Toleranzpatent

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Seite 1 des Patents von 1781
Seite 5 des Patents von 1781

Toleranzpatente bezeichnen Toleranzedikte Kaiser Josephs II. im Rahmen seiner Reformen (siehe: Josephinismus), die den in den österreichischen Erblanden zuvor diskriminierten Minderheiten eine freiere Ausübung ihrer Religion ermöglichten. Der Vorrang der Katholischen Kirche blieb aber weiterhin bestehen.

Die Toleranzpatente können als das Ende der Gegenreformation angesehen werden.

Toleranzpatente Josephs II.

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Patent von 1781

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Das Patent vom 13. Oktober 1781[1] ermöglichte den durch den Westfälischen Frieden anerkannten protestantischen Kirchen (Lutheranern und Reformierten) und den Orthodoxen in den Habsburger Kronländern erstmals seit der Gegenreformation wieder die Religionsausübung (siehe: Evangelische Kirche H.B. in Österreich für das Helvetische Bekenntnis und Evangelische Kirche A.B. für das Augsburger Bekenntnis). Die Böhmischen Brüder blieben weiterhin illegal. Diese Religionsausübung war jedoch weiterhin mit Auflagen verbunden:

Rechtliche Einschränkungen

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Die Eheschließung musste als offizieller Akt weiterhin in der Hand der staatsnahen katholischen Kirche bleiben.

Die Toleranzbethäuser

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Durch das Patent konnten in den Kronländern der Habsburgermonarchie ab 1781 evangelische Bethäuser errichtet werden, die später als Toleranzbethäuser oder Toleranzkirchen bezeichnet wurden. Diese protestantischen Bethäuser unterlagen, ähnlich den 100 Jahre zuvor zugelassenen Artikularkirchen im nördlichen Teil von Ungarn, diskriminierenden baulichen Beschränkungen. Sie durften nicht die Bezeichnung „Kirche“ tragen, äußerlich nicht wie Kirchen aussehen, sondern wie Bürgerhäuser. So waren zum Beispiel Rundfenster nicht gestattet. Außerdem mussten sie zumindest 50 m von einer Hauptstraße entfernt liegen und einen von der Hauptstraße abgewandten Eingang haben. Sie durften insbesondere keinen Turm besitzen. Außerdem durfte ein Bethaus nur dann errichtet werden, wenn sich in einem gewissen Gebiet zumindest 100 Familien oder 500 Einzelpersonen zum evangelischen Glauben bekannten.

Das Patent wurde am 13. und 27. Oktober 1781 für die deutschen und böhmischen Provinzen verkündet, am 25. Oktober 1781 oder 21. Dezember 1781 für Ungarn, am 10. November 1781 für Galizien, am 12. November 1781 für die belgischen Provinzen, am 30. Mai 1782 für die Lombardei. Zwischen 6. November und 9. Dezember 1781 wurde es in Tirol verkündet.[2][3][4][5]

In der Folge zeigte sich, dass in einigen Gebieten Österreichs durch einen Geheimprotestantismus die Traditionen über rund eineinhalb Jahrhunderte bewahrt werden konnten. So bekannte sich zum Beispiel in Gosau im Salzkammergut beinahe die gesamte Bevölkerung als „akatholisch“, wie man die Protestanten – auch amtlich – abfällig nannte.

Patent von 1782

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Denkmal von Kaiser Joseph II. mit dem Toleranzpatent in der rechten Hand (Villacher Kaiser-Joseph-Platz)

Im Patent vom 2. Jänner 1782 wurden auch Juden größere Freiheiten in der Religionsausübung zugestanden.

Patent von 1785

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Durch das Patent vom 11. Dezember 1785 wurde die Freimaurerei legalisiert, die Zahl der zugelassenen Logen aber zugleich beschränkt, was in Wien zu zwei Sammellogen führte.

Durch das Kriminalpatent vom 2. Jänner 1795[6] von Franz II. wurde das Freimaurertum, wie andere „geheime Gesellschaften“, wieder unterdrückt.

Erschwernis des Übertritts

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Ab 1787 wurde der Übertritt von der katholischen zur evangelischen Kirche dadurch wieder erschwert, dass man sich einem sechswöchigen Glaubensunterricht unterziehen musste. Hintergrund dieser Maßnahme war zum einen, dass sich in einigen Gebieten Österreichs – nordöstlich von Wels in Oberösterreich, Inneres Salzkammergut, rund um Schladming in der Steiermark und in Oberkärnten – teilweise mehr als die Hälfte der Bevölkerung zum evangelischen Glauben bekannten, was besonders bei den regionalen katholischen Kirchenstellen Besorgnis erregte. Zum anderen nutzten aber auch manche Evangelische das verbreitete Unwissen mancher Katholiken in Glaubensfragen dazu aus, um möglichst rasch die für ein Bethaus erforderliche Personenanzahl zu erreichen.

