Ch-101

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Ch-101

Ch-101-Marschflugkörper (rot) unter den Tragflächen einer Tu-95MSM
Ch-101-Marschflugkörper (rot) unter den Tragflächen einer Tu-95MSM

Allgemeine Angaben
Typ Marschflugkörper
Heimische Bezeichnung Ch-101, Ch-102
NATO-Bezeichnung AS-23 Kodiak[1]
Herkunftsland Sowjetunion 1955 Sowjetunion /
Russland Russland
Hersteller MKB Raduga
Entwicklung 1992
Indienststellung 2013
Einsatzzeit im Einsatz
Technische Daten
Länge 7,0 m
Durchmesser 750 mm
Gefechtsgewicht 2200–2400 kg
Spannweite 4400 mm
Antrieb TRDD-50 oder 36MT-Turbojet
Geschwindigkeit 190–270 m/s (Mach 0,55–0,79)[2]
Reichweite 3000–4000 km
Ausstattung
Lenkung INS, GLONASS, GPS
Zielortung DSMAC
Gefechtskopf 400-kg-Splittergefechtskopf oder Nukleargefechtskopf 250 kt
Zünder programmierbarer Zünder
Waffenplattformen Tu-22M3, Tu-95MSM, Tu-160
Listen zum Thema

Der Ch-101 ist ein luftgestützter Marschflugkörper mit Tarnkappentechnik aus russischer Produktion. Der NATO-Codename lautet AS-23 Kodiak.[1]

Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1984 begannen in der Sowjetunion die ersten Studien über Marschflugkörper mit Tarnkappentechnik. Der Ch-101 sollte als Nachfolger des Ch-55 sowie als Gegenstück zur US-amerikanischen AGM-129 ACM konzipiert werden. Der Entwicklungsauftrag des „Isdelije 111“ bezeichneten Marschflugkörpers wurde dem Konstruktionsbüro Raduga (jetzt Tactical Missiles Corporation) zugesprochen.[2] Nachdem das Projekt lange Zeit stillstand, wurde es erst nach dem Zerfall der Sowjetunion 1992 fortgesetzt. Die Entwicklung erfolgte parallel zum Ch-555, einer konventionellen Ausführung des nuklearen Ch-55. Der erste Testflug fand 1998,[3] weitere 2003 und 2009 statt. Nach einer Entwicklungszeit von über 20 Jahren wurden die ersten Exemplare vermutlich 2013 an die russischen Luftstreitkräfte ausgeliefert.[4]

Technik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An dem stromlinienförmigen Rumpf sind an der Unterseite zwei ausklappbare Tragflächen angebracht. Die Lageregelung erfolgt durch drei kleine trapezförmige Steuer- und Kontrollflächen am Heck. Nach dem Abwurf vom Flugzeug entfalten sich die Flügel und das Turbojet-Triebwerk am Heck wird gestartet. Die Flugkörper können einzeln oder in Serie gestartet werden. Der Marschflug kann in einer Flughöhe von 6.000 bis 12.200 m oder im Konturenflug in einer Flughöhe von 30 bis 70 m erfolgen.[2] Die Marschgeschwindigkeit liegt bei 684–972 km/h.[5]

Die Navigation während des Marschfluges erfolgt mittels einer Trägheitsnavigationsplattform, an die ein GLONASS und -GPS-Satellitennavigationssystem gekoppelt ist. Je nach Verfügbarkeit wählt das Lenksystem automatisch eines der beiden Systeme aus. Auf der Route werden vorbestimmte Wegpunkte angeflogen, an denen die Flugroute mit einem Navigationsradar kontrolliert und korrigiert wird. Für den Zielanflug kommt der optische Otblesk-U-DSMAC-Suchkopf (Gelände-Kontur-Abgleich) zum Einsatz, welcher das angeflogene Gelände mit eingespeicherten Daten vergleicht.[6] Nach russischen Angaben erreicht der Marschflugkörper einen Streukreisradius (CEP) von 10–20 m. Weiter soll an einem Radarsuchkopf im Ku-Band sowie einem Lidar-Suchkopf gearbeitet werden. Damit sollen auch kleine und bewegliche Ziele von der Größe eines Lkws bekämpft werden können. Die Ch-101 soll wahlweise mit einem Splittergefechtskopf, einem Penetrations-Sprengkopf oder mit Streumunition bestückt werden können.[7]

Der Ch-101 ist der erste Marschflugkörper aus russischer Produktion, der sich eine Tarnkappentechnik auf Basis der Vermeidung von Rückstrahlungen zum Sender zunutze macht. Der Radarquerschnitt soll bei rund 0,01 m² liegen. Zusätzlich erschweren die geringe Flughöhe und die kleine Infrarot-Signatur eine Ortung und Bekämpfung.[5] Weiter ist im Marschflugkörper ein L-504-Täuschkörperwerfer für Chaff oder Flares verbaut.[8]

Varianten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ch-101: Version mit konventionellem Gefechtskopf; NATO-Codename: AS-23A, Reichweite 3000 km.[1]
  • Ch-102: Version mit Nukleargefechtskopf mit einer Sprengleistung von 250 kt, NATO-Codename: AS-23B, Reichweite 4000 km.[1]

Trägerflugzeuge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bürgerkrieg in Syrien seit 2011[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ch-101 wurden bislang mehrfach im Rahmen des russischen Militäreinsatzes in Syrien gegen den IS eingesetzt. Der Ersteinsatz erfolgte im November 2015; Als Startplattform dienten Tu-160-Bomber.[9] Ein weiterer Einsatz erfolgte am 17. November 2016 durch Tu-95.[10] Im Februar 2017 wurden die Marschflugkörper ein drittes Mal, diesmal gegen Ziele in der Nähe von Rakka und wiederum durch Tu-95, eingesetzt.[11]

Russischer Überfall auf die Ukraine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 starteten die Streitkräfte Russlands neben anderen Marschflugkörpern auch Ch-101 gegen Ziele in der Ukraine.[12][13][14][15] Gemäß Schätzungen sollen die Streitkräfte Russlands bis Ende 2022 über 600 Ch-101 und Ch-555-Marschflugkörper gegen Ziele in der Ukraine gestartet haben.[16] Im Januar 2023 wurde erstmals ein mit Flares ausgestatteter Ch-101 gesichtet. Im Dezember desselben Jahres wurde ein im Anflug befindlicher Ch-101 bei der Aktivierung dieser Täuschkörper gefilmt.[17]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Raduga Ch-101 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Douglas Barrie: Kh-101 missile test highlights Russian bomber firepower. In: iiss.org. International Institute for Strategic Studies (IISS), 8. Februar 2019, abgerufen am 11. März 2019 (englisch).
  2. a b c Mihajlo S Mihajlović: Rockets and Missiles Over Ukraine: The Changing Face of Battle. Frontline Books, Vereinigtes Königreich, 2023, ISBN 978-1399048101. S. 167–168.
  3. Kh-101, Kh-102 (Russian Federation), Air-to-surface missiles – Stand-off and cruise missile. Jane’s, 15. September 2010, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. Januar 2013; abgerufen am 22. Januar 2013 (englisch).
  4. Kh-101. In: deagel.com. Abgerufen am 19. November 2015 (englisch).
  5. a b Ту-160, ВВС модернизировали свой флот из далекого воздушного флота. Paralay.com, 15. September 2010, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Januar 2013; abgerufen am 22. Januar 2013 (russisch).
  6. Piotr Butowski: Russia is preparing a precision guidance revolution for its fast jet, strike, and bomber forces. Jane’s International Defence Review, August 2014, Vereinigtes Königreich, 2014.
  7. Х-101 / Х-102. military.tomsk.ru, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 15. Juli 2018; abgerufen am 21. April 2020 (russisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/military.tomsk.ru
  8. Russia Upgraded the Kh-101 Missiles With Special Traps to Break Through Ukraine's Air Defense, But With a Strange Logic. In: Defense Express. defence-ua.com, 2. Februar 2023, abgerufen am 11. September 2023 (englisch).
  9. Nicholas de Larrinaga: Russia launches long-range air sorties into Syria. In: janes.com. 17. November 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. November 2015; abgerufen am 19. November 2015 (englisch).
  10. Видео: Ту-95 впервые применили в Сирии новые ракеты. In: rg.ru. Российская газета, 18. November 2016, abgerufen am 21. November 2016 (russisch).
  11. Russian Long-Range Bombers Launch Cruise Missile Strikes on Daesh in Raqqa. In: sputniknews.com. 17. Februar 2017, abgerufen am 17. Februar 2017 (englisch).
  12. Стратегическую крылатую российскую ракету сбили из пулемета – глава Винницкой области. Abgerufen am 15. März 2022 (russisch).
  13. Avia-pro.net: Over Ukraine noticed a flying strategic missile Kh-101
  14. Min.news: Russian stealth cruise missiles appear in Ukraine!The public took a low-altitude glimpse, the shape design is very unique
  15. Thedrive.com: These Are The Standoff Missiles Russia Used To Open Its War Against Ukraine
  16. Ian Williams: Putin’s Missile War – Russia’s Strike Campaign in Ukraine. In: csis.org. Center for Strategic and International Studies (CSIS), 5. Mai 2023, abgerufen am 8. Mai 2023 (englisch).
  17. Joseph Trevithick: Russian Kh-101 Cruise Missile Filmed Firing-Off Decoy Flares. 29. Dezember 2023, abgerufen am 30. Dezember 2023 (englisch).