Bernard Berenson

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Bernard Berenson (* 26. Juni 1865 in Butrimonys (jetzt zu Vilnius), Litauen; † 6. Oktober 1959 in Florenz) war ein US-amerikanischer Kunsthistoriker, Kunstsammler und Schriftsteller. Er war einer der ersten Historiker, die sich auf die italienische Renaissance spezialisierten. Berenson gehört zu den Begründern des internationalen Kunstmarkts für die Alten Meister.

Leben

Berenson wurde als Bernhard Valvrojenski in eine jüdische Familie geboren, die 1875 aus Litauen nach Boston emigrierte, wo die Familie den Namen „Berenson“ annahm. Er studierte an der Harvard University und beendete sein Studium mit einer Arbeit über Gogol. Nach dem Havard-Abschluss wurde er von Isabel Stewart Gardner, die ein sicheres Gespür für Talente und Begabungen hatte, beauftragt, in Europa nach Kunstwerken für ihre Sammlung Ausschau zu halten. Berenson gab in den nächsten drei Jahren für Kunstgegenstände rund drei Millionen Dollar aus, in einer Zeit, die noch keinen Sinn für religiöse Kunst des späten Mittelalters und der Renaissance hatte und in der es folglich keinen entsprechenden Markt gab, Bilder also nicht teuer waren. Während seines Europaaufenthaltes lernte er Mary Smith Costelloe kennen, eine verheiratete Frau mit zwei Kindern, mit der ab jetzt zusammenlebte und ein unruhiges Wanderleben führte. Das Paar lebte für die nächsten zehn Jahre, als die Verbindung nach dem Tod des Ehepartners legalisiert werden konnte, vereinsamt und unter schwierigen Bedingungen, da nur wenige Freunde die Verbindung tolerierten. Mary war die Schwester von Logan Pearsall Smith und Alys Pearsall Smith, der ersten Frau des Philosophen Bertrand Russell. Ab 1900 wohnte das Paar in der Villa i Tatti bei Florenz, wo Berenson die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Die Villa wurde bald zu einem Ziel amerikanischer und europäischer Kunstkenner, Sammler und Kunstmäzene und zu einem lebhaften Treffpunkt der Florentiner Gesellschaft.

Obwohl er überwiegend in Italien lebte, gab Berenson seine amerikanische Staatsbürgerschaft nie auf, allerdings konvertierte er während des Krieges zum Katholizismus. Auch während des Faschismus in Italien, während der Anwesenheit der Deutschen in der letzten Phase des Krieges, als die Villa zwischen die Frontlinien der Amerikaner und der faschistischen Truppen geriet, blieben Berenson, seine Villa und seine Bibliothek unbehelligt.

Berenson hat seine Tagebücher unter dem Titel Rumor and Reflection und Sunset and Twilight veröffentlicht sowie eine Selbstbiographie unter dem Titel Sketch for a Self-portrait. Unter seinen Freunden war der amerikanische Schriftsteller Ray Bradbury, der über seine Freundschaft mit Berenson im Wall Street Journal und in seiner Aufsatzsammlung Yestermorrow geschrieben hat.

Der Kunstkenner

Unter den amerikanischen Kunstsammlern des frühen 20. Jahrhunderts galt Berenson als unbestrittene Autorität bei der Einschätzung und bei Zuschreibungen der Malerei der Renaissance. Berensons Urteil über Urheber und Echtheit eines Kunstwerks ließ dessen Wert steigen oder fallen. Während seine Wertungen, die sich weniger auf Fakten und Daten, sondern auf die Intuition und die Erfahrung des „Kenners“ stützten – Berenson war der typischer Vertreter eines Connaisseurs – und seine Urteile bei europäischen Kennern, Sammlern und den frühen Protagonisten einer akademischen Kunstwissenschaft umstritten blieben, spielte er in den Vereinigten Staaten eine bedeutende Rolle als Berater amerikanischer Kunstsammler, wie z. B. von Isabella Stewart Gardner, die einen Lotsen durch den unübersichtlichen und fallenreichen Markt der in Mode gekommenen Kunst der Renaissance benötigten. Berensons Urteil wurde unbesehen akzeptiert, 5 Prozent Kommission jeweils für seine Dienste machten ihn zu einem reichen Mann.

Sein erstes Buch, das mit seiner Mischung aus Kennerschaft und systematischen Ansätzen außerordentlich erfolgreich war, war das 1894 veröffentlichte Venezianische Maler der Renaissance mit einem Verzeichnis ihrer Werke. 1896 folgte Florentiner Maler der Renaissance, das von dem amerikanischen Philosophen und Psychologen William James wegen der Einführung psychologischer Kategorien in die Interpretation von Werken der Bildenden Kunst gelobt wurde und ein Jahr später The Central Italian Painters of the Renaissance. Nach einer Pause von fünf Jahren kam Berensons Buch The Drawings of the Florentine Painters heraus, das bis heute als sein fundiertestes und wichtigstes Werk angesehen wird. In seinem nächsten Buch – The North Italian Painters of the Renaissance von 1907 – fällte er sein vernichtendes Urteil über den Manierismus, für den er, als Liebhaber einer auf die Antike sich beziehende Kunst der Renaissance, wenig Verständnis hatte. Berenson frühe Publikationen fanden Eingang in sein bekanntestes Buch The Italian Painters of the Renaissance, das 1930 erstmals erschien, in viele Sprachen übersetzt wurde und in mehreren Neuauflagen nachgedruckt wurde.

Giorgione: The Allendale Nativity, von Berenson Tizian zugeschrieben

1912 ging Berenson ein geheimes Übereinkommen mit dem englischen Kunsthändler Joseph Duveen ein, dem einflussreichsten Kunsthändler seiner Zeit. Duveen stützte sich in Verhandlungen über den Verkauf von Kunstwerken an reiche aber unerfahrene Sammler auf Expertisen Berensons. Die für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit endete abrupt über einen Streit, der sich an Berensons Zuschreibung der so genannten Allendale Nativity ( Anbetung der Hirten) entzündet hatte. Duveen hatte das Bild an den amerikanischen Philanthropen und Kunstmäzen Samuel H. Kress als Werk Giorgiones verkauft, während Berenson es für einen frühen Tizian hielt. Heute gilt das Werk allgemein als Bild Giorgiones. Mit anderen Stiftungen von Kress gelangte es dann in die National Gallery in Washington, wo es heute aufbewahrt wird.

Nach dem Bruch mit Duveen war Berenson als Berater für verschiedenen anderen Kunsthändler, vor allem für Daniel Wildenstein tätig.

Die Villa I Tatti

Villa i Tatti in Florenz

Zwischen 1890 bis 1921 kaufte Berenson zu meist niedrigen Preisen von Händlern Bilder, die aus Kirchen, Klöstern und Adelspalästen stammten. Im Jahr 1900 bezog Berenson die Villa I Tatti in Fiesole, die er bis zu seinem Tod 1959 bewohnte.

Seine Sammlung zeigt einen Querschnitt durch die religiöse Kunst Italiens vom 12. Jahrhundert bis zur Renaissance. Berenson arrangierte die Kunstgegenstände nicht nach historischen Gesichtspunkten, nach Themen oder anderen museumsgemäßen Grundsätzen, sondern setzte sie nach rein ästhetischen Prinzipien zueinander in Beziehung. Das Ensemble, von den historischen Räumen der Villa und durch den Geschmack des Connaisseurs geprägt, spiegelt Handschrift und Persönlichkeit des Sammlers. Da Berenson nur selten Bilder verkaufte, diese immer an ihrem Platz blieben, sind die meisten von ihnen vorzüglich erhalten.

In seinem Testament vermachte er die Villa einschließlich seiner privaten Kunstsammlung, seiner Bibliothek und der umfangreichen Fotosammlung der Universität Harvard. Harvard sollte in der Villa ein Studienzentrum für junge Wissenschaftler aus aller Welt einrichten und ihnen dort die Gelegenheit bieten, ihre Forschungen in den Geisteswissenschaften (humanities) fortzusetzen und zu vertiefen. Heute erhalten jedes Jahr 12 bis 15 Postdoc-Stipendiaten aus aller Welt die Gelegenheit, am Studienzentrum zu forschen, dazu werden regelmäßig junge italienische Nachwuchswissenschaftler an das Studienzentrum eingeladen.

Werke

  • Venetian Painters of the Renaissance (1894), deutsch: Venezianische Maler der Renaissance mit einem Verzeichnis ihrer Werke.
  • Lorenzo Lotto: An Essay in Constructive Art Criticism (1895)
  • Florentine Painters of the Renaissance (1896)
  • Central Italian Painters of the Renaissance (1897)
  • The Sense of Quality: Study and Criticism of Italian Art (1901; second series, 1902)
  • The Drawings of the Florentine Painters (1903),
  • North Italian Painters of the Renaissance (1907)
  • A Sienese Painter of the Franciscan Legend (1910)
  • Seeing and Knowing, New York Graphic Society, Ltd., (1953)

Literatur

  • Ernest Samuels: Bernard Berenson, the making of a legend. Cambridge, Mass. 1987.
  • Mary Ann Calo: Bernard Berenson and the Twentieth Century. 1994.
  • Gabriele Guercio: Art as Existence: The Artist's Monograph and Its Project. MIT Press 2006. ISBN 0-262-07268-8

Weblinks

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