Breonen

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„Breuni“ in der römischen Provinz Raetia (gelb)
Die „Breuni“ unter den Stämmen in den neuen römischen Provinzen 14 n. Chr.

Die Breonen, Breunen oder Breuni waren ein antiker Stamm auf dem Gebiet des heutigen Tirol. Die Breonen werden in verschiedenen antiken Texten erwähnt, häufig in engem Zusammenhang mit den Genaunen. In älterer Literatur wurden sie gerne den Kelten zugeordnet, was aber nicht mit archäologischen Befunden zusammenpasst. Plausibler erscheint eine Zugehörigkeit zu den Rätern, es gibt jedoch auch abweichende Theorien. Im Verlauf der Antike wurden die Breonen nach und nach romanisiert.

Man lokalisiert sie im zentralen Tirol, also im mittleren Inntal, im vorderen Stubai- und im Wipptal nördlich und südlich des Brenners (dessen Namensursprung aber nichts mit ihnen zu tun hat[1]).

Sie gehören zu den Stämmen, die Drusus, ein Stiefsohn des Kaisers Augustus, bei seinem Eroberungszug 15 v. Chr. bezwang. Sie finden sich daher auch in der Liste der Stämme erwähnt, die Augustus auf der Inschrift am Tropaeum Alpium in La Turbie oberhalb von Monaco zum Gedenken an diesen Alpenfeldzug anfertigen ließ.[2]

Horaz erwähnt sie in einer den Feldzug feiernden Ode (Carm. 4,14,9ff.), woraus man auf ihren herausragenden Widerstand schließen könnte: milite nam tuo/ Drusus Genaunos, inplacidum genus/ Breunosque velocis et arcis/ Alpibus inpositas tremendis/ deiecit … („Denn mit deinem Heer warf Drusus die Genaunen, ein friedloses Volk, und die schnellen Breunen sowie die auf den fürchterlichen Alpenhöhen liegenden Burgen nieder“).[3]

Nach der Eroberung Italiens durch die Ostgoten wurden die schon zuvor wehrpflichtigen Grenztruppen der Breonen nördlich des Brenners zu einheimischen Foederaten des Ostgotenreiches.[4] Später verbündeten sie sich mit den Bajuwaren gegen eindringende Langobarden und Slawenstämme.[5] Die Bajuwaren lösten in fränkischem Auftrag 540 die Breonen als Wächter der Alpenpässe ab.[6]

Um die Mitte des 6. Jahrhunderts erwähnt der fränkische Chronist Gregor von Tours die Breonen und das „regio Brionum“. Auch Venantius Fortunatus schreibt über die Breonen in seinem Epos über das Leben des heiligen Martin im Rahmen einer Reisebeschreibung von 565/66, die von Rhein und Donau nach Süden über den Inn und die Alpen führt. Er schildert ihre Siedlungen am Inn und ihren befestigten Hauptort Imst, das antike oppidum Humiste.[7]

Ein spätes Zeugnis der Breonen lässt sich 765 n. Chr. in die Nähe von Zirl lokalisieren. Bischof Arbeo von Freising berichtet von dem reichen Gutsbesitzer freien Standes (nobilis), Dominicus, der bei den „Preonenes“ im Oberinntal wohnt und seiner Abkunft und seines Aussehens nach ein Romanus war.[8]

