Amazonas-Sotalia

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Amazonas-Sotalia

Amazonas-Sotalia (Sotalia fluviatilis)

Systematik
Ordnung: Wale (Cetacea)
Unterordnung: Zahnwale (Odontoceti)
Überfamilie: Delfinartige (Delphinoidea)
Familie: Delfine (Delphinidae)
Gattung: Sotalia
Art: Amazonas-Sotalia
Wissenschaftlicher Name
Sotalia fluviatilis
(Gervais & Deville, 1853)

Der Amazonas-Sotalia (Sotalia fluviatilis, Syn.: Sotalia pallidus (Gervais, 1855), Sotalia tucuxi (Gray, 1856)) ist eine kleine Delfinart, die in ihrer Heimat Tucuxi genannt wird. Sie lebt im nördlichen Südamerika im Amazonas und seinen großen Nebenflüssen wie Rio Negro, Rio Madeira, Rio Tapajós, Río Putumayo, Rio Japurá, Río Napo, Río Cuyabeno, Río Ucayali, Río Marañón sowie Rio Tocantins. Sie ähneln körperlich den Großen Tümmlern. Der Amazonas-Sotalia ist nicht zu verwechseln mit dem Amazonasdelfin aus der Familie der Amazonas-Flussdelfine.

Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Skelett von Sotalia fluviatilis im Museum für Naturwissenschaften in Brüssel

Der Amazonas-Sotalia gehört zur Familie der Delfine (Delphinidae). Er besitzt einen mäßig langgestreckten Körper und einen durchschnittlich langen, schlanken Schnabel. Er erreicht eine durchschnittliche Körperlänge von 1,40 Meter und gehört damit zu den kleineren Walarten. Das größte wissenschaftlich untersuchte Männchen war 1,49 Meter, das größte Weibchen 1,52 Meter lang. Die Stirn ist durch die Melone deutlich gerundet, der Schnabel gut abgesetzt und enthält 26 bis 36 Zahnpaare in Ober- und Unterkiefer.[1] Die Flipper sind maximal 29 cm lang, die Fluke 42 cm breit. Die Finne ist niedrig und dreieckig, hat eine breite Basis und die Spitze ist manchmal hakenförmig gebogen. Je Oberkieferhälfte zählt man 28 bis 35 Zähne.

Die Farbe des Amazonas-Sotalia ist grau auf der Rückenseite und weiß, hellgrau oder ein rosa angelaufenes hellgrau auf der Bauchseite. Die rosa Färbung wird auf eine stärkere Durchblutung zurückgeführt.[2] Flipper und Fluke sind auf der Unterseite grau. Hinter den Flippern findet sich eine hellgraue Zone, eine andere verläuft von der Körpermitte zum Anus. Einige Exemplare zeigen einen hellgrauen Streifen, der sich von Schwanzflossenbasis ausgehend etwa 10 bis 15 cm nach vorne und unten erstreckt.

Von seinem nächsten Verwandten, dem an den Karibik- und Atlantikküsten Mittel- und Südamerikas vorkommenden Guyana-Delfin (Sotalia guianensis) unterscheidet sich der Amazonas-Sotalia genetisch, durch seine kleinere Maximallänge und vier metrische Merkmale bezüglich der Schädelanatomie. Ob beide Arten zueinander Kontakt haben, ist bisher unbekannt. Einziger möglicher Ort für ein Vorkommen beider Arten wäre die Amazonasmündung, da die Überwindung der Stromschnellen des Casiquiare für ihn als unmöglich gilt.

Lebensweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Amazonas-Sotalia lebt in unterschiedlichen Sozialgruppen, darunter Mutter-Kind-Gruppen, Familien oder größere Gruppen von zumeist 10, maximal 25 Exemplaren. Aufgrund des trüben Wassers des Lebensraums ist die Echoortung zur Orientierung außerordentlich wichtig. Seine Tauchgänge dauern meist 30 Sekunden, maximal 80 Sekunden. Er ernährt sich von Fischen und Wirbellosen. Wie Kratzspuren auf der Haut vermuten lassen, sind darunter auch größere, wehrhafte Fische, wie verschiedene Welsartige. Im Unterschied zu anderen Zahnwalen, die ihre Beute meist gleich verschlucken, scheint der Amazonas-Sotalia seine Nahrung zu kauen. Die Tragzeit dauert etwa 10 Monate und die Jungtiere werden etwa ein halbes Jahr gesäugt.

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Größenvergleich Amazonas-Sotalia und Taucher

Der Amazonas-Sotalia (Sotalia fluviatilis) wurde 1853 von Gervais und Deville und der Guyana-Delfin (Sotalia guianensis) 1864 von Pierre-Joseph van Bénéden beschrieben. Diese beiden Arten wurden anschließend zusammengefasst, der Amazonas-Sotalia galt als „Süßwasser-Unterart“.[3] Eine dreidimensionale morphometrische Studie stellte erstmals die Unterschiede hervor.[4] Eine molekulare Analyse von zeigte dann eindeutig, dass sich Sotalia fluviatilis genetisch von Sotalia guianensis unterscheidet.[5] Die Einordnung als zwei Arten in einer gemeinsamen Gattung ist inzwischen allgemein anerkannt. Innerhalb der Delfine gehört die Gattung Sotalia zur größten Unterfamilie, den Delphininae, der sechs Gattungen mit insgesamt 17 Arten angehören, womit es die größte Unterfamilie der Delfine ist.

