Binomialkoeffizient

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 18. September 2016 um 21:48 Uhr durch Ajv39 (Diskussion | Beiträge) (Tippfehler entfernt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Binomialkoeffizient ist eine mathematische Funktion, mit der sich eine der Grundaufgaben der Kombinatorik lösen lässt. Er gibt an, auf wie viele verschiedene Arten man Objekte aus einer Menge von verschiedenen Objekten auswählen kann (ohne Zurücklegen, ohne Beachtung der Reihenfolge). Der Binomialkoeffizient ist also die Anzahl der -elementigen Teilmengen einer -elementigen Menge.

„49 über 6“ (bzw. „45 über 6“ in Österreich und der Schweiz) ist z. B. die Anzahl der möglichen Ziehungen beim Lotto (ohne Berücksichtigung der Zusatzzahl).

Ein Binomialkoeffizient hängt von zwei Zahlen und ab. Er wird mit dem Symbol

geschrieben und als „n über k“, „k aus n“ oder „n tief k“ gesprochen. Die englische Abkürzung nCr für n choose r findet sich als Beschriftung auf Taschenrechnern.

Den Namen erhielten diese Zahlen, da sie als Koeffizienten in den Potenzen des Binoms auftreten; es gilt der sogenannte binomische Lehrsatz:

Eine Erweiterung des aus der Kombinatorik stammenden Binomialkoeffizienten stellt der allgemeine Binomialkoeffizient dar, der in der Analysis verwendet wird.

Definition

Für eine komplexe Zahl und eine nichtnegative ganze Zahl ist der Binomialkoeffizient „n über k“ auf folgende Weise definiert:

wobei die Fakultät von bezeichnet. Das leere Produkt () ist dabei .

Handelt es sich bei um eine nichtnegative ganze Zahl mit , so kann man die aus der Kombinatorik bekannte Definition verwenden:

Eigenschaften

Wird außer auch auf nichtnegative ganze Zahlen eingeschränkt, so gilt:

  • ist stets eine nichtnegative ganze Zahl.
  • Ist dabei , so gilt
  • (für ist der rechte Summand ).

Im allgemeinen Fall reeller oder komplexer Werte für können einige der hier angeführten Ausdrücke undefiniert im oben angegebenen Sinn werden, falls nämlich nicht mehr ganz und nichtnegativ sein sollte; das betrifft die Aussagen , und . Es zeigt sich jedoch, dass diese Aussagen korrekt werden, wenn man entsprechend der untenstehenden analytischen Verallgemeinerung über die Betafunktion auch für komplexe Werte zulässt.

Symmetrie der Binomialkoeffizienten

Ganzzahlige Binomialkoeffizienten sind symmetrisch im Sinne von

für alle nichtnegativen und .

Beweis
Beispiel

Rekursive Darstellung und Pascalsches Dreieck

Für den Binomialkoeffizienten nichtnegativer ganzer Zahlen und hat man folgende rekursive Darstellung:

Diese Formel eignet sich auch, um alle Binomialkoeffizienten bis zu einer vorgegebenen Schranke für zu bestimmen, ein Schema dazu ist das Pascalsche Dreieck: Dort entspricht sie der Konstruktionsvorschrift, dass jede Zahl die Summe der beiden über ihr stehenden Zahlen ist (in der Formel oben durch ersetzen):

oder andersherum ( durch ersetzen):

Beweis:

Den Koeffizienten findet man dabei in der -ten Zeile an der -ten Stelle (beide ab Null gezählt!):

Pascalsches Dreieck (bis zur 8. Zeile)

Das gleiche Dreieck dargestellt in den Binomialsymbolen:








Algorithmus zur effizienten Berechnung

Für ganzzahlige existiert ein effizienter Algorithmus, der die Produktformel

des Binomialkoeffizienten anwendet. Auf Grund des stetigen Wechsels zwischen Multiplikation und Division wachsen die Zwischenergebnisse nicht unnötig an. Zusätzlich sind auch alle Zwischenergebnisse natürliche Zahlen.

