Azathioprin

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Strukturformel
Struktur von Azathioprin
Allgemeines
Freiname Azathioprin
Andere Namen
  • 6-[(1-Methyl-4-nitro-1H-imidazol-5-yl)sulfanyl]-7H-purin (IUPAC)
  • 6-(1-Methyl-4-nitro-5-imidazolyl)-mercaptopurin
Summenformel C9H7N7O2S
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 446-86-6
EG-Nummer 207-175-4
ECHA-InfoCard 100.006.525
PubChem 2265
ChemSpider 2178
DrugBank DB00993
Wikidata Q18939
Arzneistoffangaben
ATC-Code

L04AX01

Wirkstoffklasse

Immunsuppressivum

Eigenschaften
Molare Masse 277,26 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

243–244 °C[1]

pKS-Wert

7,87[2]

Löslichkeit

sehr schlecht in Wasser (272 mg·l−1 bei 25 °C)[1],löslich in Laugen und Ammoniakwasser[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 302​‐​315​‐​319​‐​335​‐​350
P: 201​‐​301+312+330​‐​302+352​‐​305+351+338​‐​308+313[3]
Toxikologische Daten

2500 mg·kg−1 (LD50Mausoral)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Azathioprin ist ein Arzneistoff aus der Gruppe Nitroimidazole. Er wirkt immunsuppressiv, unterdrückt also die Immunabwehr. Azathioprin wird zur Vorbeugung gegen Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen und in der Behandlung verschiedener Erkrankungen angewendet, die mit einer Störung der Immunreaktion einhergehen.

Wirkmechanismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im menschlichen Körper wird Azathioprin spontan (mittels Glutathion) und rasch (durch das Enzym Glutathion-S-Transferase) zu den Metaboliten 6-Mercaptopurin und 1-Methyl-4-nitro-5-thioimidazol metabolisiert.[4] 6-Mercaptopurin passiert die Zellmembranen und wird in verschiedenen Stoffwechselvorgängen zu aktiven und inaktiven Metaboliten weiter metabolisiert. Das hauptsächlich für die Metabolisierung von 6-Mercaptopurin verantwortliche Enzym ist die polymorphe Thiopurinmethyltransferase; andere Enzyme wie Xanthinoxidase, Inosinmonophosphat-Dehydrogenase, Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase, Guanosinmonophosphat-Synthetase und Inosintriphosphat-Pyrophosphatase sind ebenfalls an der Bildung aktiver und inaktiver Metaboliten beteiligt. Die biologische Aktivität des Azathioprin-Metaboliten 1-Methyl-4-nitro-5-thioimidazol ist, im Gegensatz zu 6-Mercaptopurin, bisher nicht völlig geklärt.[4]

Pharmakologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Azathioprin blockiert (via seiner Metaboliten) die Synthese von DNA und RNA (6-Mercaptopurin interferiert als atypisches Nukleosid mit der DNA-/RNA-Synthese) und hemmt somit die Vermehrung der T- und B-Zellen, die ein Teil des Immunsystems sind. Normalerweise schützt das Immunsystem den Körper, indem fremde Zellen oder veränderte Körperzellen (Krebszellen, virusinfizierte Zellen) erkannt und bekämpft werden. Die wichtigsten Abwehrzellen sind Makrophagen, natürliche Killerzellen sowie T- und B-Lymphozyten.

Sind diese Reaktionen aber fehlgesteuert, bekämpft das Immunsystem auch eigenes Gewebe als Fremdkörper und versucht es zu zerstören. Es handelt sich dann um eine Autoimmunkrankheit. Mit Azathioprin soll diese fehlgeleitete Arbeit des Immunsystems unterdrückt werden (Immunsuppression).

Klinische Angaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anwendungsgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

sowie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie

Nebenwirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mögliche Nebenwirkungen sind u. a.: Veränderungen des Blutbildes (Erworbene isolierte aplastische Anämie, Macrozytose[5]), Haarausfall, ein erhöhtes Infektionsrisiko, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Gewichtsabnahme. Fieber, Gelenkschmerzen und eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse gehören zu den möglichen Überempfindlichkeitsreaktionen.[6]

Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da Azathioprin auf das blutbildende System wirkt, muss die Behandlung unter ständiger ärztlicher Kontrolle und Überwachung des Blutbildes erfolgen.

In den Dosen, die nach einer Nierentransplantation eingenommen werden müssen, erhöht Azathioprin das Risiko, in einem Zeitraum von 20 Jahren an Hautkrebs zu erkranken, um den Faktor 50 bis 250. Die vermutliche Ursache ist das Zusammenwirken von UVA-Strahlung und 6-Thioguanin, einem Abbauprodukt des Azathioprins.[7][8]

Das Risiko an einem Mangel weißer Blutzellen durch Azathioprin zu erkranken ist bei Vorhandensein eines Polymorphismus im NUDT15-Gen um das rund 35fache erhöht. Die Mutation tritt unter Ostasiaten gehäuft auf.[9]

Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die gleichzeitige Einnahme des Xanthinoxidasehemmers Allopurinol interferiert mit dem Abbau von Azathioprin und verstärkt dadurch dessen Wirkung, sodass auch das Risiko einer Agranulozytose erhöht ist. Bei gleichzeitiger Anwendung beider Medikamente sollte daher eine Dosisreduktion von Azathioprin auf etwa 25 % erfolgen.[10]

Schwangerschaft, Stillzeit und Kinderwunsch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Fruchtbarkeit von Mann und Frau ist durch die Medikation von Azathioprin nicht beeinträchtigt.[11] Die Untersuchung auf Qualität und Quantität des Spermas von 18 Männern während und nach Absetzen einer laufenden Azathioprin-Therapie erbrachte keine Unterschiede. Alle Parameter lagen innerhalb des WHO-Standards.[12][13]

Mittlerweile ist eine Azathioprin-Therapie bei Kinderwunsch bzw. in einer bestehenden Schwangerschaft sehr gut untersucht. So zeigt sich nach neuesten Erkenntnissen kein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen beim Fötus in einer Schwangerschaft bei bestehender Medikation. Auch umfangreiche Erfahrungen bei väterlicher Einnahme zur Zeit der Zeugung und laufender Azathioprin-Therapie zeigte kein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen bzw. Schwangerschaftskomplikationen. Es besteht aus Sicht der europäischen und US-amerikanischen Arzneimittelbehörden keine Notwendigkeit mehr, eine Therapie bei geplantem Kinderwunsch mütterlicher- oder väterlicherseits abzubrechen.

Das Präparat kann in geringen Mengen in die Muttermilch übergehen, sodass Spätfolgen für das Kind nicht auszuschließen sind, weshalb die Anwendung in der Stillzeit unterbleiben sollte.[14]

Synthese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgehend von Oxalsäurediethylester wird mit Methylamin das Dimethyloxalamid hergestellt. Mit Phosphor(V)-chlorid wird dieses zum Imidazol cyclisiert. Nach der Nitrierung und einer SN-Reaktion wird Azathioprin erhalten.

Synthese von Azathioprin
Synthese von Azathioprin

Handelsnamen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monopräparate

Azafalk (D), Azaimmun (D, CH), Azarek (CH), Colinsan (D), Immunoprin (A), Imurek (D, A, CH), Zytrim (D), diverse Generika (D, A)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Eintrag zu Azathioprine in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  2. a b Eintrag zu Azathioprin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 30. Juni 2019.
  3. a b Eintrag zu Azathioprin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 8. Januar 2021. (JavaScript erforderlich)
  4. a b Fachinfo: Imurek, Dezember 2013.
  5. Y. A. DeClerck, R. B. Ettenger, J. A. Ortega, A. J. Pennisi: Macrocytosis and pure RBC anemia caused by azathioprine. In: American journal of diseases of children. Band 134, Nummer 4, April 1980, S. 377–379, doi:10.1001/archpedi.1980.04490010035012, PMID 6989234.
  6. Gebrauchsinformation Imurek-Filmtabletten, Stand: November 2004.
  7. Azathioprine and UVA Light Generate Mutagenic Oxidative DNA Damage. In: Science 2005, Nr. 309, S. 1871–1874.
  8. Erhöhtes Melanomrisiko bei Nierentransplantierten. In: Medical Tribune 49/2005.
  9. Yang SK, Hong M, Baek J, Choi H, Zhao W: A common missense variant in NUDT15 confers susceptibility to thiopurine-induced leukopenia. Nat Genet. 2014 Sep;46(9):1017–1020. doi:10.1038/ng.3060
  10. Karow: Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 2010, S. 944.
  11. Rebecca Fischer-Betz: Azathioprin in der Schwangerschaft (Memento vom 21. April 2014 im Internet Archive). Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Stand 1. Juli 2008.
  12. D. von Herrath, W. Thimme: Mißbildungsrisiko bei Kindern unter Azathioprin-Behandlung des Vaters?. Arzneimittelbrief 2005, 39, 7.
  13. B. Missler-Karger: r-o Special: Langwirksame Antirheumatika in der Schwangerschaft und Stillzeit, Teil 2: Azathioprin, Methotrexat, Ciclosporin. Abgerufen am 3. Juni 2013.
  14. Falk Foundation e.V. (PDF; 740 kB). Stand 2008.