Bahnstrecke Münchberg–Zell

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Münchberg–Zell (Oberfr)
Letzter Betriebstag im Bahnhof Sparneck, 25. September 1971
Letzter Betriebstag im Bahnhof Sparneck, 25. September 1971
Streckennummer:5026
Streckenlänge:10,15 km
Spurweite:1435 mm (Normalspur)
Maximale Neigung: 25[1] 
Höchstgeschwindigkeit:60 km/h
von Bamberg
von Helmbrechts
0,0 Münchberg
nach Hof
1,0 Käsbachbrücke
Bundesstraße 289
1,7 Umspannwerk
2,7 Eiben
3,9 Weißdorf
4,6 Saalebrücke
5,0 Pfarrbachbrücke
7,5 Sparneck
8,2 Reinersreuth
10,2 Zell (Oberfr)

Die Bahnstrecke Münchberg–Zell, auch „Waldsteinexpress“ oder im Volksmund „Bockela“ genannt, war eine Eisenbahnverbindung zwischen der Stadt Münchberg und der Gemeinde Zell, die über Weißdorf und Sparneck verlief.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bahnbrücke bei Sparneck

Bereits im Jahr 1848 erhielt Münchberg Anschluss an die Ludwig-Süd-Nord-Bahn. Das ursprünglich im toskanischen Stil geplante Bahnhofgebäude wurde, bedingt durch Einsparmaßnahmen, stark vereinfacht ausgeführt. Nach der Fertigstellung der Hauptstrecke begann der Bau von Nebenbahnen und so konnte bereits am 1. Juni 1887 die Strecke Münchberg-Helmbrechts dem Verkehr übergeben werden.[2] Neun Jahre vorher war die Planung der Fichtelgebirgsbahn, die neben Wunsiedel, Weißenstadt, Kornbach und Tannenreuth auch Zell und Sparneck berühren sollte, bevor sie in Münchberg in die Hauptlinie übergegangen wäre, wegen zu hoher Kosten und zu geringen Einnahmen verworfen worden.[2] Einen Fortschritt brachten ab dem 1. April 1886 Karriolpostfahrten von Sparneck nach Münchberg, die den Einwohnern der Landgemeinde den Anschluss an Früh- und Mittagszüge in Münchberg ermöglichten. Wenige Jahre später richtete auch die Gemeinde Zell Kutschfahrten ein; die Kutschen wurden bald darauf durch von Pferden gezogene Omnibusse ersetzt.[3] Mit 70 Pfennig war eine Fahrt im Jahr 1886 aber relativ teuer, deshalb waren die Karriolkutschen nicht für den allgemeine Personentransport geeignet.[3] Bald regte sich in der Bevölkerung der Wunsch nach einer Eisenbahnlinie von Münchberg über Sparneck, Reinersreuth und Zell und so wurde am 24. Februar 1889 ein Eisenbahnkomitee in Sparneck einberufen, dem acht Vertreter aus Münchberg, neun aus Sparneck, acht aus Zell und je einer aus Reinersreuth und Immerseiben angehörten. Den Vorsitz hatte der damalige Münchberger Bürgermeister, Friedrich Schoedel.[3]

Bahnbrücke über den Käsbach bei Münchberg

Auf einer Versammlung am 10. März in Zell, der auch der damalige Landtagsabgeordnete Schmidt aus Helmbrechts und der königliche Bezirksamtmann Blaß beiwohnten, beantragte auch Weißdorf die Aufnahme in die Planungen. Der Bitte wurde nach anfänglichem Zögern des Sparnecker Bürgermeisters, der durch die notwendige Verlängerung höhere Frachtkosten auf die Gemeinden zukommen sah, einstimmig entsprochen.[4] Ein erster Antrag des Stadtmagistrats Münchberg und der Gemeinden Zell, Sparneck und Weißdorf an das Königliche Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Äußeren vom 18. März 1889 wurde abgelehnt.[5] Nachdem auch weitere Bittschriften in den folgenden zwei Jahren abgelehnt worden waren, wäre man zwischenzeitlich sogar bereit gewesen, die Bahn, auch auf Initiative der ortsansässigen Unternehmen, als Privatprojekt der Gemeinden zu verwirklichen. Auch die vorerst letzte Bittschrift vom 1. Oktober 1895 blieb erfolglos.[5] Erst vier Jahre später wurde die Strecke Münchberg–Zell unter laufender Nummer 17 (§§ 85–88) in den Lokalbahngesetzentwurf aufgenommen und ein halbes Jahr später, am 10. März 1900, der Bau der Strecke genehmigt.[5]