Um unnötigen Rechenaufwand zu vermeiden, berechnet man im Fall den Binomialkoeffizienten:

Der folgende Pseudocode verdeutlicht die Berechnung:

binomialkoeffizient(n, k)
1  wenn k == 0 dann rückgabe 1
2  wenn 2*k > n dann rückgabe binomialkoeffizient(n, n-k)
3  ergebnis = n - k + 1
4  von i = 2 bis k
5      ergebnis = ergebnis * (n - k + i)
6      ergebnis = ergebnis / i
7  rückgabe ergebnis

Die Rechenmethode nutzen auch Taschenrechner, wenn sie die Funktion anbieten. Sonst wäre die Rechenkapazität für erschöpft. Die Beschriftung der Funktionstaste mit nCr beschreibt die Reihenfolge der Eingabewerte in Infixnotation; zunächst Anzahl der Elemente n, dann die Funktionstaste Combinations, dann Anzahl der gewählten Objekte r (im Artikel mit k abgekürzt).

Die Berechnung nPr (engl. Permutations) berücksichtigt die Permutationen der r Elemente, die Division durch unterbleibt:

.

Der Binomialkoeffizient in der Kombinatorik

Die kombinatorische Definition von als Anzahl der -elementigen Teilmengen einer -elementigen Menge spielt in der abzählenden Kombinatorik eine zentrale Rolle.

Sie kann anschaulich etwa so gedeutet werden: Zunächst zählt man alle -Tupel mit paarweise verschiedenen Elementen, die sich aus der -elementigen Ausgangsmenge zusammenstellen lassen. Es gibt Möglichkeiten der Wahl des ersten Tupel-Elements. Nach jeder beliebigen Wahl dieses ersten gibt es nur noch Wahlmöglichkeiten für das zweite Element, nach dessen Wahl nur noch für das dritte usw. bis hin zu Wahlmöglichkeiten für das -te und letzte Tupel-Element. Die Anzahl aller so zusammengestellten -Tupel ist also das -stellige Produkt , das sich mit Hilfe der Fakultät auch als notieren lässt. Nun sind aber genau je der gezählten -Tupel Permutationen voneinander und entsprechen daher ein und derselben -elementigen Teilmenge. Nach Division durch diese Zähl-Vielfachheit ergibt sich also tatsächlich als die gesuchte Teilmengenanzahl.

Eine andere, symmetrischere Veranschaulichung betont nicht den Akt der Auswahl von aus Elementen, sondern den Aspekt der Zerlegung in zwei Teilmengen aus und Elementen. Angenommen, ein -elementiges Ausgangstupel bestehe aus roten und weißen irgendwie aufgereihten Elementen. Bildet man alle Permutationen dieser Aufreihung, so sind je davon farblich ununterscheidbar, denn je Permutationen der roten Elemente untereinander ändern nichts an der Farbsequenz, ebenso wenig wie je davon unabhängige Permutationen innerhalb der weißen. Es gibt also nur farblich verschiedene Sequenzen der Länge mit allen möglichen unterschiedlichen Belegungen durch je rote Elemente. Jede Sequenz lässt sich nun aber eineindeutig einer der -elementigen Teilmengen einer -elementigen Menge zuordnen. Dasselbe gilt wegen der Symmetrie von rot und weiß oder von und auch für die komplementären -elementigen Teilmengen. Die Gesamtzahl dieser Teilmengen ist damit je .

