État légal

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État légal ist ein Ausdruck der französischen Rechtssprache. Nach Helmut Ridder bezeichnet der Begriff die „von der sich parlamentarisch darstellenden und legalisierenden bürgerlichen Gesellschaft restfrei vollzogene Okkupation des ‚Staats’“. Anders als im Rahmen eines sog. „materiellen“ Rechtsstaats-Verständnisses sei kein Gericht je „auf den Gedanken gekommen, mit Hilfe eines ‚Prinzips’ von ‚état légal’ die geltenden Gesetze zu dezimieren und zu desavouieren.“[1]

Der Ausdruck bringt die legizentristische Tradition, die das französische Rechtsdenken – ausgehend u. a. von Rousseau[2] – lange Zeit beherrschte auf den Begriff: „Gesetz“ repräsentierte in Frankreich „wie kaum ein anderer Begriff den Glauben an die umfassende Gestaltungskraft der menschlichen Vernunft. Wenn es in der Aufklärungszeit in Frankreich eine konsensfähige Vorstellung gibt, dann ist es die von dem Gesetz, mit dessen Hilfe, und nur mit dessen Hilfe, der Umbau von Gesellschaft, Recht, Politik usw. vollzogen werden kann.“[3]

In den letzten Jahrzehnten kommt es allerdings auch in Frankreich zu einer aktivistischeren Rechtsprechung des französischen Verfassungsrates[4] und einer Verdrängung des Begriffs État légal durch die dem Deutschen entstammende Lehnübersetzung État de droit (Rechtsstaat).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ellen Meiksins Wood: Britain vs. France: How many. Sonderwegs, in: Detlef Georgia Schulze / Sabine Berghahn / Frieder Otto Wolf (Hg.), Rechtsstaat statt Revolution, Verrechtlichung statt Demokratie? Transdisziplinäre Analysen zum deutschen und spanischen Weg in die Moderne (StaR P. Neue Analysen zu Staat, Recht und Politik. Serie A. Bd. 2), Westfälisches Dampfboot: Münster 2010, 82 – 97 (87 – 90: Abschnitt Rule of Law and État légal)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Helmut Ridder: Die soziale Ordnung des Grundgesetzes. Leitfaden zu den Grundrechten einer demokratischen Verfassung, 1975, 147 = ders., Gesammelte Schriften hrsg. von Dieter Deiseroth / Peter Derleder / Christoph Koch / Frank-Walter Steinmeier, Nomos: Baden-Baden, 2010, 7 - 190 (179).
  2. Vgl. Helmuth Schulze-Fielitz, [Kommentierung zu] Art. 20 (Rechtsstaat). In: Horst Dreier (Hg.): Grundgesetz. Kommentar. Bd. 2: Art. 20 - 82, Mohr Siebeck: Tübingen 1998, S. 128 - 209 (133, RN 7) = 2. Aufl.: 2006 (178, RN 7) („In Frankreich liegt unter dem Einfluß von Rousseau der Akzent stärker auf Theorien der Herrschaft durch Gesetze der demokratischen Mehrheit.“) und Antonio-Carlos Pereira Menaut, Rule of law o Estado de Derecho, Marcial Pons: Madrid, 2003, 86 („[…] en Francia […] en vez de Primat des Rechts o sumisión ‚a la ley y al Derecho’ hay primauté de la loi.“ / „[…] in Frankreich […] gibt es an Stelle eines Primats des Rechts oder einer Gehormsamkeit ‚gegenüber Gesetz und dem Recht’ ein Primat des Gesetzes.“ (eigene Übs.).
  3. Wolfgang Schmale: Das Naturrecht in Frankreich zwischen Prärevolution und Terreur. in: Otto Dann / Diethelm Klippel, Naturrecht – Spätaufklärung – Revolution. Meiner, Hamburg 1995, S. 5 - 22 (19).
  4. Vgl. Constance Grewe, Grundrechte und ihre Kontrolle in Frankreich. – Grundlagen und aktuelle Entwicklungen –, in: Europäische Grundrechtszeitschrift 2002, 209 - 212, 209, 211 und Danièle Loschak, Der Verfassungsrat – Hüter der Grundrechte, in: Demokratie und Recht 1982, 50, 52 - 60 (mit redaktioneller Vorbemerkung auf S. 50–52) (frz. Erstveröffentlichung: Le Conseil constitutionnel protecteur des libertés?, in: pouvoirs Nr. 13, 1980, 35–47).