Doppelbrechung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Ordentlicher Strahl)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Doppelbrechung beim Calcit
Doppelbrechung an einem Kalkspat-Kristall:
ordentlicher und außerordentlicher Strahl sind durch rote Fluoreszenz im Kristall sichtbar

Die Doppelbrechung oder Birefringenz ist die Fähigkeit optisch anisotroper Medien, ein Lichtbündel in zwei senkrecht zueinander polarisierte Teilbündel zu trennen (ordentlicher und außerordentlicher Strahl). Die Ursache dieses Effekts liegt im unterschiedlichen Brechungsindex (no und nao) in Abhängigkeit von der Ausbreitungsrichtung und der Polarisation des Lichts.

Ein prominentes Beispiel für ein solches Material ist Calcit (auch Kalkspat oder Doppelspat genannt), an dem die Doppelbrechung 1669 von Erasmus Bartholin entdeckt wurde.

Auch optisch isotrope Materialien (z. B. im kubischen Kristallsystem) können durch äußere Einflüsse doppelbrechend werden. Solche Einflüsse sind z. B.

Die meisten Flüssigkristalle sind spontan doppelbrechend.

Eng verwandt bzw. verbunden mit der Doppelbrechung ist der Dichroismus, bei dem Farben polarisationsabhängig absorbiert werden.

Physikalische Ursache

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Indexellipsoid eines optisch einachsigen Kristalls

Doppelbrechung tritt in optisch anisotropen Kristallen auf. Diese weisen für unterschiedliche Polarisation und Richtung des eingestrahlten Lichtes einen unterschiedlichen Brechungsindex auf.

Das zugehörige Indexellipsoid kann sein:

Die optischen Achsen eines doppelbrechenden Kristalls sind nicht zu verwechseln mit der optischen Achse eines Systems von Linsen und Spiegeln.

Ordentlicher und außerordentlicher Strahl

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Konstruktion des ordentlichen (links) und des außerordentlichen (rechts) Strahles nach Huygens in einem einachsigen Kristall. Im linken Fall ist das Licht senkrecht zur Zeichenebene polarisiert, im rechten parallel dazu. Die Ausbreitungsgeschwindigkeiten sind relativ zur optischen Achse definiert, nicht relativ zur Polarisation.

Der ordentliche Strahl und der außerordentliche Strahl werden definiert durch die Orientierung ihres elektrischen Feldes zur Ebene, die durch die optische Achse und die Ausbreitungsrichtung des einfallenden Strahls aufgespannt wird (Hauptschnitt):

  • Der ordentliche Strahl ist der Anteil des einfallenden Strahls, dessen elektrisches Feld senkrecht zum Hauptschnitt steht. Für den ordentlichen Strahl gilt in einachsigen Kristallen das Snelliussche Brechungsgesetz für isotrope Medien,[1] d. h., er wird bei senkrechtem Einfall auf den doppelbrechenden Kristall nicht gebrochen. Die Elementarwellen des ordentlichen Strahls bilden Kugelwellen, die dem Huygensschen Prinzip genügen.[2]
  • Der zweite, der außerordentliche Strahl, hingegen ist der Anteil des einfallenden Strahls, dessen elektrisches Feld im Hauptschnitt des Kristalls schwingt. Für ihn gilt das Brechungsgesetz nicht, d. h., er wird auch bei senkrechtem Einfall auf den doppelbrechenden Kristall gebrochen. Die Elementarwellen des außerordentlichen Strahls bilden Rotationsellipsoide.

Die Wellenfronten für den ordentlichen und den außerordentlichen Strahl breiten sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und aus, daraus folgen die zugehörigen Brechungsindizes:

und

mit der Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum.

Die Differenz der Brechungsindizes () ist ein Maß für die Doppelbrechung. Das Vorzeichen wird als optischer Charakter oder optische Orientierung bezeichnet. Für Kalkspat ist . Kalkspat ist daher ein optisch negativer einachsiger Kristall, d. h., in ihm bewegt sich der außerordentliche Strahl schneller als der ordentliche:

In diesem Zusammenhang spricht man auch von der schnellen und der langsamen Achse. In einem optisch negativen einachsigen Kristall verläuft die schnelle Achse parallel zur optischen Achse des Kristalls und die langsame Achse senkrecht zu ihr.