Bahnübergang Kirchenlamitzer Straße in Münchberg – im Hintergrund auf der Hauptbahn ein Schienenbus der Baureihe VT 95 in Richtung Hof

Noch am selben Tag schickte der Münchberger Stadtschreiber Ludwig Zapf, der seinerzeit erstmals in der Münchberg-Helmbrechtser Zeitung den Bau einer Bahn angeregt hatte, ein Telegramm von Münchberg aus nach Sparneck, Weißdorf und Zell mit den Worten: „Bahn genehmigt. Flaggen heraus! Musik! Umzug.“ Aus Zeitungsartikeln dieser Zeit geht hervor, dass die Nachricht in den Gemeinden mit Freudenschüssen, Fackelumzügen, Beflaggung und Läuten der Kirchenglocken gefeiert wurde.[6] Im August 1901 fanden erste Vermessungen statt, bevor man am 10. September mit den Bauarbeiten begann. Der Unterbau wurde bereits im Februar 1902 fertiggestellt und es konnte mit dem Verlegen der Gleise begonnen werden. Knapp ein halbes Jahr später, am 7. September 1902, war die Trasse für Arbeitszüge befahrbar und wurde am 14. Oktober für die erste Testfahrt freigegeben. Drei Tage später fanden erste Freifahrten für die Bevölkerung statt. Am 18. Oktober 1902 wurde die Strecke mit dem Zug um 5:08 Uhr ab Zell offiziell in Betrieb genommen.[5] Vier Jahre später, am 31. Dezember 1906, wies das Projekt einen Fehlbetrag von 1985 Mark auf. In den folgenden Jahren verlief der Betrieb bis auf einige kleinere Störungen reibungslos. So musste im Winter 1941 der Betrieb wegen großer Schneeverwehungen eingestellt werden, ebenso, als am 14. April 1945 die Brücke über die Kirchenlamitzer Straße gesprengt worden war.[5] Im November 1954 wurden erstmals Schienenbusse der Baureihe VT 95 auf der Strecke eingesetzt, wodurch sich das Ende des Dampfbetriebes ankündigte. Dennoch fand erst am 29. September 1962 die letzte Fahrt mit einer Dampflokomotive statt. Die bis dahin eingesetzte Lok 64 239 wurde durch die Dieselbaureihe V 100 ersetzt.[7]

Erhaltenes Teilstück von Münchberg Bahnhof zum E-Werk

Am 25. September 1971, neun Jahre später, endete die Geschichte der Lokalbahn mit dem letzten Personenzug, der durch Initiative des Hofer Eisenbahnclubs noch einmal, mit einer Dampflokomotive der Baureihe 86 bespannt, von Zell nach Münchberg fuhr. Grund für die Stilllegung der Strecke war ein zu hoher Kostenaufwand (ca. 1 Million Mark) für den Unterhalt der Strecke. 1971 begann man mit Passagierzählungen, um den Bedarf an Bussen nach der Betriebseinstellung errechnen zu können. Durch die Umsetzung eines 20-Tonnen-Verladekrans von Schwarzenbach nach Münchberg konnte die Verladung der Granitblöcke von Reinersreuth in den Bahnhof der Stadt verlegt werden, wodurch die bis dahin als Streckenrangiergleis weiterbenutzte Bahntrasse vollständig den Nutzen verlor. Die Gleise wurden schließlich vom 21. August bis 8. September 1972 zurückgebaut.[8]

Schriftzug über dem Warteraum in Weißdorf
Deutlich sichtbarer Anstieg der Trasse im Gelände
Empfangsgebäude des ehemaligen Bahnhofs in Zell

Das Bemühen der neugegründeten Lokalbahn-Arbeitsgemeinschaft Fichtelgebirge-Frankenwald, die Strecke als Museumsbahn zu erhalten, verliefen im Sand. Dennoch blieb ein kurzes Streckenstück bis Kilometer 1,7 erhalten, das als Firmengleis für das Umspannwerk in Mechlenreuth dient. 1973 wurde darauf ein Transformator in das Werk geliefert. Im Juni 1981 setzten die Sparnecker der Eisenbahngeschichte ihres Ortes ein Ende, indem sie den Abbruch des Bahngebäudes beschlossen. Von ihm ist nur noch das ehemalige, aus Granit gearbeitete Bahnhofsschild übrig geblieben.[9] Heute ist die Strecke in einem schlechten Zustand. Zwar ist das Gleisstück bis Kilometer 1,7 noch immer vorhanden und wird regelmäßig von Bewuchs freigehalten, doch verfällt der ehemalige Bahndamm immer mehr und ist stellenweise durch Flurbereinigungsmaßnahmen oder durch private Neubauten fast vollständig verschwunden.

Am 11. Oktober 2018 befuhr erstmals seit vielen Jahren wieder ein Zug das Reststück der Strecke. Es wurde ein Trafo zum Umspannwerk geliefert und eigens dafür die Strecke wieder befahrbar gemacht.[10]

In den Bahnhöfen in Zell und in Weißdorf sind Wohnungen untergebracht. Der Haltepunkt Eiben und das Unterstellhäuschen in Reinersreuth sind verschwunden, ebenso wie der Bahnhof in Sparneck.

Lokomotiveinsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1902 bis mindestens 1906 war die D XI auf der Strecke unterwegs, die später vom berühmten Glaskasten abgelöst wurde. Diese für den Einmannbetrieb gebaute Maschine bewältigte bis mindestens 1923 den Gesamtbetrieb auf der Strecke. Bis 1935 setzte man dann die GtL 4/4 ein, die schließlich durch Einheitsdampfloks der Baureihe 64 abgelöst wurden. Dieser Loktyp war bis zur Einstellung des Dampfbetriebes im Jahr 1962 auf der Strecke im Einsatz. Nach der Einstellung des Dampflokbetriebs bewältigten Dieselloks den Betrieb. Bis 1972 waren sowohl die Loks des Typs V 100, wie auch Exemplare der Baureihe VT 95, die bereits während der 50er Jahre eingesetzt waren, auf der Strecke unterwegs.[11]

Hochbauten der Lokalbahn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da man für die zeitgleich erbaute Strecke Falls-Gefrees bereits Pläne für ein in Massivbauweise ausgeführtes Bahnhofsgebäude erarbeitet hatte, wurden diese auch auf der Strecke Zell-Münchberg für die Gebäude in Weißdorf und Sparneck übernommen. Zusätzlich erhielt jede Station noch ein separates Aborthäuschen. An der Endstation in Zell wurden ein Hauptgebäude mit Ladehalle und Wartesaal, ein Nebengebäude mit Abortanlagen, sowie eine Lokremise errichtet. Die Haltestelle Reinersreuth erhielt ein hölzernes Wartehäuschen, wohingegen der Haltepunkt Eiben nur über eine Sitzbank verfügte, die in das Stationsschild integriert worden war. In den Folgejahren nach der Stilllegung der Strecke wurden einige der Gebäude abgebrochen, so noch in den 70er Jahren die Toilettenhäuschen in Zell, Sparneck und Weißdorf. Ihnen folgte das Unterstellhäuschen in Reinersreuth. Den Abschluss bildete der Abbruch des Bahnhofgebäudes in Sparneck im Jahr 1982.[12]

Reinersreuther Granitwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bahnhofsgelände in Münchberg (2009)

