Amtsdelikt

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Amtsdelikt (oder auch Amtswillkür) bezeichnet im Strafrecht eine Straftat, an der ein Amtsträger beteiligt ist.

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Rechtsbegriff des Amtsträgers ist in § 11 StGB legaldefiniert. Der Inhaber eines öffentlichen Amtes ist wegen seiner besonderen Macht- und Vertrauensstellung zur unparteiischen Wahrnehmung der ihm übertragenen hoheitlichen und öffentlich-rechtlichen Aufgaben verpflichtet. Ihm obliegt eine besondere Sorgfalts- und Neutralitätspflicht. Entsprechend dieser regelmäßigen beruflichen Aufgabe von Amtsinhabern im Sinne der öffentlichen und rechtlichen Ordnung ergibt sich eine besondere Gefährdung für Handlungen, die im rechtlichen Sinn in einem weiten Spektrum von der Fahrlässigkeit bis zur Selbstjustiz und Willkür liegen können.

Das Amtsdelikt umfasst jedes Delikt, in dessen Tatbestand der Begriff des Amtsträgers als Tatobjekt (etwa §§ 113 StGB, § 121 StGB), als Täter§ 331 StGB, § 334 StGB) oder als Rechtssubjekt verwendet wird.[1]

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis 1943 wurde als Oberbegriff der Amtsmissbrauch im Reichsstrafgesetzbuch verwendet. Dieser allgemeine Einzelstraftatbestand wurde im NS-Staat durch Art. 10 Buchst. b, Schlussvorschrift S. 1 der (Ersten) Verordnung zur Angleichung des Strafrechts des Altreichs und der Alpen- und Donau-Reichsgaue (Strafrechtsangleichungsverordnung) vom 29. Mai 1943, Reichsgesetzblatt Teil I 1943 Nummer 57 vom 1. Juni 1943, S. 339–341[2], zum 15. Juni 1943 vom Reichsminister der Justiz Otto Georg Thierack ersatzlos aufgehoben; dort hieß es: „§ 339 des Reichsstrafgesetzbuchs wird gestrichen“. Seitdem wurde der Amtsmissbrauch als Einzelstraftatbestand nicht wieder in das StGB aufgenommen.

Als Amtsdelikte werden in Deutschland heute diejenigen Straftaten bezeichnet, die durch einen Amtsträger der öffentlichen Verwaltung bei Vornahme oder Unterlassung von Amtsgeschäften (im Dienst) begangen wurden. Die Strafandrohungen im 30. Abschnitt des StGB sind verhältnismäßig hoch. Amtsträger sollen ihr Amt unter anderem unparteiisch, ehrlich, anständig und ohne persönliche Vorteile erfüllen. Darüber hinaus sind sie gemäß Art. 20 Abs. 3 GG und Artikel 34 GG an die verfassungsmäßige Ordnung sowie an Gesetz und Recht gebunden. Der Begriff des Amtsträgers wird in § 11 Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (Art. 34 GG).[3]

Ein Amtsdelikt stellt bei einer Verletzung individueller Rechte oder des Vermögens zivilrechtlich regelmäßig eine Amtspflichtverletzung dar, die eine Haftung aus § 839 BGB (Amtshaftung) auslöst, die vor den Zivilgerichten zu verfolgen ist. Effektiver Rechtsschutz ist auch subsidiär (also zusätzlich) durch die Erhebung einer Feststellungsklage nach (§ 256 ZPO) basierend auf den Grundrechten gemäß Artikel 34 Satz 3 GG gegen den Staat oder die Körperschaft zu erlangen.

Zudem stellt ein Amtsdelikt bei Beamten, Richtern und Soldaten (nicht aber bei Angestellten) regelmäßig ein Dienstvergehen dar, das oft zusätzlich in einem förmlichen Disziplinarverfahren verfolgt wird. Im Regelfall wird, abgesehen von vorläufigen Maßnahmen wie einer Suspendierung, der rechtskräftige Ausgang des Strafverfahrens abgewartet, bevor das Disziplinarverfahren (weiter-)betrieben bzw. eingestellt wird.

Amtsdelikte sind durchweg Offizialdelikte. Es werden echte von unechten Amtsdelikten unterschieden:

Echte Amtsdelikte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Echte Amtsdelikte (auch eigentliche Amtsdelikte) sind Straftaten, die nur unter Missbrauch der Position des Amtsträgers begangen werden können:

Bei den echten Amtsdelikten ist im Allgemeinen die Amtsträgerschaft ein strafbegründendes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB.

Bei den Straftatbeständen der Abgabenüberhebung und Leistungskürzung gemäß § 353 StGB ist jedoch das strafbegründende Merkmal ausschließlich die Begehung der Tat zum Nachteil des Staates. Ihre Begehung zum Vorteil des Staates stellt keine Straftat dar.

Unechte Amtsdelikte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als unechte Amtsdelikte werden Delikte bezeichnet, die allgemein strafbar sind, bei Amtsträgern jedoch zu einem höheren Strafmaß führen. Für diese Unterart existieren eigene Strafvorschriften:

  • Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB),
  • Gefangenenbefreiung im Amt (§ 120 Abs. 2 StGB),
  • Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB),
  • Verwahrungsbruch im Amt (§ 133 Abs. 3 StGB),
  • Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung (§ 174b StGB),
  • Nötigung unter Missbrauch der Amtsbefugnisse oder der -stellung (§ 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StGB).

Bei diesen Delikten ist die Amtsträgereigenschaft straferhöhendes Merkmal des § 28 Abs. 2 StGB.

Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Amtsdelikte werden in Österreich umgangssprachlich Delikte nach dem Strafgesetzbuch (StGB) bezeichnet, welche „Strafbare Verletzungen der Amtspflicht, Korruption und verwandte Strafbare Handlungen“ darstellen.

Dazu zählen:

  • Missbrauch der Amtsgewalt (§ 302 StGB),
  • Fahrlässige Verletzung der Freiheit der Person oder des Hausrechts (§ 303 StGB),
  • Bestechlichkeit (§ 304 StGB),
  • Vorteilsannahme (§ 305 StGB),
  • Vorteilsannahme zur Beeinflussung (§ 306 StGB),
  • Bestechung (§ 307 StGB), gemeinhin als jenes Delikt bekannt, unter welchem man landläufig „Korruption“ versteht,
  • Vorteilszuwendung (§ 307a StGB),
  • Vorteilszuwendung zur Beeinflussung (§ 307b StGB),
  • Verbotene Intervention (§ 308 StGB),
  • Geschenkannahme und Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten (§ 309 StGB),
  • Verletzung des Amtsgeheimnisses (§ 310 StGB),
  • Falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt (§ 311 StGB),
  • Quälen oder Vernachlässigen eines Gefangenen (§ 312 StGB),
  • Folter (§ 312a StGB),
  • Verschwindenlassen einer Person (§ 312b StGB),
  • Strafbare Handlungen unter Ausnützung einer Amtsstellung (§ 313 StGB).

Nachdem es im Jahr 2006 zu mehreren Verurteilungen im Bereich der Polizei nach einigen der genannten Paragraphen gekommen war, wurde von Innenministerin Liese Prokop angeregt, die Strafbestimmungen hinsichtlich einer höheren Mindeststrafe zu überarbeiten. Dies deshalb, weil sich die bewussten Urteile im untersten Bereich des möglichen Strafrahmens bewegten und so zu keinerlei dienstlicher Konsequenz für die Verurteilten führte. Erst bei einer unbedingten Strafe ab einem halben Jahr, bzw. einer bedingten Strafe ab einem Jahr, führt dies zum Amtsverlust, d. h. zur Entlassung aus dem Staatsdienst, der Amtsverlust kann allerdings bedingt nachgesehen werden (§ 20 Abs. 2 lit. 2, letzter Satz BDG) Auch wurde von mehreren Seiten angeregt, im Bereich der Amtsdelikte einen sogenannten „Folterparagraphen“ einzuführen, welcher das Foltern von inhaftierten Personen durch Beamte unter eine besondere Strafandrohung stellt. Der dafür derzeit gültige § 312 StGB sei dafür nicht ausreichend.

In Österreich untersucht u. a. das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung Amtsdelikte.[4]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Claus Nils Leimbrock: Strafrechtliche Amtsträger: Eine Analyse der Legaldefinition in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB, 2009, S. 9.
  2. Reichsgesetzblatt Teil I 1943 Nummer 57 vom 1. Juni 1943, S. 341.
  3. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. März 2009, Az.: 23 W 99/08 = NJW 2009, 2388
  4. Meldestelle Korruption und Amtsdelikte bak.gv.at, abgerufen am 26. April 2012