:

Tonmuster Beispiel lexikalischer Ton
der ersten Silbe
einsilbig zweisilbig dreisilbig viersilbig fünfsilbig
I tʰi51 „Himmel“ HM / 51 51 5-1 5-3-1 5-3↑-3↓-1 5-4-3-2-1
II tʰi34 „Körper“ MH / 351 34 3-4 3-5-1 3-5-3-1 3-5-3↑-3↓-1
III di13 „Erde“ TH / 151 13 1-3 1-5-1 1-5-3-1 1-5-3↑-3↓-1
IV tʰiʔ5 „Eisen“ H / 451 5 4-5 4-5-1 4-5-3-1 4-5-3↑-3↓-1
V diʔ1 „Feind“ TH / 12 12 1-12 (1-3) 1-1-12 (1-5-1) 1-1-1-12 (1-5-3-1) 1-1-1-1-12 (1-5-3↑-3↓-1)

Bei dieser Beschreibung der Toneme steht H für hohes, M für mittleres und T für tiefes Register. Die Pfeile bedeuten eine Steigerung bzw. Senkung der Tonhöhe. Nach dieser Analyse ist bei mehrsilbigen Wörtern nur der lexikalische Ton der ersten Silbe maßgeblich; er bestimmt den Tonverlauf für das ganze Wort oder sogar eine ganze Phrase.[12][17]

Die Grammatik des Shanghai-Dialekts ähnelt der Grammatik anderer chinesischer Dialekte. Die Satzstellung ist in der Regel SubjektVerbObjekt, bei zwei Objekten steht jedoch das direkte Objekt – im Gegensatz zum Hochchinesischen – normalerweise vor dem indirekten Objekt.[18]

Das Projekt zur Sammlung von Hörbeispielen Tatoeba enthält auf seiner Webseite auch eine Auswahl an Sätzen im Shanghai-Dialekt zum Anhören.

  • Eric Zee, Liejiong Xu: Shanghai. In: Graham Thurgood, Randy J. LaPolla (Hg.): The Sino-Tibetan Languages. Routledge, London / New York 2003.
  • Mantaro J. Hashimoto [橋本 萬太郎]: A Guide to the Shanghai Dialect. Princeton University 1971.
  • Shunde Jin: Shanghai Morphotonemics. Indiana University Linguistics Club, Bloomington 1986.
  • Jin Shunde: Toward a Systematic Account of Shanghai Tonal Phonology. In: Wang Jialing, Norval Smith (Hg.): Studies in Chinese phonology. Mouton de Gruyter, 1997.
  • Tatoeba – Website mit Hörbeispiele auf Shanghaiisch
  1. a b c d e Zee/Xu 2003, S. 131.
  2. Jos Gamble: Shanghai in Transition. Changing perspectives and social contours of a Chinese Metropolis. RoutledgeCurzon, London / New York 2003, S. 88.
  3. Jos Gamble: Shanghai in Transition. Changing perspectives and social contours of a Chinese Metropolis. RoutledgeCurzon, London / New York 2003, S. 102, 143.
  4. Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 249;
    Ping Chen: China. In: Andrew Simpson (Hg.): Language and National Identity in Asia. Oxford University Press 2007; hier S. 158f.;
    S. Robert Ramsey: The Languages of China. Princeton University Press 1987, S. 90;
    Jos Gamble: Shanghai in Transition. Changing perspectives and social contours of a Chinese Metropolis. RoutledgeCurzon, London / New York 2003 S. 82–84, 97;
    Hanchao Lu: Beyond the Neon Lights. Everyday Shanghai in the Early Twentieth Century. University of California Press 2004, S. 53–55.
  5. Ping Chen: Modern Chinese. History and Sociolinguistics. Cambridge University Press 1999, S. 42.
  6. Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 200.
  7. Zee/Xu 2003, S. 133.
  8. vgl. Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 201.
  9. a b c Zee/Xu 2003, S. 134.
  10. Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 201;
    Jerry Norman: The Chinese Dialects: Phonology. In: Graham Thurgood, Randy J. LaPolla (Hg.): The Sino-Tibetan Languages. Routledge, London / New York 2003; hier S. 78.
  11. Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 202.
  12. a b c Zee/Xu 2003, S. 136.
  13. Hashimoto 1971, S. 11.
  14. Andere Darstellungen: yīnpíng 53; yīnshǎng 55; yīnqù 44, yángpíng 12, yángshǎng und yángqù 15; yīnrù 5 und yángrù [unleserlich]. In: Hashimoto 1971, S. 11; oder: yīnpíng 42; yángpíng, yángshǎng und yángqù 24; yīnshǎng und yīnqù 35; yīnrù 55 und yángrù 23. In: Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 202.
  15. Zee/Xu 2003, S. 131f.
  16. Hashimoto 1971, S. 11f.
  17. San Duanmu: Wordhood in Chinese. In: Jerome Lee Packward (Hg.): New Approaches to Chinese Word Formation. Morphology, Phonology and the Lexicon in Modern and Ancient Chinese. Mouton de Gruyter, Berlin / New York 1998; hier S. 168; Jin 1997, S. 125.
  18. Zee/Xu 2003, S. 138ff.;
    S. Robert Ramsey: The Languages of China. Princeton University Press 1987, S. 93f.;
    Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 162;
    Yuen Ren Chao: Contrasting Aspects of the Wu Dialects (1967). In: Anwar S. Dil (Hg.): Aspects of Chinese Sociolinguistics. Essays by Yuen Ren Chao. Stanford University Press 1976, S. 42.