Benutzer:Church of emacs/Inklusionismus vs. Deletionismus

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Der Konflikt um die Relevanzkriterien und den dahinter stehenden Philosophien des Inklusionismus und Deletionismus hat sich zu einer zentralen Frage nach der Zukunft von Wikipedia entwickelt. Hier möchte ich einige Überlegungen über die Vor- und Nachteile beider Ansichten anstellen.

Die Englische Wikipedia ist ein typischer Vertreter eines inklusionistischen Ansatzes, die Deutsche Wikipedia hingegen ist von Deletionismus geprägt. Aber im Grunde genommen geht es nicht darum die einzelnen Sprachversionen miteinander zu vergleichen, sondern deren Philosophien.

Was ist das Problem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei dem Deletionismus/Inklusionismus-Konflikt geht es eigentlich um zwei Teilprobleme, die nicht viel miteinander zu tun haben. Oft genug werden diese Aspekte in Löschdiskussionen miteinander vermischt; kommt der Antragssteller mit einem nicht weiter, bedient er sich des anderen. Um diese Verwirrung etwas aufzulösen, hier die Unterscheidung.

Geringe Qualität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es werden täglich hunderte neue Artikel mit geringer Qualität angelegt. Die offensichtlichen Unsinnsartikel („Tastaturtest“) werden gelöscht, die akzeptablen behalten, aber was passiert mit denen, die zwischen diesen Qualitätskategorien liegen? Behalten und verbessern? Oder gleich löschen?

Geringe Qualität kann vielseitig sein: Werbung, grobe Verstöße gegen die Neutralität, zu kurze Artikel, keine für Enzyklopädien geeignete Darstellung der Informationen, usw.

Geringe Relevanz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch wenn ein Artikel noch so gut ist − wenn sein Thema nicht relevant genug ist, wird er gelöscht. Offensichtliche Irrelevanz besteht zum Beispiel bei dem Hund des Nachbarn, doch nicht immer ist es so einfach, die Relevanz realistisch einzuschätzen und sinnvolle Regelungen für sie festzulegen. Die Relevanzkriterien bleiben deshalb eine der umstrittensten Seiten im Wikipedia-Namensraum.

Warum behalten?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus Sicht des Lesers[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Leser möchte Informationen. Wie diese „produziert“ werden, ist ihm egal, er möchte sie einfach − schnell, unkompliziert und möglichst auch noch richtig. Aus Sicht des Lesers sind Relevanzkriterien recht unverständlich, ganz nach dem Motto: „Wen ein ‚irrelevantes‘ Thema nicht interessiert, wird sich an der Existenz des Artikels kaum stören, im Gegensatz zu denen, die Informationen über ein ‚irrelevantes‘ Thema suchen, und sich über den Wikipedia-Artikel freuen.“ Dieses Argument besagt im Grunde genommen, dass zusätzliche Artikel keine Belastung für den Leser darstellen, sondern im Gegenteil diejenigen Leser erfreut, die das Thema interessiert. Siehe auch meta:Wiki ist kein Papier

Aus Sicht der neuen Autoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neue Benutzer, die Artikel verfassen möchten, haben es recht schwer. Es gibt hunderte Konventionen und Richtlinien von denen die Relevanzkritierien nur eine ist. Obwohl Wikipedianer von guten Absichten ausgehen sollten, werden neue Benutzer doch recht häufig unhöflich zurückgewiesen (mit der Begründung „AGF ist verwirkt“) und dabei mit Abkürzungen so bombardiert, dass es kein Wunder ist wenn sie vor dem NPOV/AGF/RK/LK-Dschungel kapitulieren.

Und selbst wenn ein Benutzer erkannt hat, dass Wikipedia keine Werbeplattform ist, und demnach einen vernünftigen Artikel (hinter dem oft mehr Arbeit steckt, als man denkt) einstellt, passiert es oft dass dieser einen Löschantrag kassiert. Durch diesen Mechanismus werden viele neue Autoren abgeschreckt.

Aus Sicht der erfahrenen Autoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch wer die Relevanzkriterien kennt und schon ein bisschen bei Wikipedia dabei ist, kann nicht bei jedem Thema vor Erstellung eines Artikels ausschließen, dass dieser gelöscht wird. Das liegt einfach an der unscharfen Grenze der Relevanzkriterien, die durchaus Spielraum für die Löschdiskussionsteilnehmer und den Administrator lassen. Und auch für erfahrene Autoren ist es ärgerlich, wenn die Arbeit für einen neuen Artikel vollkommen umsonst ist.