Die Menge aller -elementigen Teilmengen einer Menge wird wegen ihrer Mächtigkeit gelegentlich auch mit bezeichnet. Damit gilt für jede endliche Menge :

Beispiel

Die Anzahl der möglichen Ziehungen oder Tippscheine beim deutschen Lotto 6 aus 49 (ohne Zusatzzahl oder Superzahl) ist

Es gibt hier offensichtlich genau eine Möglichkeit, 6 Richtige zu tippen. zählt die Möglichkeiten für 0 Richtige, nämlich alle 6 Tipps aus den 43 Falschen zu wählen. Die Anzahl verschiedener Tipps mit 5 Richtigen ergibt sich sehr einfach zu 6 ⋅ 43 = 258, denn es gibt 6 Möglichkeiten, nur 5 der 6 gezogenen Zahlen zu tippen (oder eine davon auszulassen), und dann jeweils 43 = 49 − 6 Möglichkeiten, den ausgelassenen Tipp auf eine der 43 falschen Zahlen zu setzen. Allgemein ergibt sich die Anzahl der verschiedenen Tipps mit r Richtigen bei 6 aus 49 mit derselben Überlegung zu . Bei 6, 0 und 5 Richtigen fällt kaum auf, dass die verwendeten Faktoren , und eigentlich einfache Binomialkoeffizienten sind. Die Summe aller genannten Tippzahlen ergibt natürlich die Gesamtzahl 13983816 aller möglichen Tipps – das folgt aus der unten angegebenen Vandermondeschen Identität.

Die Wahrscheinlichkeit für 6 mit einem Tipp erzielte Richtige ist also 1 ⁄ 13983816, die für 5 Richtige ist 258 ⁄ 13983816. Für 0 Richtige ergeben sich mit 6096454 ⁄ 13983816 schon etwa 44 %. Die allgemeine Wahrscheinlichkeit für r Richtige ist ein Spezialfall der Hypergeometrischen Verteilung, die gerade drei Binomialkoeffizienten derart kombiniert.

Kombinatorische Beweise

Die kombinatorische Deutung erlaubt auch einfache Beweise von Relationen zwischen Binomialkoeffizienten, etwa durch doppeltes Abzählen. Beispiel: Für gilt:

Beweis: Es sei eine -elementige Menge und ein festes Element. Dann zerfallen die -elementigen Teilmengen von in zwei Klassen:

  • die Teilmengen, die enthalten; sie bestehen also aus zusammen mit einer -elementigen Teilmenge der -elementigen Menge ,
  • die Teilmengen, die nicht enthalten; sie sind -elementige Teilmengen der -elementigen Menge .

Ausdrücke mit Binomialkoeffizienten

Summen mit Binomialkoeffizienten

Dieser Formel liegt ein kombinatorischer Sachverhalt zu Grunde. Da die Anzahl aller -elementigen Teilmengen einer -elementigen Menge ist, ergibt sich durch die Summation die Anzahl aller ihrer Teilmengen, also . Die Formel lässt sich auch aus dem binomischen Lehrsatz herleiten, indem man setzt.

Summen mit alternierenden Binomialkoeffizienten

für .

Diese Formel folgt für ungerade aus der Symmetrie des Binomialkoeffizienten. Für beliebige lässt sie sich aus dem binomischen Lehrsatz herleiten, indem und (oder und ) gesetzt wird.

Summe verschobener Binomialkoeffizienten

Vandermondesche Identität

Es gibt auch hier ein kombinatorisches Argument: Die rechte Seite entspricht der Anzahl von -elementigen Teilmengen einer -elementigen Menge von Kugeln. Man kann sich nun vorstellen, dass die Kugeln zwei verschiedene Farben haben: Kugeln seien rot und Kugeln grün. Eine -elementige Teilmenge besteht dann aus einer gewissen Anzahl von roten Kugeln und vielen grünen. Für jedes mögliche gibt der entsprechende Summand auf der linken Seite die Anzahl der Möglichkeiten für solch eine Aufteilung in rote und grüne Kugeln an. Die Summe liefert die Gesamtzahl. Ein oft als einfacher empfundener Beweis verwendet den Binomischen Lehrsatz in der Form

sowie Ansatz

und Koeffizientenvergleich.

Im Spezialfall ergibt sich aus der Vandermondeschen Identität folgende Formel für die Quadratsummen

.