Entsprechend bewegt sich in einem optisch positiven einachsigen Kristall der außerordentliche Strahl langsamer als der ordentliche:

Daher verläuft in einem optisch positiven einachsigen Kristall die schnelle Achse senkrecht zur optischen Achse des Kristalls, während die langsame Achse mit der optischen Achse übereinstimmt.

Zirkulare Doppelbrechung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Dichroitische zirkulare Doppelbrechung bei Polystyrol-Platten zwischen gekreuzten Polarisationsfiltern, hervorgerufen durch Texturen bei der Formgebung

Die Eigenschaft optisch aktiver Substanzen, einen unterschiedlichen Brechungsindex für links- und rechts-zirkular polarisiertes Licht zu zeigen, wird als zirkulare Doppelbrechung bezeichnet.[3]

Sie wurde erstmals 1811 von Dominique François Jean Arago am Quarz beschrieben. Dort ist der Effekt ungefähr um den Faktor 100 geringer als die lineare Doppelbrechung. Da sich beide Effekte überlagern, kann die zirkulare Doppelbrechung nur dann beobachtet werden, wenn die lineare Doppelbrechung nicht auftritt. Bei Quarz ist dies entlang der optischen Achse der Fall.

Um die Drehung eines linear polarisierten Strahls durch die zirkulare Doppelbrechung in einem Material zu berechnen, kann dieser als eine kohärente Überlagerung eines links- und eines rechtsdrehenden Anteils mit gleicher Intensität beschrieben werden. Durch das Material bewegen sich die beiden Anteile mit unterschiedlichen Phasengeschwindigkeiten (die größere Phasengeschwindigkeit entspricht dem kleineren Brechungsindex). Nach dem Materialdurchgang ergibt die Überlagerung beider Anteile wieder einen linear polarisierten Strahl. Die Phasendifferenz Δφ der beiden Anteile nach dem Materialdurchgang zeigt sich in einer Drehung der Polarisations-Schwingungsebene um den Winkel Δφ/2 gegenüber der Schwingungsebene vor dem Materialdurchgang. Bei Quarz beträgt dieser Winkel ±21,7 °/mm Materialdicke (±, da Quarz sowohl rechts- als auch linksdrehend auftritt).

  • Eine Rechtsdrehung wird mit einem positiven Drehwinkel beschrieben und entsteht, wenn der Brechungsindex für den linksdrehenden Anteil größer ist als der für den rechtsdrehenden Anteil: .
  • Eine Linksdrehung wird mit einem negativen Drehwinkel beschrieben und entsteht, wenn der Brechungsindex für den rechtsdrehenden Anteil größer ist als der für den linksdrehenden Anteil: .

Die Ursache für die zirkulare Doppelbrechung beim Quarz ist sein „schraubenförmiger“ Kristallbau.[3] Aber nicht nur kristalline Materialien mit einer „schraubenförmigen“ Struktur zeigen ein Drehvermögen der Polarisationsebene, auch Flüssigkeiten weisen diese Eigenschaft auf, z. B. Terpentin. Die Ursache hierfür liegt ebenfalls in ihrem molekularen Aufbau, die Chiralität genannt wird. Weiterhin kann eine zirkulare Doppelbrechung durch ein Magnetfeld induziert werden, siehe Faraday-Effekt, z. B. bei Bleisilikatglas.

Vergleichbare Effekte gibt es auch für das Absorptionsverhalten von Materialien, siehe zirkularer Dichroismus.

Doppelbrechende Materialien

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Tabellen enthalten die Brechungsindizes gängiger uni- bzw. biaxialer Systeme bei der Wellenlänge von orange-rotem Licht:

Uniaxiale Kristalle, für =590 nm[4]
Material no nao n
= nao - no
Beryll Be3Al2(SiO3)6 1,602 1,557 −0,045
Kalkspat CaCO3 1,658 1,486 −0,172
Kalomel Hg2Cl2 1,973 2,656 +0,683
Eis H2O 1,309 1,313 +0,014
Lithiumniobat LiNbO3 2,272 2,187 −0,085
Magnesiumfluorid MgF2 1,380 1,385 +0,006
Quarz SiO2 1,544 1,553 +0,009
Rubin Al2O3 1,770 1,762 −0,008
Rutil TiO2 2,616 2,903 +0,287
Saphir Al2O3 1,768 1,760 −0,008
Natriumnitrat NaNO3 1,587 1,336 −0,251
Turmalin (komplexes Silikat) 1,669 1,638 −0,031
a-Zirkon ZrSiO4 1,960 2,015 +0,055
b-Zirkon ZrSiO4 1,920 1,967 +0,047
Biaxiale Kristalle, für = 590 nm[4]
Material na nβ nγ
Borax 1,447 1,469 1,472
Bittersalz MgSO4·7(H2O) 1,433 1,455 1,461
Glimmer, Biotit 1,595 1,640 1,640
Glimmer, Muskovit 1,563 1,596 1,601
Olivin (Mg, Fe)2SiO4 1,640 1,660 1,680
Perovskit CaTiO3 2,300 2,340 2,380
Topas 1,618 1,620 1,627
Ulexit 1,490 1,510 1,520

Doppelbrechende Materialien werden z. B. in Verzögerungsplatten und Polarisatoren verwendet. Zu den doppelbrechenden Polarisatoren zählen unter anderem das Nicolsche Prisma oder das Glan-Thompson-Prisma. Sie ermöglichen es, aus unpolarisiertem Licht linear polarisiertes Licht zu erzeugen.

Bei optischen Abbildungen können doppelbrechende Materialien als optischer Tiefpass eingesetzt werden, um beispielsweise den im Zusammenhang mit Bayer-Sensoren auftretenden Alias-Effekt zu vermindern.

Doppelbrechung kann auch als störender Effekt auftreten, z. B. beim Spritzprägen von Compact Discs.[5] Verursacht wird die Doppelbrechung hier durch mechanische Verspannungen innerhalb der Polycarbonat-Schicht, beispielsweise durch thermische Belastung oder Scherbeanspruchung des Materials.

Verschiedene Theorien besagen, dass die Doppelbrechung mit Sonnensteinen ein historisches Hilfsmittel war, um bei bedecktem Himmel den Sonnenstand zu bestimmen und Schiffe zu navigieren.

Doppelbrechende Proteinkristalle
unter einem Polarisationsmikroskop

Bei Drehung der Probe zwischen gekreuzten Polarisationsfiltern ändert sich die Helligkeit bzw. die Farbe des doppelbrechenden Objektes, während optisch isotrope Materialien keine Veränderungen im Bild zeigen.

Der Nachweis einer doppelbrechenden Substanz kann daher z. B. auch im Polarisationsmikroskop erfolgen.

Auch mithilfe der Immersionsmethode ist es möglich, doppelbrechende Materialien zu identifizieren.

Commons: Doppelbrechung – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Wolfgang Zinth, Ursula Zinth: Optik. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2005, ISBN 3-486-27580-1, S. 230.
  2. Hans-Joachim Bautsch, Will Kleber, Joachim Bohm: Einführung in die Kristallographie. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1998, ISBN 3-486-27319-1, S. 273.
  3. a b Wilhelm Raith, Clemens Schaefer: Elektromagnetismus. Walter de Gruyter, 1999, ISBN 3-11-016097-8, S. 425–426.
  4. a b Glenn Elert: Refraction. In: The Physics Hypertextbook. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. September 2009; abgerufen am 21. Dezember 2010 (englisch).
  5. R. Wimberger-Friedl: Analysis of the birefringence distributions in compact discs of polycarbonate. In: Polymer Engineering & Science. Band 30, Nr. 14, 1990, S. 813–820, doi:10.1002/pen.760301403.