Börse Berlin

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Börse Berlin AG
Rechtsform Aktiengesellschaft
Gründung 29. Juni 1685
Sitz Berlin, Deutschland Deutschland
Leitung Friederike von Hofe
Umsatz 46,4 Mrd. € (2018)
Branche Börsen
Website www.boerse-berlin.de

Die Börse Berlin AG (vormals: Berliner Wertpapierbörse) ist eine Regionalbörse in Berlin, deren Eigentümer die Tradegate Exchange GmbH ist.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Börse im ehemaligen Lusthaus, 1750

Die Berliner Börse wurde am 29. Juni 1685 durch Kurfürst Friedrich Wilhelm in Berlin gegründet. Die erste Börsensitzung fand am 25. Februar 1739 statt. Zunächst wurde das Obergeschoss des ehemaligen Lusthauses im Lustgarten neben dem Dom genutzt, bevor dieses 1798 zugunsten eines Neubaus für die Börse an gleicher Stelle abgerissen wurde. Träger der Börse war ab 1803 die Vereinigte Börsenkorporation, ab 1820 die neugegründete Korporation der Berliner Kaufmannschaft.

Das repräsentative Börsengebäude in der Burgstraße 25/26 auf der anderen Seite der Spree wurde von 1859 bis 1863 von Friedrich Hitzig im Stil der Neorenaissance errichtet und am 1. Oktober 1863 eröffnet.[1] Seine beiden Börsensäle waren die damals größten Säle der Stadt. Im Sommer wurde auch im Innenhof gehandelt, der sogenannten Sommerbörse. Wegen ihrer Lage in der Burgstraße wurde die Berliner Börse auch als „Die Burgstraße“ bezeichnet. Die Gesamtkosten des Baus betrugen 700.000 Taler. Wirtschaftlich war die Berliner Börse bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs eine der drei wichtigsten der Welt – nach London und neben New York. Mit der Generalmobilmachung Russlands am 30. Juli 1914, dem Beginn des Ersten Weltkriegs, wurde sie zunächst völlig geschlossen. Der uneingeschränkte Freiverkehr wurde erst am 2. November 1917 wieder aufgenommen.

Börse am Lustgarten, 1820

Im Jahr 1920, als die Korporation der Kaufmannschaft nach 100-jähriger Existenz in der 1902 gegründeten Handelskammer zu Berlin aufging, ging auch die Trägerschaft der Börse auf letztere über. 1922 wurde erstmals der Aktienindex des Statistischen Reichsamtes berechnet, der auf dem durchschnittlichen Kursniveau von rund 300 repräsentativen Aktien der Börse Berlin beruhte. Der Wirtschaftsrundfunk, eine Agentur für Wirtschaftsnachrichten, hatte ein Büro in der Börse. Der Schwarze Freitag am 13. Mai 1927 ließ den Aktienindex an der Börse um 31,9 % einbrechen.[2] Ende 1926 wurden an der Börse 917 Aktiengesellschaften gehandelt, Ende 1932 waren es 659. Bis 1943 sank die Anzahl der gelisteten Unternehmen auf 450.[3]

Kurz nach der „Machtergreifung“ am 30. Januar 1933 marschierte ein SA-Sturm mit Fahne vor der Börse auf und verlangte den Rücktritt des gesamten Börsenvorstandes. Daraufhin wurde Eduard Schalfejew vom Reichswirtschaftsministerium angerufen. Fünfzehn Minuten später erhielt der Führer des SA-Sturms von der Gauleitung telefonisch den Befehl sofort abzumarschieren.[4]

Berliner Börse an der Burgstraße, um 1900

Der Zweite Weltkrieg führte 1943 zur Einstellung der Kursermittlung durch das Statistische Reichsamt. Am 24. Mai 1944 brannte das Börsengebäude nach einem alliierten Luftangriff aus, die wiederaufbaufähige Ruine wurde nach einem Beschluss des Magistrats in den Jahren 1957 und 1958 abgerissen.[5] Hinter einem noch bis zur Neubebauung ab dem Jahr 2001 stehenden Bauzaun lagen lange Zeit einige gut sichtbare Teile des Gebäudes (Säulenteile, Fassadenschmuck).

Am 11. März 1952 wurde in West-Berlin die Berliner Börse wiedereröffnet. Da jedoch alle großen Unternehmen und Banken die Stadt verlassen hatten, konnte die Börse nicht wieder zu der Bedeutung aufsteigen, die sie vor dem Krieg besessen hatte. Standort war das Logenhaus Emser Straße, bis 1955 mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) ein Neubau von Franz-Heinrich Sobotka und Gustav Müller auf dem Eckgrundstück Fasanen-/Hardenbergstraße im Bezirk Charlottenburg bezogen werden konnte.[6] Teile dieses Gebäudes integrierte Nicholas Grimshaw in den Jahren 1994–1997 beim Neu- und Umbau zum Ludwig-Erhard-Haus.

Im März 2003 fusionierte die Bremer Börse mit der Berliner Börse zur öffentlich-rechtlichen Wertpapierbörse „Börse Berlin-Bremen“. Im Juni 2007 wurde diese Vereinigung wieder gelöst. Seitdem existiert die Institution Börse Berlin.

Am 9. Oktober 2019 wurde bekanntgegeben, dass die ebenfalls in Berlin ansässige Tradegate Exchange GmbH die Börse Berlin AG übernehmen wird. Die bisherigen Geschäftsführer, Jörg Walter und Artur Fischer schieden aus und wurden durch Oliver Szabries ersetzt.[7] Nachfolgerin von Oliver Szabries wurde mit Wirkung zum 1. August 2020 Frau Friederike von Hofe. Die Tradegate Exchange GmbH gehört zu ca. 60 % (Stand: Januar 2022) der Deutschen Börse AG und betreibt selbst eine Wertpapierbörse.[8] Die Übernahme ist ein weiterer Konsolidierungsschritt auf dem Markt der Regionalbörsen.[9]

Geschäftszahlen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sitz der Börse Berlin im Ludwig-Erhard-Haus
  • Gesamtumsatz 2020 (Xontro 5,0 Mrd. Euro und Equiduct 72,2 Mrd. Euro): 77,2 Mrd. Euro (+ 80,8 %)
  • Aktienumsatz 2020 (Xontro): 1,2 Mrd. Euro (+ 140 %)
  • Umsatz Anleihen 2020 (Xontro): 3,1 Mrd. Euro (− 18,4 %)
  • Umsatz Fonds (Xontro): 727 Mio. Euro (+ 146,4 %)
  • Handelsteilnehmer (Stand: 31. Dezember 2020): 41 Kreditinstitute, 16 Finanzdienstleister, vier Skontroführer und vier Market Maker
  • Gesamtzahl der gehandelten Werte auf Xontro (Stand: 31. Dezember 2020): 30.427, reguliert 449
  • Zahl der im Freiverkehr gehandelte Werte (Stand: 31. Dezember 2020): 28.865 (Aktien, Anleihen, Fonds, Zertifikate, Optionsscheine)
  • Internationale Aktien gesamt (Stand: 31. Dezember 2020): 7.806
  • nordamerikanische Titel (Stand: 31. Dezember 2020): 3.254 (inklusive aller an der NASDAQ gehandelten Werte)
  • Osteuropäische Aktien (Stand: 31. Dezember 2020): 95
  • Aktien aus dem asiatischen Raum (Stand: 31. Dezember 2020): 1.666, davon China (302), Japan (323), Neuseeland bis 2008 (61), Australien (535)
  • Anzahl der gehandelten Anleihen (Stand: 31. Dezember 2020) 15.129, Fondsanteile: 3.401
(Stand: 31. Dezember 2020, Börse Berlin)[10]

Equiduct Trading[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2007 erwarb die Börse Berlin eine Mehrheitsbeteiligung von 53 % an der EASDAQ NV, die unter der Marke Equiduct aktiv ist. Ziel der Transaktion ist eine Partnerschaft, mit der die Möglichkeiten, die die europäische Finanzmarktrichtlinie (MiFID) bietet, genutzt werden sollen.

Das zu der Kooperation gehörende Segment Equiduct Trading hat am 1. Juli 2008 den Betrieb aufgenommen. Kernelemente des Marktmodells von Equiduct Trading sind das HybridBook, PartnerEx und der VBBO (volume weighted best bid and offer). PartnerEx ermöglicht es Marktteilnehmern, im Rahmen bilateraler Beziehungen eigene Handelsparameter zu definieren und Geschäfte zu internalisieren. Im HybridBook werden Orders gegeneinander ausgeführt oder treffen auf ausführbare, zweiseitige, verbindliche Quotes von Marktpflegern. Der VBBO ist ein mathematisch berechneter Börsenpreis. Der Preis wird durch ein virtuelles Orderbuch berechnet, das sichtbare Pre-Trade-Informationen (Level-II-Daten) von relevanten Märkten bündelt und damit einen Echtzeit-Datenstrom für liquide europäische Aktien generiert.

Die aktuelle Plattform von Equiduct Trading mit der Bezeichnung European Trading System (ETS) baut auf das um das Jahr 2000 für rund 50 Millionen Euro entwickelte EASDAQ-System auf. Dieses System stellte ursprünglich ein Eigenhandelssystem dar, dass für EASDAQ bzw. Nasdaq Europe entwickelt wurde.

Im Jahr 2009 reduzierte die Börse Berlin ihren Anteil an Equiduct signifikant auf nur noch über 10 %, nachdem der Chicagoer Hedgefonds- und Handelssystembetreiber Citadel deutlich über 50 % Anteil an Equiduct übernommen hatte.[11]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • E. H.: Eine Stunde auf der Berliner Börse. In: Die Gartenlaube. Heft 29, 1867, S. 456–459 (Volltext [Wikisource]).
  • R. v. G.: Ein Mittag an der Berliner Börse. In: Die Gartenlaube. Heft 1, 1869, S. 11–16 (Volltext [Wikisource]).
  • Katrin Richter: Die Medien der Börse. Eine Wissensgeschichte der Berliner Börse von 1860 bis 1933. Lukas Verlag, 2020

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Börse Berlin (building) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Börse. In: Berlin und seine Bauten, 1896, S. 350–352.
  2. Der Schwarze Freitag. In: Die Zeit, Nr. 14/1967.
  3. Deutsche Bundesbank: Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876–1975. Fritz Knapp Verlag, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-7819-0165-3.
  4. Willi A. Boelcke: Die deutsche Wirtschaft 1930–1945. Düsseldorf 1983, S. 62.
  5. Götz Eckardt (Hrsg.) und andere: Schicksale deutscher Baudenkmale im zweiten Weltkrieg. Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin 1978, Band 1, S. 45
  6. Hans Herzfeld, Gerd Heinrich (Hrsg.): Berlin und die Provinz Brandenburg im 19. und 20. Jahrhundert. De Gruyter, Berlin/Boston 2018, ISBN 978-3-11-082660-9, S. 413 f.
  7. Tradegate übernimmt Berliner Börse. Abgerufen am 17. Januar 2020.
  8. Tradegate Exchange
  9. Tradegate Exchange übernimmt Trägerschaft der Börse Berlin. In: boersen-zeitung.de. Abgerufen am 17. Januar 2020.
  10. Allgemeine Angaben zur Börse Berlin. Bei: berlin.de
  11. Reuters, 21. Juli 2009

Koordinaten: 52° 30′ 24″ N, 13° 19′ 42″ O