Weitere Entwicklung

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Infolge der politischen Umwälzungen von 1848/49 wurden auch zahlreiche Beschränkungen für die Protestanten aufgehoben. Den abfälligen und amtlich verwendeten Begriff „akatholisch“ ersetzte man durch „Evangelische der Augsburger oder Helvetischen Konfession“. Die baulichen Beschränkungen für Kirchengebäude wurden aufgehoben. Schon am 23. Mai 1849 erfolgte in Wels die Grundsteinlegung für die erste protestantische Kirche in Österreich mit Turm. Fast alle Bethäuser erfuhren einen Umbau, um dem äußerlichen Erscheinungsbild einer Kirche zu entsprechen.

Erst 1861 erhielten die Protestanten im Protestantenpatent weitgehende Freiheit ihrer Religionsausübung, der Staat zog sich auf Aufsichtspflichten zurück.

Das Protestantengesetz von 1961 schließlich regelte das Verhältnis zwischen den evangelischen Kirchen und dem Staat neu im Sinne voller innerer Freiheit der Kirchen.

Toleranzgemeinden

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Die Kirchengemeinden, die sich auf Grund des Toleranzpatentes bei den bisher Geheimprotestanten jetzt in der Legalität bilden konnten, wurden als Toleranzgemeinden bezeichnet.

In Gegenden, in denen wenigstens 100 evangelische Familien (in Entfernung von einer Gehstunde von einem Ort) lebten, durfte ein Bethaus errichtet werden. Dieses durfte aber von außen nicht als Kirche erkennbar sein und keinen öffentlichen Zugang von der Straße und keine Glocken haben. Auch Schulen durften gebaut werden. Es konnten auch Pfarrer und Lehrer berufen werden. Und was für den einzelnen Evangelischen wichtig war: Er konnte Meister werden, Bürgerrechte erhalten und studieren.

Die Toleranzgemeinden im heutigen Österreich

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Zwischen 1781 und 1795 entstanden in den Grenzen des heutigen Österreichs 48 Toleranzgemeinden:

Von den 48 Toleranzgemeinden im heutigen Österreich sind die Toleranzbethäuser zu unterscheiden. Da viele Toleranzgemeinden auch Tochtergemeinden und Predigtstationen umfassten, war die Anzahl der Toleranzbethäuser um einiges höher. In der gesamten österreichischen Monarchie entstanden über 1.100 Kirchengemeinden, ein Großteil jenseits der Leitha im ungarischen Teil (Transleitanien).[9]

Nach 1795 wurden zwar weiterhin evangelische Gemeinden genehmigt, jedoch deutlich restriktiver als in den Jahren davor. Dieser Kurswechsel erfolgte nach dem Ableben von Josef II. und Leopold II. durch den 1792 gekrönten letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Franz II. Einige Beispiele von Gründungen zwischen 1795 und 1861 sind: Graz (1821), Gröbming (1812), Attersee am Attersee (1812),[9] Hallstatt (1785 Toleranzbethaus als Filiale von Goisern, Gemeindeerhebung 1836) und Linz (1844). Eine deutliche Zunahme der Gründung von evangelischen Pfarrgemeinden geschah erst nach Inkrafttreten des Protestantenpatents von 1861, da durch dieses Gesetz etliche Beschränkungen aufgehoben wurden.[10]

In Cisleithanien waren per Oktober 1782 bereits 73.722 Evangelische registriert, bis Ende 1785 erhöhte sich die der Hofkammer bekannte Zahl auf 107.454 evangelische Christen.[9]

Statistik zu den Toleranzgemeinden in Österreich

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Toleranzbethaus in Fresach (heute Diözesanmuseum)
Toleranzbethaus in Sankt Johann am Tauern (heute Glaubenskirche)

Zwischen 70.000 und 80.000 Menschen meldeten sich im Gebiet des heutigen Österreich und bekannten, evangelisch zu sein. Zentren für die unter diesem kaiserlichen Patent möglichen Toleranzgemeinden war das oberösterreichische Salzkammergut. Im Einzelnen lässt sich die Bildung evangelischer Gemeinden, sogenannter Toleranzgemeinden, aus geheimprotestantischen Gruppierungen unmittelbar nach dem Toleranzpatent in Österreich wie folgt quantifizieren (außerhalb von Wien, Graz und unter Weglassung des Burgenlandes; Personenzahlen für ca. 1800 geschätzt, außer wenn anders angegeben):

