Andreas Baader

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Berndt Andreas Baader (* 6. Mai 1943 in München; † 18. Oktober 1977 in Stuttgart-Stammheim) war ein deutscher Terrorist, Mitbegründer und eines der führenden Mitglieder der ersten Generation der linksextremistischen Terrororganisation Rote Armee Fraktion (RAF). Seine Befreiung aus der Haft, zu der er wegen seiner Teilnahme an den Kaufhaus-Brandstiftungen am 2. April 1968 in Frankfurt am Main verurteilt war, durch Ulrike Meinhof und andere am 14. Mai 1970 in Berlin gilt als Geburtsstunde der RAF.[1]

Baader, 1972 an fünf Sprengstoffanschlägen mit vier Todesopfern und mehreren Bankrauben beteiligt, wurde 1972 verhaftet und 1977 im Stammheimer Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Er erschoss sich am 18. Oktober 1977, in der sogenannten Todesnacht von Stammheim, mit einer in die JVA Stuttgart eingeschmuggelten Waffe.[2][3][4]

Der kollektive Suizid der inhaftierten RAF-Spitze, auch Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe nahmen sich das Leben, und die Ermordung des von der RAF entführten Hanns-Martin Schleyer am selben Tag, waren der Schlusspunkt des sogenannten Deutschen Herbstes, der als eine der schwersten Krisen der damaligen Bundesrepublik Deutschland gilt.[5]

Leben

Baader wuchs die ersten Jahre bei seiner Großmutter auf, später in einem Drei-Frauen-Haushalt mit seiner Mutter Anneliese Baader, Großmutter und Tante.[6] Als Kind wurde er von mehreren Schulen verwiesen.[7] Die Jugend verlief ohne den seit 1945 im Krieg verschollenen Vater, den Historiker und Archivar Dr. Berndt Phillipp Baader.[8] Baader war 1962 einer der Teilnehmer an den Schwabinger Krawallen.[9] Die Bedeutung der „Schwabinger Krawalle“ für die politische Entwicklung Baaders wurde vielfach diskutiert. Baaders Mutter selbst berichtet, dass Andreas Baader unter dem Eindruck der „Krawalle“ gesagt habe: „Weißt du Mutter, in einem Staat, wo die Polizei mit Gummiknüppeln gegen singende junge Leute vorgeht, da ist etwas nicht in Ordnung.“[10] Der Publizist Butz Peters ist sich sicher, dass die Ereignisse des Münchner Stadtsommers 1962 „ein Schockerlebnis für den Neunzehnjährigen“ waren.

Baaders Schreibmaschine mit Bekennerschreiben im Haus der Geschichte in Bonn

Als er aus München nach Berlin kam und in die radikale linke Szene eintauchte, hatte Andreas Baader bereits Vorstrafen wegen zahlreicher Verkehrsdelikte[11] und anderer Straftaten. Nahezu alle diese Delikte hingen mit seiner Leidenschaft für schnelle Fahrzeuge und nächtlicher Raserei zusammen: Autodiebstähle, Fälschungen, Dokumentenmissbrauch. Das Fahren ohne Fahrerlaubnis schien nach Meinung mehrerer Biographen, darunter Karin Wieland,[12] zu einer symptomatischen Auflehnung gegen die Autoritäten geworden zu sein.

Baader betätigte sich auch als Fotomodell für ein Schwulenmagazin.[13] In seinen Berliner Jahren arbeitete er als Bauarbeiter und ohne Erfolg als Boulevardjournalist. Er interessierte sich ebenfalls für Literatur und Philosophie. Von seiner zeitweiligen Lebensgefährtin, der verheirateten Malerin Ellinor Michel (1939–2007), mit der er gemeinsam mit ihrem Mann, dem Maler Manfred Henkel (1936–1988), in einer Berliner Villa lebte, wurde er als gewalttätig und provokativ beschrieben. Mit ihr zeugte er eine Tochter, die 1965 geboren wurde und von Manfred Henkel aufgezogen worden ist.[14] Eine wichtige Bezugsperson des jugendlichen Baader war sein Onkel, der Tänzer und Schauspieler Michael Kroecher, mit dem er auch als Erwachsener lange Kontakt hielt.

Am 2. April 1968 legte Baader gemeinsam mit Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein Brandsätze in Frankfurter Kaufhäusern. Die Brandstiftungen verursachten einen Schaden von knapp 675.000 DM. Menschen wurden nicht verletzt. Baader und seine Komplizen wurden im nachfolgenden Prozess am 31. Oktober 1968 zu je drei Jahren Zuchthaus verurteilt.

In Folge eines Revisionsantrags kam Baader zunächst wieder frei und beteiligte sich zusammen mit Gudrun Ensslin in Frankfurt am Main an der „Heimkampagne“ der Außerparlamentarischen Opposition (APO). Nachdem das Urteil im November 1969 rechtskräftig geworden war, trat er seine Haftstrafe nicht an und tauchte in Paris, später in Italien, unter. Im Februar 1970 kehrte er mit Gudrun Ensslin – auf Initiative seines Anwalts Horst Mahler[15] – nach Berlin zurück. Am 4. April 1970 wurde er bei einer fingierten Verkehrskontrolle in Berlin festgenommen und zur Haftverbüßung in die Justizvollzugsanstalt Tegel eingeliefert. Den Hinweis lieferte der V-Mann Peter Urbach, genannt „S-Bahn-Peter“. Dieser hatte Baader und Ensslin auf einem Friedhof in Alt Bukow nach einem vermeintlichen Versteck von vergrabenen Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg graben lassen.[15]

Grabstätte von Baader, Raspe und Ensslin

Während einer von seinem Anwalt Horst Mahler beantragten Ausführung in das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen wegen eines vorgeblichen Recherchetermins für ein geplantes Buch mit Ulrike Meinhof wurde Baader mit Waffengewalt durch Meinhof, Irene Goergens, Ingrid Schubert und einen nicht identifizierten Mittäter am 14. Mai 1970 befreit. Bei der Schießerei wurde der 63-jährige Institutsangestellte Georg Linke schwer verletzt. Die sogenannte Baader-Befreiung gilt als Geburtsstunde der RAF. Sie war der erste Anschlag der RAF, bei dem Schusswaffen benutzt und Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden.[16]

Nach seiner Befreiung reiste Andreas Baader mit etwa 20 anderen Untergetauchten in ein Ausbildungslager der Palästinenserorganisation Al-Fatah nach Jordanien. Dort wurden die Deutschen im Umgang mit Waffen und Sprengstoff geschult.

Im Jahr 1972 war Baader an vier der fünf Sprengstoffanschläge, die die RAF selbst als Mai-Offensive bezeichnete, und einer ganzen Reihe von Einbrüchen zum Zweck des Dokumentendiebstahls, Bankrauben und Fahrzeugdiebstählen in verschiedenen deutschen Städten beteiligt. Baader wurde später für seine direkte Beteiligung an folgenden Taten verurteilt: Am 11. Mai 1972 explodierten im Hauptquartier des V. Korps der amerikanischen Streitkräfte in Frankfurt am Main drei Bomben, einen Tag später kam es zu Bombenanschlägen in Augsburg und München, am 15. Mai wurde die Ehefrau des Haft- und Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof Wolfgang Buddenberg bei einem Sprengstoffanschlag auf dessen Fahrzeug schwer verletzt und am 24. Mai kam es zu einem Bombenanschlag auf das Hauptquartier der 7. US-Armee in Heidelberg. Bei allen Taten zusammengenommen gab es vier Todesopfer und über 70 Verletzte.

Die Festnahme von Baader, Raspe und Meins am 1. Juni 1972 erfolgte vor diesem Apartmenthaus im Hofeckweg 2-4 in Frankfurt am Main

Nach den Anschlägen im Frühjahr 1972 gehörte Baader zu den meistgesuchten Terroristen Deutschlands. Zusammen mit den RAF-Mitgliedern Jan-Carl Raspe und Holger Meins wurde er am 1. Juni 1972 in Frankfurt am Main nach einem Schusswechsel, bei dem er ins Gesäß getroffen wurde, verhaftet und am 28. April 1977 nach fast zweijähriger Verhandlung und 192 Verhandlungstagen im Stammheim-Prozess wegen vierfachen Mordes und 54-fachem Mordversuch zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Baaders Anwälte legten Revision gegen das Urteil ein, sodass es bis zu seinem Tod nicht rechtskräftig wurde.

Durch die Geiselnahme von Stockholm 1975 sowie durch die Schleyer-Entführung und die parallele Entführung des Flugzeugs Landshut im so genannten Deutschen Herbst 1977 versuchte die zweite Generation der RAF, Baader und weitere Terroristen freizupressen. Die Bundesregierung unter Helmut Schmidt gab jedoch nicht nach.

In der Nacht zum 18. Oktober 1977 wurde das entführte Flugzeug in Mogadishu durch die deutsche Spezialeinheit GSG 9 gestürmt und alle Geiseln befreit. Die inhaftierten Terroristen erfuhren davon und begingen noch in derselben Nacht Suizid in ihren Zellen. Am Morgen nach der sogenannten Todesnacht von Stammheim wurde Baader in seiner Zelle im Hochsicherheitstrakt der JVA Stuttgart erschossen aufgefunden. Spätere Untersuchungen ergaben, dass durch den RAF-Anwalt Arndt Müller in Verstecken in den Handakten Waffen in die JVA geschmuggelt worden waren. Baader hatte wochenlang eine Pistole des ungarischen Herstellers FÉG, Kaliber 7,65 mm, in seiner Zelle, zeitweise in seinem Plattenspieler, versteckt und sich mit dieser erschossen. Immer wieder aufflammende Thesen über ein Fremdeinwirken oder gar eine staatlich angeordnete Liquidierung Baaders gelten heute als widerlegt und werden in vielen Quellen als Verschwörungstheorie eingeordnet.[17]

Baader wurde zusammen mit Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe auf dem Dornhaldenfriedhof in Stuttgart beigesetzt.[18]

Multimedia

Tondokumente Im Landesarchiv Baden-Württemberg befinden sich Tonbänder, die zwischen August 1975 und Februar 1977 während des Prozesses in Stuttgart-Stammheim aufgenommen worden waren und den Gerichtsschreibern bei ihrer Arbeit helfen sollten. Die mittlerweile zum Teil veröffentlichten Tondokumente umfassen u. a. verschiedene Erklärungen von Andreas Baader. Dabei handelt es sich um die bislang einzigen bekannten O-Töne Baaders. Der Kultursender des Südwestrundfunks SWR2 macht auf seiner Internetseite zwei Wortbeiträge Baaders zugänglich:

Filme

Literatur

Allgemein

Belletristik

  • In dem 1975 abgeschlossenen, 1987 erschienenen Roman Am Rubikon. Die schaudervollen Vorkommnisse in der Kommune V von André Müller sen., der sich satirisch mit der APO und der Genesis der RAF auseinandersetzt, spielt Andreas Baader sowohl als „Bodo“ als auch als „Stefan Heyer“ tragende Rollen.
  • Leander Scholz: Rosenfest. Carl Hanser Verlag, München 2001, ISBN 3-446-19982-9. Der Roman erzählt die Liebesgeschichte von Andreas Baader und Gudrun Ensslin.

Weblinks

Commons: Andreas Baader – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sven Felix Kellerhoff: Stasi-Akten beleuchten die Geburtsstunde der RAF. In: Die Welt. 14. Mai 2010.
  2. Butz Peters: RAF-Terrorismus in Deutschland. Knaur, ISBN 3-426-80019-5, S. 268–270.
  3. Butz Peters: Tödlicher Irrtum. Argon, Berlin 2004, ISBN 3-87024-673-1, S. 222 ff.
  4. Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex. Hoffmann und Campe, Hamburg 1985, ISBN 3-426-03874-9, S. 412 ff.
  5. Wolfgang Kraushaar (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus. Edition Hamburg, Hamburg 2006, ISBN 3-936096-65-1.
  6. Marco Stahlhut: Wer war Andreas Baader wirklich? In: Die Welt. 3. Januar 2007.
  7. Karin Wieland: Das Verbrechen als revolutionäre Praxis: Wie es Andreas Baader gelang, seine kriminelle Hochstaplerexistenz in eine politische Mission umzuwidmen; Auszug aus: dies.: Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF; taz, Ausgabe vom 22. Januar 2005.
  8. Dr. Berndt Philipp Baader (1913–1945): (Kunst)-Historiker, Archivar und Vater von Andreas Baader (1943–1977).
  9. Michael Sturm: Wildgewordene Obrigkeit? In: Gerhard Fürmetz (Hrsg.): Schwabinger Krawalle. Essen 2006, S. 59–105, hier S. 84–86.
  10. Zit. nach Butz Peters: RAF: Terrorismus in Deutschland. Stuttgart 1991, S. 39.
  11. rafinfo.de: Kurzbiografie Andreas Baader (Memento vom 17. Juli 2008 im Internet Archive)
  12. Karin Wieland: Andreas Baader. In: Wolfgang Kraushaar (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus. Band 1. Edition Hamburg, Hamburg 2006, ISBN 3-936096-65-1, S. 333.
  13. rafinfo.de: Warum hat Herbert Tobias Andreas Baader fotografiert? (Memento vom 20. Oktober 2007 im Internet Archive)
  14. Karin Wieland: Andreas Baader. In: Wolfgang Kraushaar (Hrsg.): Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF. Edition Hamburg, Hamburg 2005, ISBN 3-936096-54-6, S. 56–57.
  15. a b Die Geschichte der RAF, Teil 1/6, ZDFinfo vom 2. August 2015, (Alternativ auf Youtube)
  16. Hans-Dieter Schwind: Ursachen des Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland. S. 31.
  17. RAF-Selbstmorde: Verschwörungstheorie entkräftet. In: Münchner Merkur vom 28. Juni 2008 ; Stammheim: RAF-Selbstmordpläne nicht bekannt. In: Focus vom 26. Juni 2008; Gisela Diewald-Kerkmann: Die Rote Armee Fraktion im Original-Ton. Die Tonbandmitschnitte vom Stuttgarter Stammheim-Prozess. In: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History. Online-Ausgabe, 5 (2008), H. 2; Hanno Balz: Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat. Die öffentliche Debatte über die RAF in den 70er Jahren. Campus, Frankfurt am Main, S. 316; Petra Terhoeven: Deutscher Herbst in Europa. Der Linksterrorismus der siebziger Jahre transnationales Phänomen. Oldenbourg, München 2014, S. 443; Beatrice de Graaf: Terrorismus als performativer Akt. In: Johannes Hürter (Hrsg.): Terrorismusbekämpfung in Westeuropa. Demokratie und Sicherheit in den 1970er und 1980er Jahren. DeGruyter, Berlin/ New York 2015, S. 114.
  18. Deutscher Herbst 1977: Endstation Dornhaldenfriedhof. In: Stuttgarter Zeitung. 30. Oktober 2012, abgerufen am 24. Oktober 2015.