Warum löschen?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie oben schon erwähnt, möchten Leser nicht nur informiert werden, sondern auch richtig informiert werden. Wieder muss unterschieden werden, was gelöscht wird.

schlechte Artikel löschen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese Form der Löschung ist wohl noch am weitesten akzeptiert, weil die Gründe recht offensichtlich sind. Ein schlechter Artikel, der womöglich Falschinformationen beinhaltet, ist oft schlechter für den Leser als gar kein Artikel. Er liefert nicht nur schlechte Qualität in einem Fall, sondern vermindert auch die Gesamtqualität der Enzyklopädie. Daher ist – wenn eine Verbesserung des Artikels gescheitert ist oder der Artikel in einem so schlechten Zustand ist, dass dies einer kompletten Neuverfassung entsprechen würde – eine Löschung akzeptabel.

irrelevante Artikel löschen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für das Löschen von irrelevanten Informationen gibt es schon mehr Protest: meta:Wiki ist kein Papier ist eine beliebte Philosophie, die besagt, dass zusätzliche Artikel keine Belastung darstellen (der zusätzliche Speicherplatz ist mit sehr geringen Kosten verbunden), aber dem Leser weiter helfen können. Andererseits belasten Artikel nicht nur die Kapazitäten von Servern, sondern erfordern auch einen gewissen Wartungsaufwand. Um so mehr Artikel es gibt, um so eine größere Gemeinde wird benötigt um diese auf dem aktuellsten Stand zu halten, Vandalismus zu beseitigen und die Qualität sicherzustellen. Da jeder Artikel also eine Belastung ist, sollten nur die wichtigen akzeptiert werden.

Andererseits hat es sich gezeigt, dass die Fangemeinden, die über jede South Park Episode einen Artikel schreiben möchten (wie es in der Englischen Wikipedia der Fall ist), oft gut organisiert sind und die Qualität von solchen Spezialgebieten sehr hoch sein kann. Ob ein Autor von Artikel über South Park Episoden ähnlich gute Qualität in anderen, ihm fachfremden Bereichen liefern kann, ist fraglich. Ein Inklusionist könnte also argumentieren, dass die Spezialgebiete keine zusätzliche Belastung darstellen, da sie von Gruppen betreut werden, die „eh über nichts außer über South Park schreiben können“.

Neben den begrenzten Ressourcen bei der Instandhaltung und Überprüfung neuer Änderungen gibt es einen weiteren wichtigen Grund für gewisse Relevanzkriterien: Die Überprüfbarkeit. Bei Wikipedia müssen alle Informationen anhand einer vertrauenswürdigen Quelle überprüfbar sein. Wenn ich einen Artikel über meinen Hund schreibe, lässt sich der nicht anhand von vertrauenswürdigen Quellen (dazu gehöre ich aus Sicht von Wikipedia nicht) überprüfen. Ich könnte ja alles mögliche schreiben und auch falsche Informationen (wissentlich oder versehentlich) im Artikel unterbringen. Bei enzyklopädisch relevanten Lemmata gibt es hingegen (bis auf wenige Ausnahmen abgesehen, wie z.B. den Passierschein A 38) enzyklopädisch verwertbare Quellen, da ansonsten kaum Relevanz begründet werden kann. Die Relevanzkriterien sichern also die Überprüfbarkeit der Inhalte und bilden damit die Grundlage für die Durchsetzung des Wahrheitsanspruchs.

Wem schadet denn dieser Artikel? Warum muss er gelöscht werden?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der kategorische Imperativ lautet in einer seiner Formulierungen: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Was wäre nun die Maxime für die Handlung, einen irrelevanten Artikel zu behalten? Sämtliche irrelevante Artikel zu behalten. Ist diese Maxime als allgemeines Gesetz denk- und wollbar? Nein, denn da bei irrelevanten Artikeln die Überprüfbarkeit nicht gegeben ist, wäre bei einem beträchtlichen Anteil der Artikeln die Überprüfbarkeit nicht gegeben und somit auch ein Wahrheitsanspruch nicht durchsetzbar. Genau dieser kennzeichnet jedoch eine Enzyklopädie, so dass dadurch ein Widerspruch besteht. Kant sagt uns also, dass wir keine Ausnahmen machen sollen, sondern konsequent handeln müssen.

(Ja, ich bin mir bewusst, dass diese Argumentation ein wenig überspitzt formuliert ist :))

Enzyklopädie vs. Datenbank für Wissen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Spätestens an diesem Punkt wird man sich fragen: Was ist eigentlich eine Enzyklopädie? Kann per Definition eine Enzyklopädie eine Wissensdatenbank sein? Erreichen wir unser Ziel einer freien Enzyklopädie über einen Weg von Fan-Artikeln über Mangas? Oder ist das Ziel gar nicht eine Enzyklopädie, sondern eine möglichst umfassende Datensammlung?

Das ist im Grunde genommen die eigentlich wichtige Frage, ob Wikipedia klassische Enzyklopädien wie den Brockhaus nachahmen möchte, oder eine neue Generation der Wissensspeicherung begründen soll. Die Antwort dafür ist noch nicht eindeutig; während die Deutsche Wikipedia eher eine klassische Enzyklopädie ist, wagt die Englische Version den Schritt auf eine Wissensdatenbank.

Was die richtige Entscheidung ist, möchte ich hier nicht erörtern, sondern nur, dass wir diese Entscheidung einmal fällen müssen.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Folgende Seiten behandeln ein ähnliches Thema. Achtung: Nur weil ich die Seiten aufliste, bedeutet es nicht dass ich ihnen zustimme

Englisch: