Aqualung (Album)

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Aqualung
Studioalbum von Jethro Tull

Veröffent-
lichung(en)

19. März 1971

Label(s) Chrysalis Records

Format(e)

LP, CD

Genre(s)

Progressive Rock

Titel (Anzahl)

11

Länge

43:33

Besetzung
  • John Evan – Piano, Hammond-Orgel, Mellotron

Produktion

Ian Anderson und Terry Ellis

Studio(s)

Island Studios, London

Chronologie
Benefit
1970
Aqualung Thick as a Brick
1972
Der Anfang des Songs Aqualung im Hintergrund eines Konzertes (Wuppertal 2009)

Aqualung ist das vierte Album der britischen Progressive-Rock-Band Jethro Tull, aufgenommen und veröffentlicht 1971 (Chrysalis ILPS 9145). Das von durchgängiger kompositorischer Klasse gekennzeichnete Album erhöhte den Bekanntheitsgrad der Band enorm und stellt deren ersten musikalisch-kreativen Höhepunkt dar. Nach wie vor bezeichnen Kritiker dieses Album als wesentlichen Meilenstein der Rockmusik.

Besetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben Ian Anderson und Martin Barre wirkt Clive Bunker mit, für den es sein letztes Jethro-Tull-Album war, und John Evan, der erstmals festes Mitglied der Band war, sowie Jeffrey Hammond-Hammond, für den es das erste Album mit Jethro Tull war. Für die Orchesterarrangements war David Palmer zuständig, der später ebenfalls Mitglied von Jethro Tull wurde.

Die Texte und Kompositionen stammen von Ian Anderson. Umstritten ist, dass, wie auf dem Album selbst vermerkt, Andersons damalige Frau Jennie Anderson den Text zum Titelsong beisteuerte. Anderson gab später in Interviews an, er habe sich von ihren Fotografien und ihrer Beschreibung von Obdachlosen im Süden Londons zu der Person des besungenen Obdachlosen Aqualung und schlussendlich zum gesamten Liedtext inspirieren lassen.[1]

Stil[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf dem Album werden verschiedene Musikstile kombiniert. Rudolf Öller sieht hier „Klangmythen aus früheren Epochen […] in ein Gerüst aus Blues-Rock und klassischen Zitaten eingebaut“.[2] Die Musikstile reichen über Folk und Klassische Musik bis hin zum Hardrock. Das Intro von Locomotive Breath beispielsweise beginnt als romantisches Klavierstück, das nach einigen Jazzakkorden in eine Bluesimprovisation von Klavier und Gitarre übergeht und in einem einprägsamen Hardrock-Riff endet.[3] Die vielen Instrumente werden als „interessant, aber nicht störend“ empfunden.[4]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die von Kritikern und Fans oft geäußerte Vermutung, Aqualung sei ein Konzeptalbum,[5] wurde von Ian Anderson zurückgewiesen.[6][7] Im Gegensatz zu den beiden späteren Konzeptalben Thick as a Brick und A Passion Play, auf denen die Lieder ineinander übergehen, sind sie auf diesem Album durch Pausen voneinander getrennt.

Die Songtexte kritisieren vor allem die mangelnde Fähigkeit etablierter Religionen, durch eine Institutionalisierung des Glaubens den Kontakt eines Individuums zu Gott herzustellen. Außerdem werden gesellschaftliche Missstände und die Probleme des britischen Schulsystems thematisiert. Im Titelsong wird von einem alten, verwahrlosten und kranken Mann berichtet, der auf einer Parkbank sitzend jungen Mädchen hinterherschaut, Zigarettenkippen aufsammelt, und sich als tote Ente sehend, Teile seines zerbrochenen Glücks ausspuckt. „Aqualung“ wird er genannt, weil seine den Tod ankündigende Rasselatmung, wie die Geräusche eines Tiefseetauchgerät-Atemreglers klingt. Das rockige Stück enthält ein markantes Gitarrensolo von Martin Barre. Cross-Eyed Mary erzählt von der schielenden Mary, die sich mit „porösen, grauen“ Herren einlässt – sie sieht auch „Aqualung“. Das Stück beginnt mit einem Mellotron-Solo, ist aber ebenfalls rockig und zeichnet sich durch markante Riffs von E-Gitarre und Querflöte aus. Cheap Day Return („Rückfahrtageskarte“) ist eines von drei kurzen, akustischen Stücken. Anderson sinniert über die Unterbringung seines Vaters im Krankenhaus und erzählt, dass die Krankenschwester ein Autogramm erbeten hat. Das folkige Mother Goose wird durch akustische Instrumente dominiert. Der Text handelt von einem Spaziergang durch den Londoner Stadtteil Hampstead und schildert skurrile Begebenheiten. Das Liebeslied Wond’ring Aloud gehört zu den kurzen akustischen Stücken auf dem Album. Die ursprüngliche Fassung war länger und wurde auf späteren Alben veröffentlicht. Das Stück Up to Me ist ein humorvolles Stück, überwiegend mit akustischen Instrumenten gespielt. Der Titel wird im Lied auf unterschiedliche Art gedeutet, als „hoch zu mir“ und als „meine Sache“.

Das längere Stück My God handelt von dem Verhältnis von Gott und Jesus zur Kirche, die scharf kritisiert wird. Das Stück weist eine hohe Dynamik auf und enthält ein langes Querflötensolo. Jethro Tull spielten das Lied bereits über ein halbes Jahr vor der Albumveröffentlichung auf dem Isle of Wight Festival. Hymn 43 ist durch rockige Instrumentierung mit Hardrock-Riffs geprägt. Der Text richtet sich an Gott und Jesus. Jesus’ Rolle als Erlöser wird mit dem Ratschlag konterkariert, dass er sich selber von seiner Kirche erlösen lassen solle. Slipstream ist ein weiteres kurzes Stück mit sparsamer Instrumentierung. In dem poetischen Text wird eine Person beschrieben, die ihr letztes Geld an einen Kirchenvertreter gibt, der dafür aber eine Rechnung präsentiert. Locomotive Breath gilt als das populärste Stück Jethro Tulls. Nach einer jazzigen Einleitung durch Evans Klavierspiel wird es mit einem stampfenden Rhythmus, einem markanten Gitarrenriff und der rockig geblasenen Querflöte zu einem Hardrocksong. Es handelt von einem Mann, der auf einer Dampflokomotive ungebremst seinem Untergang entgegenfährt – sinnbildlich für einen vermeintlichen Verlierer, indem der Verlust der Frau an einen Liebhaber und den Kontakt zu seinen Kindern als Abspringen vom Zug an verschiedenen Stationen beschrieben wird. Letzter Titel ist Wind Up, das das Thema „Gott und Kirche“ aufnimmt. Anderson singt, dass er als Schüler gedrängt wurde, die Regeln der Kirche zu befolgen. Gott habe ihm aber gesagt, dass er (Gott) nicht jeden Sonntag aufgezogen werden müsse wie eine Uhr. Der Text ist eine beißende Kritik an der Kirche. Das Stück beginnt und endet harmonisch, der Mittelteil orientiert sich musikalisch am Hardrock.

Cover[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Titelbild zeigt das Aquarell eines gebückt stehenden langhaarigen, bärtigen Mannes im langen Mantel vor einem schäbigen Hintergrund. Er trägt die Züge von Ian Anderson. Braune, grüne und gelbe Farben überwiegen, der gebrochene Schriftzug von Albumtitel und Bandname ist weiß. Auf der Innenseite findet sich ein weiteres Aquarell, das die Band in mittelalterlichen Kostümen in einem gotisch anmutenden Gebäude darstellt. Auf der Albumrückseite sieht man den Mann der Vorderseite auf einem Bürgersteig sitzend; neben ihm steht ein Hund. Alle Aquarelle wurden von Burton Silverman geschaffen.

In dem 1989 erschienenen Lied Strange Avenues auf dem Album Rock Island singt Anderson von einem Alkoholiker auf der Straße, der „wie das Cover einer Platte von 1971“ aussieht.

Die originale Schallplattenveröffentlichung besitzt ein Klappcover aus Karton mit Leinenprägung, die den Eindruck eines Gemäldes vermittelt.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Album bekam überwiegend gute Kritiken, beispielsweise von Bruce Eder, der das Album mit viereinhalb von fünf Sternen bewertete.[8] Ein Review auf der Website des Rolling Stone findet Aqualung zu ernst und mit zu viel „deplazierter Emotion“, obwohl der Rezensent die Musik an sich mag.[5] In einer späteren Ausgabe wurde das Album jedoch auf Platz 337 der „größten Alben aller Zeiten“ gewählt.[9] Im Juli 2010 kürte die britische Musikzeitschrift Classic Rock Aqualung zu einem der 50 Musikalben, die den Progressive Rock prägten.[10]

Das erfolgreichste Stück von Aqualung, Locomotive Breath, das auch auf zahlreichen Live- und Best-of-Alben vorhanden ist, erreichte große Popularität. Es gilt als „Klassiker“.[6] Weiterhin erreichten Songs wie My God und Aqualung weltweite Popularität.

Martin Barres Gitarrensolo in Aqualung wurde vom Fachblatt Guitar Player auf Platz 25 der besten Gitarrensoli der Geschichte gewählt.[11]

Mit rund sieben Millionen verkauften Tonträgern ist Aqualung das erfolgreichste Jethro-Tull-Album.[9] Es erreichte Platz 4 in den UK-Charts und Platz 7 in den US-amerikanischen Billboard-Charts.[12]

Im Jahr 2020 erklärte Ian Anderson, an der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (engl. COPD) zu leiden. Zum 50. Jubiläum der Veröffentlichung wurde in der Fachzeitschrift Der Anaesthesist ein Artikel, welcher sich basierend auf dem Liedtext von Aqualung mit den medizinischen Auswirkungen von Wohnungslosigkeit und der Rasselatmung auseinandersetzt, publiziert.[13]

Weitere Versionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das komplette Album erschien auch als Quadrofonie-Album. Dabei wurden die Songs durch die Möglichkeit für vier Kanäle völlig neu abgemischt, zum Teil erschienen diese auch mit anderen Titellängen. Für die 25th Anniversary Special Edition 1996 wurde der Track Wind Up in der Quadrofonieversion – aufgrund der Veröffentlichung auf CD auf zwei Kanäle herabgemischt – wiederveröffentlicht.

1998 wurde zum ersten Mal die CD mit Bonustiteln veröffentlicht. 2005 erschien das Album Aqualung Live. Hier handelt es sich nicht um eine typische Konzertaufnahme. Das Album wurde am 23. November 2004 in den XM Studios in Washington D.C. vor 40 geladenen Gästen aufgeführt. Das Album wurde als Special Collectors' Edition veröffentlicht, wobei die Einnahmen an verschiedene Wohlfahrtsorganisationen zu Unterstützung von Obdachlosen gingen. Zusätzlich zu dem nahe am Original gespielten Titeln des Originalalbums wurden sechs Interviewsequenzen veröffentlicht. Neben Ian Anderson waren an der Produktion Martin Barre (g), Doane Perry (dr, perc), Andrew Giddings (p, org, Keyb.) und J. Noyse (bg) beteiligt. 2011 erschien bei Chrysalis eine Doppel-CD mit neuen Abmischungen (von Steven Wilson) und zusätzlichen Aufnahmen aus der Zeit der Erstveröffentlichung.[14]

Titelliste[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Originalausgabe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seite Eins – Aqualung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Aqualung  (6:34)
  2. Cross-Eyed Mary  (4:06)
  3. Cheap Day Return  (1:21)
  4. Mother Goose  (3:51)
  5. Wond’ring Aloud  (1:53)
  6. Up To Me  (3:14)

Seite Zwei – My God[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. My God  (7:08)
  2. Hymn 43  (3:15)
  3. Slipstream  (1:12)
  4. Locomotive Breath  (4:23)
  5. Wind-Up  (6:01)

25th Anniversary Special Edition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Aqualung  (6:37)
  2. Cross-Eyed Mary  (4:09)
  3. Cheap Day Return  (1:23)
  4. Mother Goose  (3:53)
  5. Wond’ring Aloud  (1:55)
  6. Up To Me  (3:14)
  7. My God  (7:12)
  8. Hymn 43  (3:19)
  9. Slipstream  (1:13)
  10. Locomotive Breath  (4:26)
  11. Wind-Up  (6:07)
  12. Lick Your Fingers Clean  (2:46)
  13. Wind-Up (Quad Version)  (5:23)
  14. Excerpt from the Ian Anderson Interview  (13:58)
  15. A Song For Jeffrey  (2:51)
  16. Fat Man  (2:56)
  17. Bourée  (3:58)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. nach Ian Anderson im Interview in der Sendung Ö1 Radiokolleg vom 10. September 2014: http://oe1.orf.at/programm/382009, Titel der Sendung: Jethro Tull – Ein Porträt von Bandleader Ian Anderson, Teil 3
  2. Scientific.at: Jethro Tull (Memento vom 1. Januar 2009 im Internet Archive) (Abgerufen am 7. März 2010)
  3. Locomotive Breath bei songlexikon.de (Memento des Originals vom 16. April 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.songlexikon.de, abgerufen am 15. April 2014
  4. Jethro Tull Press: Sounds, 10. April 1971 (Memento vom 14. Mai 2011 im Internet Archive) (Abgerufen am 7. März 2010)
  5. a b Rolling Stone: Aqualung (Memento vom 12. April 2009 im Internet Archive) (abgerufen am 11. August 2012)
  6. a b Review bei rezensator.de (Abgerufen am 7. März 2010)
  7. Aqualung auf der offiziellen Website (Abgerufen am 7. März 2010)
  8. Review im Allmusic-Guide (Abgerufen am 7. März 2010)
  9. a b examiner.com, abgerufen am 17. Februar 2012
  10. The 50 Albums That Built Prog Rock. In: Classic Rock. Nr. 146, Juli 2010, ISSN 1464-7834 (englisch, afka.net [abgerufen am 21. September 2022]).
  11. Guitar World (Memento vom 18. Mai 2013 im Internet Archive), abgerufen am 17. Februar 2012
  12. allmusic.com, abgerufen am 17. Februar 2012
  13. K. Lewandowski: Der Blick des Anästhesisten auf Jethro Tulls Aqualung. In: Der Anaesthesist. Band 70, Nr. 3, März 2021, ISSN 0003-2417, S. 237–246, doi:10.1007/s00101-020-00882-8, PMID 33165627, PMC 7650578 (freier Volltext) – (springer.com [abgerufen am 13. November 2021]).
  14. Informationen bei discogs.com, abgerufen am 17. Februar 2012