Centovallibahn

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Locarno–Camedo
Triebwagen der Centovallibahn in Ponte Brolla
Triebwagen der Centovallibahn in Ponte Brolla
Streckennummer (BAV):623 (Locarno–Locarno S. Antonio)
622 (Locarno S. Antonio–Ponte Brolla)
621 (Ponte Brolla–Ribellasca Confine)
Fahrplanfeld:620
Streckenlänge:51,25 km
Spurweite:1000 mm (Meterspur)
Stromsystem:1200 V =
Maximale Neigung: 60 
Minimaler Radius:50 m
Höchstgeschwindigkeit:60 km/h
Anschluss SBB von Bellinzona
0.0 Locarno FART 198 m ü. M.
Funicolare Locarno–Madonna del Sasso
Azienda Gas & Macello
1,3 Galleria Kreuzungsstelle 212 m ü. M.
Piazza Castello
1,9
0,0
Locarno S. Antonio 207 m ü. M.
0,8 Solduno 215 m ü. M.
Galleria (2590 m)
1,4 Solduno S. Martino 222 m ü. M.
Sass Gott (20 m)
3,5 Ponte Brolla 254 m ü. M.
Maggia (34 m)
3,6
0,0
ehem. Maggiatalbahn, heute Depot
0,9 Tegna 255 m ü. M.
1,9 Verscio 274 m ü. M.
2,6 Cavigliano 296 m ü. M.
Güra (33 m)
Isorno (128 m)
4,7 Intragna 339 m ü. M.
Dirinei (311 m)
7,1 Corcapolo 463 m ü. M.
Frana di Corcapolo (343 m)
Valascia (15 m)
Valle d'Ingustria
Valle d'Ingustria (53 m)
Monda di fuori (17 m)
Monda di dentro (70 m)
Sassalto di fuori (35 m)
Sassalto di dentro (45 m)
Val Chiara (35 m)
Vergugno (112 m)
9,5 Verdasio 531 m ü. M.
Riale della Segna (46 m)
Gaggetto di fuori (36 m)
Gaggetto di dentro (307 m)
Riale di Verdasio (206 m)
11,1 Palagnedra 533 m ü. M.
Vignascia (185 m)
Cadanza (200 m)
12,0 Borgnone-Cadanza 546 m ü. M.
Mött da Varda (57 m)
Tries (33 m)
Ruinacci (35 m)
Ruinacci
13,1 Camedo 549 m ü. M.
13,7
32,3
Ribellasca Confine (Grenze CH–IT)
SSIF nach Domodossola

Die Centovallibahn führt von Locarno im schweizerischen Kanton Tessin durchs Centovalli bis an die italienische Grenze. Weiter führt sie durchs Valle Vigezzo als Vigezzina bis nach Domodossola in der italienischen Provinz Verbano-Cusio-Ossola. Sie verbindet die Gotthardbahn mit der Simplonstrecke.[1]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Links BCFe 4/4 11 der Ferrovie Regionali Ticinese (FRT) im Jahr 1949 in Locarno, daneben der BCFe 4/4 2 der Maggiatalbahn.
Triebwagen in oranger VST-Ein­heitslackierung an der Endhaltestelle vor dem SBB-Bahnhof Locarno, 1986

Wie die ehemalige Maggiatalbahn und die Standseilbahn Locarno–Madonna del Sasso ist auch die Centovallibahn auf die Initiative des Stadtpräsidenten von Locarno, Francesco Balli, gegen Ende des 19. Jahrhunderts zurückzuführen. Nachdem der Erste Weltkrieg die 1912 aufgenommenen Bauarbeiten verzögert hatte, konnte die Strecke am 25. November 1923 offiziell eröffnet werden.[2]

Die internationale Bahn wird auf Schweizer Seite von der Bahngesellschaft Ferrovie autolinee regionali ticinesi (FART), auf italienischer Seite, wo die Bahn Ferrovia Vigezzina-Cent genannt wird, von der Società subalpina di imprese ferroviarie (SSIF) betrieben. Dem Betrieb liegt ein Staatsvertrag zwischen dem Schweizer Bundesrat und dem König von Italien, Vittorio Emanuele III., vom 12. November 1918 zugrunde.[3]

Am 7. und 8. August 1978 erlitt die Strecke schwere Schäden durch Hochwasser, insbesondere auf dem italienischen Abschnitt, wo zwei Brücken zerstört und mehrere hundert Meter Gleis weggeschwemmt wurden. Erst im Sommer 1980 konnte der internationale Verkehr wieder aufgenommen werden.

Bis 1990 war die Piazza della Stazione, der Bahnhofplatz von Locarno, Endstation. Seitdem ist der unterirdische Bahnhof in Betrieb. Die heutige unterirdische Strecke zwischen der Endstation und der Station San Martino wurde von 1983 bis 1990 gebaut. Der am 17. Dezember 1990 eröffnete[4] Tunnel ist 2791 m lang und hat zusätzlich zwei Haltestellen (San Antonio, Solduno). Der erste 1512 m lange Abschnitt (Locarno – San Antonio) wurde bergmännisch aufgefahren, der verbleibende Teil (San Antonio – Solduno – San Martino) entstand in offener Bauweise. Statt der veranschlagten 38 Millionen Franken, verschlang der Neubau um die 130 Millionen Franken.

Linienführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ruinacci-Viadukt bei Camedo

Ausgehend von Bahnhof Locarno führt die Bahnlinie unterirdisch bis zum Haltepunkt S. Martino, wo die Tunnelstrecke endet. In Ponte Brolla verlässt die Trasse das Maggiatal und durchquert in westlicher Richtung das Pedemonte bis nach Intragna. Hier beginnt das eigentliche Centovalli, das bis zur Grenze nach Italien bei Camedo so genannt wird, gleichzeitig beginnt hier der stärkere Anstieg der Strecke. Nach der Grenze durchfährt die Bahn das Valle Vigezzo mit den grösseren Orten Re, Malesco und Santa Maria Maggiore, wo mit 836 m der höchste Punkt erreicht wird.

Es folgt ein zunächst sanfter, dann immer steilerer Abstieg entlang der südlichen Talflanke bis zur Station Trontano. Zwischen Trontano und Masera im Tal des Toce erreicht die Strecke das maximale Gefälle von 60 Promille und die kleinsten Kurvenradien mit 50 m. Nach kurzer Querung des Tocetals wird die unterirdische Endstation unter dem Bahnhof Domodossola erreicht.

Bahnhof Verdasio

Im Schweizer Abschnitt hat die Linie 14 Stationen und Haltestellen, auf der italienischen Seite insgesamt 19, wobei die Halte zwischen Re und der Landesgrenze allerdings nur noch sporadisch bedient werden. Es besteht kein über den ganzen Tag durchgängiger Taktfahrplan. Die Fahrt über die ganze Strecke dauert etwa eine Stunde und 45 Minuten.

Die ersten vier Jahre wurden zwischen dem Bahnhof Locarno und S. Antonio die bestehenden Gleise des Locarneser Trams über die Piazza Grande mitbenutzt. 1927 wurde für Centovalli- und Maggiatalbahn eine eigene Strecke eröffnet, die die Innenstadt umfuhr.[5] 1990 wurde der Tunnel zwischen Bahnhof Locarno und S. Martino eröffnet. Von beiden früheren Linienführungen sind im Strassenbelag noch eingelassene Schienen zu sehen.

Technik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Schmalspurbahn hat eine Spurweite von 1000 mm und wird seit ihrer Eröffnung mit 1200 Volt Gleichstrom betrieben. Die Fahrleitungsgrenzspannung beträgt heute zwischen 840 und 1620 Volt,[6] was einer Nennspannung von 1350 Volt entsprechen würde, wobei offiziell die Spannung nie erhöht wurde. Die Gleichrichterstationen befinden sich in Ponte Brolla, Intragna, Verdasio, Re und Trontano. Während die Schweizer Teilstrecke bereits 1963 mit Lichtsignalen und Streckenblock ausgerüstet wurde, konnte die notorisch finanzschwache SSIF ihren Abschnitt erst Ende der 1990er diesem technischen Stand anpassen.

Rollmaterial[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Verkehr auf der Centovallibahn wird ausschliesslich mit Triebwagen und Triebzügen geführt.

Siehe auch: Liste von Fahrzeugen auf der Centovallibahn.

Die Hauptlast übernahmen bis 2007 (Inbetriebnahme der 3 vierteiligen SSIF-Panoramatriebzüge 81–89/810–812) die 12 Doppeltriebwagen ABe 4/6 von Vevey Technologies aus dem Jahre 1992. 8 dieser Fahrzeuge sind bei der FART (ABe 4/6 51–58, 57–58 ursprünglich Ae 4/6, 51 ausgebrannt am 15. Januar 2009, 55–58 Umbau zu ABe 4/8 2011) und 4 bei der SSIF eingestellt (ABe 4/6 61–64). Daneben werden die ABDe 6/6 31–32 der FART und die ABe 8/8 21–24 der SSIF teilweise auch im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt. Der Lokalverkehr der SSIF wird durch die ABe 6/6 33–35 (ex Ferrovia Lugano-Ponte Tresa) bewältigt. Der Fahrzeugpark wird durch 4 Personenwagen der FART (B 120–123) und einige der SSIF (AB 105, B 106–107, A 130 & A 201) sowie durch historische Fahrzeuge ergänzt (AB 110–111). Bei der FART wird ein Tm 2/2 9 für den Bahndienst eingesetzt; bei der SSIF die ABFe 4/4 16 und Be 4/4 18 (Squadra Manutenzione). Der ABFe 4/4 17 dient den historischen Zügen.

Ab November 2024 sollen neue Züge in Betrieb genommen werden. Der Auftrag über die vier vierteiligen und vier dreiteiligen Züge wurde Ende Dezember 2020 an Stadler Rail vergeben. Das BAV unterstützt die Beschaffung. Die FART begründet die vollständige Ablösung der Bestandsflotte in erster Linie mit dem BehiG, dessen Vorgaben mit den vorhandenen, rund 25 Jahre alten ABe 4/6 und ABe 4/8 nicht einzuhalten sind.[7][8]

Tarifliche Besonderheiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weil die Bahnstrecke Locarno-Domodossola zusammen mit der Simplonlinie die schnellste Verbindung zwischen dem Tessin und dem Wallis sowie zwischen der Region Locarno und der Romandie sowie (seit Eröffnung des Lötschberg-Basistunnels) dem Berner Oberland darstellt, sind die meisten Schweizer Tarife des direkten Verkehrs durchgehend auch auf der SSIF von der schweizerisch-italienischen Grenze nach Domodossola sowie der FS-Strecke Domodossola–Iselle gültig, insbesondere Halbtaxabonnement und Generalabonnement.

Für Touristen gibt es spezielle Tageskarten Biglietto Turistico, die eine Fahrtunterbrechung in Fahrtrichtung erlauben. Auf der Schweizer Seite gibt es diese für die Gesamtstrecke zu CHF 29,- (Stand Januar 2024)[9]. Auf der Italienischen erhält man die Gesamtstrecke einschließlich der Standseilbahn in Locarno zur Madonna del Sasso für 27 €[10], ohne Standseilbahn für € 17,- (hin und zurück für 23€). Von den Orten des Valle Vigezzo kostet die Verbindung von Bahn und Standseilbahn 22€, die einfache Hin- und Rückfahrt ohne Seilbahn 18€ (Stand 2016).[11] Außerdem gibt es noch weitere Angebote und Kooperationstickets.

Für die Fahrt mit den von der SSIF neu angeschafften Panoramazügen wird auf dem italienischen Abschnitt[12] ein Zuschlag in Höhe von derzeit (2016) CHF 1,50 bzw. € 1,50 erhoben.

Auf der Schweizer Seite gibt es für Übernachtungsgäste das Ticino Ticket kostenlos, wodurch sich das Biglietto Turistico weiter vergünstigt. Die Fahrt bis Camedo ist kostenfrei enthalten.[13]

Die Fahrradmitnahme ist nicht zulässig.[14] Es besteht aber die Möglichkeit, Fahrräder in Camedo zu mieten und in Ponte Brolla wieder abzugeben. Dafür werden Kombitickets Bahnfahrt/Fahrradmiete angeboten.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Alessandro Albé: Die Bahn von Locarno nach Domodossola. Viganello 1988.
  • Carlo Weder, Peter Pfeiffer: Centovalli und Valle Vigezzo – Bahn, Land und Leute. Zürich 1997, ISBN 3-905111-23-3.
  • Peter Hürzeler / Philippe Blaser: Bahn-Jahrbuch Schweiz 2008. Bäretswil 2008, ISBN 978-3-906691-36-7: Artikel Vier neue Panoramatriebzüge im Centovalli

Digitale Medien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Domodossola–Locarno railway – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hundert Jahre Centovallibahn: Die tollkühne Spur zum gelassenen Reisen In: Neue Zürcher Zeitung vom 24. November 2023
  2. https://www.vigezzinacentovalli.com/chi-siamo/storia.html
  3. admin.ch – Übereinkommen zwischen der Schweiz und Italien betreffend eine elektrische Schmalspurbahn von Locarno nach Domodossola (Memento des Originals vom 14. November 2005 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.admin.ch (PDF-Datei; 15 kB)
  4. Locarno: Tunnel der Centovallibahn eröffnet in: Stadtverkehr7/1991, S. 31 f.
  5. Hans G. Wägli, Schienennetz Schweiz. AS-Verlag, Zürich 1998, ISBN 3-905111-21-7. Seite 35
  6. Schweizerische Eisenbahn-Revue 11/1992, Seite 495
  7. Matthias Rellstab: Neues Rollmaterial für die FART. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 1. Minirex, 2019, ISSN 1022-7113, S. 12.
  8. FART bestellt neue Züge. 7. Januar 2021, abgerufen am 7. Januar 2021.
  9. Prezzi Individuali. (jpg) Società per le Ferrovie Autolinee Regionali Ticinesi (FART) SA, abgerufen am 18. Januar 2024 (italienisch).
  10. Locarno and Madonna del Sasso. Archiviert vom Original am 23. August 2016; abgerufen am 23. August 2016.
  11. International travel. Archiviert vom Original am 23. August 2016; abgerufen am 23. August 2016 (englisch).
  12. www.fahrplanfelder.ch – Offizielles Kursbuch Schweiz 2014 – Feld 620 (PDF-Datei; 219,17 kB)
  13. www.ticino.ch : Öffentlicher Verkehr – Ticino Ticket
  14. www.fahrplanfelder.ch – Offizielles Kursbuch Schweiz 2015 – Feld 620 (PDF-Datei; 219,17 kB)