Für die Granitwerke in Reinersreuth brachte die Lokalbahn einen großen wirtschaftlichen Nutzen, mussten doch vorher die geschliffenen Granitblöcke auf unzureichend ausgebauten Wegen nach Münchberg transportiert werden. Auch wenn man bei der Planung der Strecke versuchte, möglichst nahe an die Werke in Reinersreuth heranzukommen, musste doch noch ein 582 Meter langes Industriegleis mit eingeplant werden, um auf das Werksgelände einfahren zu können.[13] Das Werk hatte selbst für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zu sorgen, was bedeutete, dass der notwendige Sperrbalken wie auch die beiden Bahnübergänge nur von ausgebildeten Mitarbeitern geschlossen und geöffnet werden durften. Ein Läutsignal sorgte außerdem für Sicherheit.[13] Auch nach Stilllegung der Strecke blieb sie auf der gesamten Länge als Firmengleis der Granitwerke erhalten. Auf diese Weise konnte das Werk bis Mai 1972 bedient werden. Dafür wurden die Wagen zuerst auf das Anschlussgleis geschoben und dort mittels einer Seilwinde zum Verladegleis gezogen. Die Lokomotive konnte die beladenen Wagen dann abholen und in Richtung Zell ziehen. Dort erst konnte man umspannen und die Lok an die richtige Seite des Zuges Rückweg nach Münchberg setzen.[14] Der Bahnhof Münchberg, damals mit insgesamt fünf Durchfahr- und acht Nebengleisen ausgestattet, hat heute nur noch ein Kopfgleis für den Bahnverkehr Richtung Helmbrechts und zwei Durchfahrgleise. Die Anschlussgleise nach Zell dienen noch als Abstellgleise.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Roland Fraas: MEC 01 Münchberger Eisenbahnfreunde e.V.: 100 Jahre Lokalbahn Münchberg − Zell „WALDSTEINEXPRESS“. Münchberg 2002, OCLC 164938286.
  • Gernot Dietel, Roland Fraas: Eisenbahn in Münchberg 1848–1998. 1. Auflage. Münchberg-Helmbrechtser Zeitung Verlag, Münchberg 1998, ISBN 3-938463-01-5.
  • Wolfgang Bleiweis, Ekkehard Martin, Stefan Winkler: Fränkische Nebenbahnen einst und jetzt – Oberfranken. Egglham/ München 1986.
  • Kerstin Schäfer: Die Hochbauten der oberfränkischen Nebenbahnen. Geschichte, Bestand und Umnutzung. Michael Resch, Coburg 2013, ISBN 978-3-944237-05-3.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Bahnstrecke Münchberg–Zell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Aus den SRTM-Höhendaten ergibt sich eine maximale (mittlere) Neigung von 17 Promille.
  2. a b Arbeitskreis Stadtgeschichte: Eisenbahn in Münchberg 1848–1998 (= Beiträge zur Münchberger Stadtgeschichte. Band 1). S. 72.
  3. a b c Arbeitskreis Stadtgeschichte: Eisenbahn in Münchberg 1848–1998 (= Beiträge zur Münchberger Stadtgeschichte. Band 1). S. 73.
  4. Arbeitskreis Stadtgeschichte: Eisenbahn in Münchberg 1848–1998 (= Beiträge zur Münchberger Stadtgeschichte. Band 1). S. 74.
  5. a b c d e Roland Fraas: 100 Jahre Lokalbahn „Waldsteinexpress“ (MEC 01 Münchberg e.V.). S. 5.
  6. Arbeitskreis Stadtgeschichte: Eisenbahn in Münchberg 1848–1998 (= Beiträge zur Münchberger Stadtgeschichte. Band 1). S. 82.
  7. Roland Fraas: 100 Jahre Lokalbahn „Waldsteinexpress“ (MEC 01 Münchberg e.V.). S. 6.
  8. Roland Fraas: 100 Jahre Lokalbahn „Waldsteinexpress“ (MEC 01 Münchberg e.V.). S. 41.
  9. Roland Fraas: 100 Jahre Lokalbahn „Waldsteinexpress“ (MEC 01 Münchberg e.V.). S. 43.
  10. Münchberg–Zell: Wieder Züge. In: Lok Magazin. Nr. 12, 2018, S. 34.
  11. Roland Fraas: 100 Jahre Lokalbahn „Waldsteinexpress“ (MEC 01 Münchberg e.V.). S. 9–14.
  12. Roland Fraas: 100 Jahre Lokalbahn „Waldsteinexpress“ (MEC 01 Münchberg e.V.). S. 20–30.
  13. a b Roland Fraas: 100 Jahre Lokalbahn „Waldsteinexpress“ (MEC 01 Münchberg e.V.). S. 35.
  14. Roland Fraas: 100 Jahre Lokalbahn „Waldsteinexpress“ (MEC 01 Münchberg e.V.). S. 39.