Die letzten Erwähnungen finden sich in den Quarti(nus)-Urkunden von 827/28 n. Chr. im Sterzinger Raum;[9] der dortige Gutsbesitzer Quarti(nus) bezeichnete sich selbst als ego Quarti nationis Noricorum et Pregnariorum – also als breonischen Nurihtaler – und stiftete seinen Besitz in Bozen, Sterzing und im Unterinntaler Raum an das Kloster Innichen.[10] Es gab damals offenbar noch eine Führungsschicht der bairischen Romanen, die sich zu ihrer breonischen Herkunft und gentilen Gemeinschaft bekannte.[11] Die langbezeugte Existenz der Breonen vom 1. bis ins 9. Jahrhundert zeigt, dass – trotz der zahlreichen großen Umbrüche mindestens bis zum Aussterben der Agilolfinger – hier eine selbst- und traditionsbewusste Ethnie existierte.[12] In der Folge der bajuwarischen Alpenbesiedlung gingen die Breonen schließlich in diesen auf.[13]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Karl Finsterwalder, Hermann M. Ölberg (Hrsg.): Tiroler Ortsnamenkunde. Gesammelte Aufsätze und Arbeiten Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte. Band 2: Einzelne Landesteile betreffende Arbeiten, Inntal und Zillertal. Wagner, Innsbruck 1990, ISBN 3-7030-0222-0, S. 232.
  2. Plinius der Ältere, Naturalis historia 3, 136.
  3. Franz Schön: Der Beginn der römischen Herrschaft in Rätien. Thorbecke, Sigmaringen 1986, ISBN 3-7995-4079-2, S. 124.
  4. Herwig Wolfram: Geschichte der Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. 4. Auflage, Beck, München 2001, ISBN 3-406-33733-3, S. 20 und 316.
  5. Raimund von Klebelsberg zu Thumburg (Hrsg.): Festschrift zu Ehren Emil von Ottenthals. (= Schlern-Schriften 9) Wagner, Innsbruck 1925, S. 405.
  6. Herwig Wolfram: Ethnogenese im frühmittelalterlichen Donau- und Ostalpenraum (6. bis 10. Jh.). In: Helmut Beumann, Werner Schröder (Hrsg.): Frühmittelalterliche Ethnogenese im Alpenraum. Thorbecke, Sigmaringen 1985, ISBN 3-7995-6105-6, S. 97–151.
  7. Heinz Dopsch: Zum Anteil der Romanen und ihrer Kultur an der Stammesbildung der Baiuwaren. In: Hermann Dannheimer (Hrsg.): Die Bajuwaren. Von Severin bis Tassilo 488–788. Gemeinsame Landesausstellung des Freistaates Bayern und des Landes Salzburg. Prähistorische Staatssammlung, München 1988, S. 47–55, hier: S. 51.
  8. Andreas Otto Weber: Studien zum Weinbau der altbayerischen Klöster im Mittelalter. Altbayern, österreichischer Donauraum, Südtirol. (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beiheft 141), Steiner, Stuttgart 1999, ISBN 3-515-07290-X, S. 65; und Walter Leitner, Josef Fontana: Geschichte des Landes Tirol. Band 1: Von den Anfängen bis 1490. Athesia, Bozen 1985, ISBN 88-7014-390-2, S. 235.
  9. Anselm Sparber: Die Quartinus-Urkunde von 827/28. In: Festschrift für Konrad Fischnaler. (= Schlern-Schriften 12) Innsbruck, Universitätsverlag Wagner 1927, S. 176–185.
  10. Hannes Obermair: Das Recht der tirolisch-trientinischen ‚Regio‘ zwischen Spätantike und Frühmittelalter. In: Concilium Medii Aevi 9 (2006), S. 141–158, hier: S. 151. DOI:10.2364/1437905809107
  11. Herwig Wolfram (Hrsg.): Die Geburt Mitteleuropas. Kremayr und Scheriau, Wien 1987, ISBN 3-218-00451-9, S. 337.
  12. Wilhelm Störmer: Die Baiuwaren. Von der Völkerwanderung bis Tassilo III. C.H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-47981-2, S. 97.
  13. Manfred Menke: Die bairisch besiedelten Landschaften im 6. und 7. Jahrhundert nach den archäologischen Quellen. In: Hermann Dannheimer (Hrsg.): Die Bajuwaren. Von Severin bis Tassilo 488–788. Gemeinsame Landesausstellung des Freistaates Bayern und des Landes Salzburg. Prähistorische Staatssammlung, München 1988, S. 70–78, hier: S. 73.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Anreiter: Breonen, Genaunen und Fokunaten. Archaeolingua Alapítavány, Budapest 1997, ISBN 963-8046-18-X.
  • Friedrich Schipper: Die Christianisierung der Breonen und der Baiuwaren im Tiroler Inland. Diplomarbeit, Wien 1996.
  • Albert Jäger: Über das rhätische Alpenvolk der Breuni oder Breonen. In: Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 42,10. Gerold, Wien 1863, S. 351–440.