Oberösterreich – 1786: 7644 Personen:

Niederösterreich:

Steiermark:

Kärnten:

Weitere Gemeinden:

Glaubenskirche (Sankt Johann am Tauern)

Erhaltene Toleranzbethäuser

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Rekonstruiertes Toleranzbethaus im Walachischen Freilichtmuseum (Tschechien)
Rekonstruiertes Toleranzbethaus im Walachischen Freilichtmuseum von innen

Mit den zunehmenden Freiheiten wurden manche der genannten Häuser, ihrer Nutzung entsprechend, äußerlich während der vergangenen zweihundert Jahre mehr oder weniger Kirchen angepasst und sind manchmal, wie etwa in Wien und Graz, nicht mehr als Toleranzbethäuser erkennbar. Sehr ursprünglich geblieben und in dieser Form immer noch genützt ist das Watschiger Toleranzbethaus.

Namhafte Pfarrer der Toleranzgemeinden

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  • Günter Stemberger (Hrsg.): 2000 Jahre Christentum. Illustrierte Kirchengeschichte in Farbe. Pawlak, Herrsching 1983, ISBN 3-88199-122-0, bes. Kapitel Theologie, Aufklärung und Idealismus, S. 539 ff.
  • Karl R. Popper: Zum Thema Freiheit. In: Ders.: Alles Leben ist Problemlösen. Über Erkenntnis, Geschichte und Politik. 8. Auflage. Piper, München 2004, ISBN 3-492-22300-1, S. 155–172.
  • Louise Hecht: Toleranzpatente. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 6: Ta–Z. Metzler, Stuttgart/Weimar 2015, ISBN 978-3-476-02506-7, S. 137–141.
Commons: Toleranzbethäuser – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Johann Thomas Edler von Trattner: Sammlung der k.k. landesfürstlichen Verordnung in Publico-Ecclesiasticis. Kaiserl. Königl. Hofbuchdruckern und Buchhändlern, Wien 1782 (Online-Version – Patent Nr. 133 vom 13. Oktober 1781).
  2. „Ein rheinischer Rechtsgelehrter“: Für die Glaubenseinheit Tirols: Ein offenes deutsches Wort an das Tiroler Volk, Vereins-Buchdruckerei, 1861, S. V, 30, 88, 89, 92 (Online-Version)
  3. Wilhelm Engelander: Der Katholizismus und Protestantismus in Oesterreich. 1846, S. 88 (Online-Version).
  4. Karl Kuzmány (Hrsg.): Urkundenbuch zum österreichisch-evangelischen Kirchenrecht bzw. Praktische Theologie der evangelischen Kirche augsb. und helvet. Confession. Erster Band: Lehrbuch des Kirchenrechtes. Zweite Abtheilung: Urkundenbuch. Wilhelm Braumüller, Wien 1856, S. 140 (Online-Version).
  5. Albert Jäger: Kaiser Joseph II. und Leopold II. Reform und Gegenreform 1780–1792 (= Oesterreichische Geschichte für das Volk. Band XIV). Prandel & Ewald, 1867, S. 99 (Online-Version).
  6. Nr. 209, Patent vom 2ten Januar 1795, „Das Verbrechen des Hochverrathes begehet derjenige …“, in: Seiner Majestät des Kaisers Franz Gesetze und Verfassungen im Justitz-Fache für die Deutschen Staaten der Oesterreichischen Monarchie. Kaiserlich-königliche Staats-Druckerey, Wien 1817, S. 177.
  7. a b c d e Peter F. Barton: Evangelisch in Österreich. 1. Auflage. Böhlau, Wien/Köln/Graz 1987, ISBN 3-205-05096-7, S. 129.
  8. Leopold Temmel: Evangelisch in Oberösterreich. Werdegang und Bestand der Evangelischen Kirche. 1. Auflage. Oberösterreichischer Landesverlag, Linz 1982, ISBN 3-85214-334-9, S. 79.
  9. a b c Peter F. Barton: Evangelisch in Österreich. 1. Auflage. Böhlau, Wien/Köln/Graz 1987, ISBN 3-205-05096-7, S. 130, 143, 203.
  10. Leopold Temmel: Evangelisch in Oberösterreich. Werdegang und Bestand der Evangelischen Kirche. 1. Auflage. Oberösterreichischer Landesverlag, Linz 1982, ISBN 3-85214-334-9, S. 162, 174.
  11. Johannes-Mathesius-Gesellschaft
  12. „Mitterbach“ – Die einzige Toleranzgemeinde Niederösterreichs auf ORF vom 24. August 2003.
  13. Geschichte der Evangelischen Pfarrgemeinde Pinkafeld