Verbreitungsgebiet der Gattung Sotalia. Amazonas-Sotalia: gestrichelter Bereich; Guyana-Delfin: ausgefüllter Bereich

Amazonas-Sotalia und Mensch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Öl und Fett der Haut wird in der lokalen traditionellen Medizin als Salbe verwendet, die auf Wunden oder wunde Körperteile gerieben wird. Die Salbe soll Krankheiten wie Hämorrhoiden, Rheuma und Arthritis behandeln. Die Zähne werden in Pulverform zur Behandlung von Asthma verwendet.[6]

Die Augen, Zähne und Geschlechtsorgane von werden in ganz Nordbrasilien als magische Amulette verkauft, die für Glück, Liebe und finanziellen Erfolg sorgen sollen. Auch Bäder werden mit diesen Körperteilen hergestellt und sollen dabei helfen, Sexualpartner anzuziehen, wenn sie im Wasser baden. Andere Produkte wie Parfums und Puder, die mit den Geschlechtsorganen hergestellt werden, werden als Aphrodisiaka verkauft. Die Anzahl der zu magischen oder religiösen Zwecken erlegten Delfine und die Auswirkungen auf die Populationen sind unbekannt.[6]

Gefährdung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die IUCN listet den Amazonas-Sotalia auf der Roten Liste der gefährdeten Arten als stark gefährdet (endangered). Ein großes durch den Menschen verursachtes Problem sind Fischernetze, in denen sich die Delfine verfangen. Auch wurden sie vereinzelt gezielt gejagt. Umweltverschmutzung, insbesondere Quecksilbervergiftung des Wassers durch Goldabbau, ist ein besonderes Problem für diese Art. Die IUCN nennt auch die Fragmentierung von Lebensräumen durch den Bau von Dämmen als Bedrohung.[7]

Der Amazonas-Sotalia ist in Anhang II[18] des Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (CMS) aufgeführt.[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Sotalia fluviatilis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Monteiro-Neto, Cassiano; Alves-Júnior, Tarcísio Teixeira; Ávila, Francisco J. Capibaribe; Campos, Alberto Alves; Costa, Alexandra Fernandes; Silva, Cristine Pereira Negrão; Furtado-Neto, Manuel A. Andrade: Impact of fisheries on the tucuxi (Sotalia fluviatilis) and rough-toothed dolphin (Steno bredanensis) populations off Ceará state, northeastern Brazil. In: aquaticmammalsjournal.org. 2000, abgerufen am 10. Oktober 2022 (englisch).
  2. Body Length, Swimming Speed, Dive Duration, and Coloration of the Dolphin Sotalia fluviatilis (Tucuxi) in Nicaragua. In: Caribbean Journal of Science. 2001, abgerufen am 10. Oktober 2022 (englisch).
  3. Borobia, M.; S. Siciliano; L. Lodi & W. Hoek: Distribution of the South American dolphin Sotalia fluviatilis. In: Canadian Journal of Zoology. Band 69, Nr. 4, 1991, S. 1024–1039, doi:10.1139/z91-148.
  4. Emygdio Leite de Araujo Monteiro-Filho, Leandro Rabello Monteiro, Sérgio Furtado dos Reis: Skull Shape and Size Divergence in Dolphins of the Genus Sotalia: A Tridimensional Morphometric Analysis. In: Journal of Mammalogy. Band 83, Februar 2002, S. 125–134, doi:10.1644/1545-1542(2002)083<0125:SSASDI>2.0.CO;2.
  5. Cunha, H. A.; V. M. F. da Silva; J. Lailson-Brito Jr.; M. C. O. Santos; P. A. C. Flores; A. R. Martin; A. F. Azevedo; A. B. L. Fragoso; R. C. Zanelatto & A. M. Solé-Cava: Riverine and marine ecotypes of Sotalia dolphins are different species. In: Marine Biology. Band 148, Nr. 2, S. 449–457, doi:10.1007/s00227-005-0078-2.
  6. a b Alves, Rômulo R. N.; Rosa, Ierecê L.: Use of Tucuxi Dolphin Sotalia fluviatilis for Medicinal and Magic/Religious Purposes in North of Brazil. In: Human Ecology. Band 36, 31. Mai 2008.
  7. da Silva, V., Martin, A., Fettuccia, D., Bivaqua, L. & Trujillo, F.: Sotalia fluviatilis. In: The IUCN Red List of Threatened Species. 2020, abgerufen am 10. Oktober 2022 (englisch).
  8. Appendices I and II of the Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals (CMS). 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Juni 2011; abgerufen am 10. Oktober 2022 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cms.int