Barberini-Diptychon

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Das Barberini-Diptychon
Der triumphierende Kaiser auf dem Mittelpanel
In der seitlichen Ansicht erkennt man besonders gut die unterschiedlichen Tiefen der Reliefs.
Bronzegewicht mit demselben Motiv wie auf dem Zentralpanel des Barberini-Diptychons (Byzantinisches Museum, Athen).

Das Barberini-Diptychon zählt zu den bedeutendsten Werken der spätantiken Elfenbeinschnitzerei. Es entstand in Ostrom und befindet sich heute im Louvre in Paris (Inventarnummer OA 9063).

Es handelt sich um eine aus fünf Paneelen zusammengesetzte Darstellung, von denen noch vier original erhalten sind. Die Darstellung folgt dem Typus des triumphator omnium gentium (dt.: Bezwinger aller Völker). Bei dem dargestellten Kaiser handelt es sich sehr wahrscheinlich um Justinian (527 bis 565), aber auch Anastasius (491 bis 518) wird nicht ausgeschlossen.

Auf der Rückseite befindet sich eine Liste austrasischer Könige, die von Brunichild in Auftrag gegeben wurde und liturgischen Zwecken diente. Sie entstand wahrscheinlich um 613 und zeigt, dass das Diptychon bereits früh ins Frankenreich gelangt war, wahrscheinlich als Geschenk, denn im 6. Jahrhundert bestanden recht enge Beziehungen zwischen Gallien und dem Oströmischen Reich.

1625 schenkte der Gelehrte Nicolas-Claude Fabri de Peiresc das Werk dem Kardinal Francesco Barberini, wodurch es nach Rom gelangte und Teil der bedeutenden Sammlung Barberini wurde. 1899 wurde es vom Louvre erworben.

Beschreibung

Das Diptychon misst 34,2 × 26,8 cm, das Mittelpanel 19 × 12,5 cm bei einer Dicke von ca. 2,5 cm.

Ursprünglich war das Diptychon mit Edelsteinen verziert, die mit der Zeit größtenteils aus ihren Fassungen herausgefallen sind. Im Übrigen stellt Elefantenelfenbein einen der teuersten Rohstoffe überhaupt dar (durchaus vergleichbar mit Gold). Beides deutet darauf hin, dass das Werk vom Kaiser selbst in Auftrag gegeben und dann an eine bedeutende Persönlichkeit verschenkt wurde.

Auf dem Zentralpanel ist ein Reiter in prächtiger römischer Rüstung und mit kaiserlicher Krone dargestellt. Er reitet ohne Steigbügel. Bemerkenswert die Tiefe des Reliefs, Teile sind vollständig „à jour“ gearbeitet. Derlei vollplastische Durchbruchsarbeiten sind extrem selten bei Elfenbeindiptychen und ein Grund dafür, das Barberini-Diptychon zu den bedeutendsten Werken dieses Genres zu zählen. Die Frau unten hat eindeutig Allegorie-Charakter. Sie entspricht Tellus/Gaia-Darstellungen, nur dass sie statt eines Füllhorns in einem Bausch ihres Gewandes Früchte/Gaben darbringt. Möglicherweise ist sie auch als Symbol einer befriedeten Provinz zu sehen. Die Viktoria-Darstellung steht auf einem kleinen Globus, auf dem eine x-förmige Gravierung angebracht ist. Sie wird teilweise als Christusmonogramm angesprochen. Bei den Ornamentbändern fällt auf, dass zwei verschiedene Typen verwandt wurden.

Prinzipiell folgt die Darstellung paganen römischen Traditionen des triumphator omnium gentium ("Sieger über alle Völker"), eine christliche Konnotation erhält das Diptychon erst durch das obere Panel, in dem Christus als Kosmokrator dargestellt wird. Diese Komposition hat direkte pagane Vorläufer (anstelle der Christusfigur befand sich ursprünglich eine Personifikation Konstantinopels). Die Haartracht (Buckellocken) Christi und der Engel sind ein wichtiger Anhaltspunkt für die Bestimmung der Entstehungszeit.

Ungewöhnlich ist der nachträglich eingeritzte Bart des hochrangigen Offiziers auf dem Seitenpanel. Möglicherweise handelt es sich dabei um eine Zutat aus einer späteren Epoche. Der Sack unten rechts neben ihm ist vermutlich ein Goldsack, prinzipiell ein Attribut eines Konsuls, hier aber in Hinblick auf die Thematik des triumphator omnium gentium vielleicht eher als Beute zu sehen.

Auf dem unteren Panel sind dargestellt (von links nach rechts):

  • zwei Gaben bringende Perser bzw. Orientalen (darunter auch das aurum coronarium)
  • ein Löwe
  • eine Victoria mit Tropaion
  • ein Elefant
  • zwei Inder (Erkennungszeichen: die „Hörner“ auf der Stirn), von denen der erste einen Elefantenstoßzahn bringt.
  • Ein Tiger

Der Stil ist spätantik-abstrakt, zeigt jedoch auch ein gewisses Maß an Realismus. Aufgrund seiner hohen Qualität ist es wahrscheinlich in einer kaiserlichen Werkstatt in Konstantinopel entstanden.

Kunsthistorische Einordnung

Das Barberini-Diptychon steht in der Nachfolge der zweiteiligen (Konsular-)Diyptychen. Mit dem Aufkommen des Codex und dem Bedeutungsrückgang der Wachstafel entstand der Typ der fünfteiligen Diptychen. Im Mittelalter wurden besondere Codizes als Prachtcodex gestaltet, die aber nur noch in Ausnahmefällen aus Elfenbein gearbeitet wurden. Vermutlich wurden die Tafeln wie die meisten fünfteiligen Diptychen als Vorderdeckel eines Prachtcodex verwandt. Vor allem aus der karolingischen Renaissance finden sich jedoch antikisierende Diptychen, die teilweise selbst von Experten kaum von den spätantiken Vorbildern unterschieden werden können. Dennoch ist sich die Forschung im Falle des Barberini-Diptychons einig, dass es vor 613 entstand.

Interpretation

Der abgebildete Kaiser ist vermutlich mit Justinian I. zu identifizieren. Innerhalb der in Frage kommenden Entstehungszeit (erste Hälfte des 6. Jahrhunderts) scheint die Darstellung als Völkerbezwinger am ehesten auf ihn hinzuweisen. Allerdings sind derartige Herrscherglorifizierungen mit Vorsicht aufzunehmen; sie folgen oft mehr der Konvention als der Realität.

Sowohl der Barbar im Hintergrund des Zentralpanels als auch die beiden auf der linken Seite des unteren Panels tragen persische Tracht; die Darstellung steht also vielleicht in Zusammenhang mit dem 532 zwischen Justinian und dem Perserreich geschlossenen sogenannten „ewigen Frieden“. Denkbar ist auch ein Bezug auf den römischen Sieg in der Schlacht bei Dara 530. Möglicherweise war ein literarisch bezeugtes Reiterstandbild Justinians aus dem Hippodrom Vorlage für das Zentralpanel. Dasselbe Motiv findet sich auch auf einem Bronzegewicht im Byzantinischen Museum in Athen, wobei es sich jedoch möglicherweise um eine Fälschung nach dem Barberini-Diptychon handelt; in der Fachliteratur zum Diptychon wird das Stück nicht erwähnt.

Literatur

  • Antoine Héron de Villefosse: L'Ivoire de Peiresc. In: Mémoires de la Société nationale des Antiquaires de France. Bd. 75 = Serie 8, Bd. 5, 1915/1918, S. 267–295.
  • Richard Delbrueck: Die Consulardiptychen und verwandte Denkmäler (= Studien zur spätantiken Kunstgeschichte. 2, ZDB-ID 530605-x). de Gruyter, Berlin u. a. 1929.
  • Wolfgang Fritz Volbach: Elfenbeinarbeiten der Spätantike und des Frühen Mittelalters (= Römisch-Germanisches Zentralmuseum. Kataloge vor- und frühgeschichtlicher Altertümer. 7, ISSN 0076-275X). 3., völlig neu bearbeitete Auflage. von Zabern, Mainz 1976, S. 47–48 Nr. 48.
  • Antony Cutler: Barberiniana. Notes on the Making, Content, and Provenance of Louvre OA. 9063. In: Ernst Dassmann, Klaus Thraede (Red.): Tesserae. Festschrift für Josef Engemann (= Jahrbuch für Antike und Christentum. Ergänzungsbd. 18). Aschendorff, Münster 1991, ISBN 3-402-08536-4, S. 329–339.
  • Danièle Gaborit-Chopin, in: Byzance. L'art byzantin dans les collections publiques françaises. Musée du Louvre, 3 novembre 1992 – 1er février 1993. Éditions de la Réunion des Musées Nationaux, Paris 1992, ISBN 2-7118-2606-6, Kat.-Nr. 20, S. 63–65, (Objektbeschreibung im Ausstellungskatalog).
  • Jean-Pierre Sodini: Images sculptées et propagande impériale du IVe au VIe siècle. Recherches récentes sur les colonnes honorifiques et les reliefs politiques à Byzance. In: André Guillou, Jannic Durand (Hrsg.): Byzance et les images. Cycle de conférences organisé au Musée du Louvre par le Service Culturel du 5 ocrobre au 7 décembre 1992. La Documentation française, Paris 1994, ISBN 2-11-003198-0, S. 43–94.

Weblinks