Divisionsreste

Ist eine Primzahl, und , dann ist

Das heißt, modulo kann mit Hilfe der Darstellungen von und zur Basis effizient berechnet werden, nämlich "ziffernweise".

Binomialkoeffizienten in der Analysis

Verallgemeinerung

Eine Verallgemeinerung, die in der Analysis eine Rolle spielt, erhält man, wenn man für eine beliebige komplexe Zahl zulässt, aber weiterhin als ganzzahlig voraussetzt. In diesem Fall ist

der Binomialkoeffizient „ über “ (das leere Produkt im Fall ist definiert als 1). Diese Definition stimmt für nichtnegative ganzzahlige mit der kombinatorischen Definition (also der Definition von als die Anzahl aller -elementigen Teilmengen einer festen -elementigen Menge) überein, und für nichtnegative mit der algebraischen Definition (also der Definition von als das Produkt ).

Beispielsweise ist

und

Auch der zweite Parameter lässt sich auf beliebige komplexe Belegung verallgemeinern, wenn mit Hilfe der Betafunktion für definiert wird:

wobei die Gammafunktion bezeichnet. Ist dabei oder eine negative ganze Zahl, so ist der Wert der rechten Seite 0, weil die nichtpositiven ganzen Zahlen die (einzigen) Polstellen von sind.

Ersichtlich gilt weiterhin die Symmetriebeziehung

.

Insbesondere:

,
,

und bei nichtnegativem ganzem

.

Um das Vorzeichen aus dem ersten Parameter zu extrahieren, sofern er ganzzahlig ist, lässt sich die Relation

angeben.

Allgemein gilt für komplexe , die Beziehung

.

Eine weitere Verallgemeinerung bieten die Multinomialkoeffizienten, die bei der Verallgemeinerung des binomischen auf den multinomialen Lehrsatz benötigt werden.

Binomische Reihen

Für und mit erhält man die Beziehung

welche eine Verallgemeinerung der geometrischen Reihe darstellt und zu den binomischen Reihen gehört.

Ist , sowie , konvergiert die folgende Reihe gemäß

(Für exaktere Bedingungen für und siehe Artikel Binomische Reihe.)

Summenausdruck für die Betafunktion

Eine weitere Beziehung kann man für alle relativ einfach mit vollständiger Induktion beweisen,

woraus unmittelbar die Symmetrie

folgt. Eine Verallgemeinerung für mit und lautet

Gaußsche Produktdarstellung für die Gammafunktion

Mit der letzten Formel aus dem vorherigen Abschnitt ist für

Betrachtet man den Fall , ersetzt die Brüche in der Summe durch Integrale gemäß

und fasst die Summe der Potenzen den binomischen Formeln entsprechend zusammen, erhält man

wobei beim letzten Integral die Substitution angewendet wurde. Schließlich hat man die Gleichung

woraus sich durch den Grenzübergang direkt die Gaußsche Produktdarstellung der Gammafunktion,

ergibt.[1]

Digammafunktion und Euler-Mascheroni-Konstante

Für mit gilt

was sich ebenfalls über Induktion nach beweisen lässt. Für den Spezialfall vereinfacht sich diese Gleichung zu

wobei die Folge der Harmonischen Zahlen, also der Partialsummen der Harmonischen Reihe ist. Die Umwandlung der linken Summe in eine Reihe (Limit statt ) ist dabei erlaubt wegen für

ist andererseits darstellbar als

mit der Digammafunktion und der Euler-Mascheroni-Konstanten

kann auf komplexe Werte - außer auf negative ganze Zahlen - fortgesetzt werden. Man bekommt so die Reihe

als komplexe Interpolation der Folge der Harmonischen Zahlen.

Referenzen

  1. Disquisitiones generales circa seriem infinitam 1+…, 1813, S. 26 (auch in Carl Friedrich Gauß: Werke. Band 3, S. 145)

Weblinks

Commons: Binomialkoeffizient – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien