Christian Ludwig Bokelmann

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Christian Ludwig Bokelmann, kolorierter Holzstich nach einem Gemälde von William August Shade, 1878

Christian Ludwig Bokelmann (* 4. Februar 1844 in St. Jürgen (Lilienthal) bei Bremen; † 14. April 1894 in Berlin) war ein deutscher Genre- und Porträtmaler des Realismus und des Naturalismus in der Tradition der Düsseldorfer Schule.

Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Christian Ludwig Bokelmann, Sohn eines Lehrers und Organisten aus St. Jürgen, erlernte auf Wunsch der Eltern in Lüneburg und Hamburg-Harburg den Beruf eines Kaufmanns. Erst ab 1868, nach dem Tod seines Vaters, konnte er – seiner Neigung und dem Rat eines Hamburger Malers folgend – bis 1871 an der Kunstakademie Düsseldorf bei Ludwig Knaus und seit 1871 im Privatatelier von Wilhelm Sohn Malerei studieren. 1873 stellte er auf der Wiener Weltausstellung aus, seit 1874 auf den Berliner Akademieausstellungen, 1878 auf der Weltausstellung Paris, 1881 in Brüssel. 1877 errang er auf einer Ausstellung in Gent eine Goldene Medaille.[1] In den 1880er Jahren unternahm er – einem ethnografischen Interesse folgend, das die Düsseldorfer Schule seit Rudolf Jordan pflegte – eine ausgedehnte Studienreise durch die Marschen und Nordfriesland. 1883 besucht er erstmals Sylt. Auch die Künstlerkolonie von Katwijk suchte er auf.[2] In dieser Zeit betrieb Bokelmann verstärkt Naturstudien und Freilichtmalerei. Nach mehreren Aufenthalten in Nordfriesland und auf der Insel Föhr wandte er sich verstärkt dem traditionellen Volksleben zu.[3] Von 1892 bis 1893 wirkte Bokelmann als Professor für Genremalerei an der Kunstakademie Karlsruhe. 1893 folgte er einem Ruf an die Hochschule für bildende Künste, Berlin-Charlottenburg. Auf beiden Positionen begleitete ihn Fritz Mackensen, der Bokelmann durch Emilie Stolte kennengelernt hatte, als sein Meisterschüler und Freund.[4] Auch mit dem niederdeutschen Dichter Klaus Groth war Bokelmann befreundet. Bokelmann war Mitglied des Düsseldorfer Künstlervereins Malkasten[5] und der Preußischen Akademie der Künste, Sektion für die Bildenden Künste, Berlin (1894).[6] Er starb auf tragische Weise bei einem Sturz von einer Leiter in seinem Charlottenburger Atelier, als er einen Lorbeerkranz aufhängen wollte, den ihm dankbare Schüler zu seinem 50. Geburtstag überreicht hatten.[7] Beerdigt wurde Bokelmann auf dem alten Friedhof in Hamburg-Harburg.

Kunsthistorische Würdigung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Kunstkenner, 1879
  • Adolf Rosenberg, ein Zeitgenosse Bokelmanns, stufte ihn 1890 als Vertreter des Realismus und Naturalismus ein und befand, dass er, der „kaltblütige Meister unbestechlicher Beobachtung“, der „erste Düsseldorfer Genremaler [sei], welcher sich [der] künstlerischen Herausforderungen einer neuen Zeit gewachsen zeigte“.[8]
  • In Bokelmanns späterem Schaffen dominieren „ernste Bildthemen mit sozialkritischen Anklängen“; er überwand darin den Atelierton und fand hin zu einer „reich nuancierten Raummalerei“ (Wend von Kalnein).[9]

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abendmahl in Selsingen (1893/1894)
  • Großes Album mit 58 Zeichnungen, vor allem aus der Düsseldorfer Studienzeit, 1868–1870[11]
  • Im Trauerhause, 1873, ausgestellt auf der Wiener Weltausstellung
  • Bis in den hellen Tag hinein (Die Spieler), 1874, Salford Museum and Art Gallery, Salford/Greater Manchester, erstes anekdotisch-sozialkritisches Gemälde Bokelmanns in der Tradition von David Wilkie und Ludwig Knaus[12][13]
  • Im Leihhause, kurz vor der Eröffnung (Vorraum eines Leihhauses), 1875/1876, sozialkritisches Gemälde, das Auswirkungen des „Gründerkrachs“ von 1873 reflektiert[14][15]
  • Die Volksbank kurz vor dem Krach, 1877, Milwaukee Art Museum, ausgestellt auf der Weltausstellung Paris 1878, Darstellung einer Szene vor der Volksbank in Wien am 9. Mai 1873[16][17]
  • Bildnis Johann Baptist Paffrath, 1878, Museum Kunstpalast[18]
  • Wanderlager vor Weihnachten, 1878
  • Die Testamentsverfassung, 1879, schildert anekdotisch-psychologisch die Vorgänge um die Versöhnung einer Tochter mit ihrem Vater bei dessen Testamentsverfassung[19]
  • Der Kunstkenner, 1879
  • Letzte Augenblicke eines Wahlkampfes, 1880
  • Verhaftung einer Frau, 1881
  • Aufbruch der Auswanderer (Abschied der Auswanderer), 1882, Galerie Neue Meister, Dresden[20]
  • Im Gerichtssaal (Im Gerichtsvorsaal), 1883
  • Spielbank in Monte Carlo, 1884, „das Motiv zu einem Spiegelbilde der nervösesten Konzentration des modernen Touristen- und Abenteurerlebens“ (Adolf Rosenberg)
  • Streikversuch der Tischlergesellen, 1885
  • Nordfriesisches Begräbnis, 1887/1888[21][22]
  • Frauen in der Kirche von Nieblum, 1892, 80 × 60 cm. Museum Kunst der Westküste, Alkersum, Föhr
  • Der Dorfbrand, 1885,[23] 1886 und 1888, ungeschönte Darstellung eines Unglücks vor dem Hintergrund gewandelten Zeitgeschmacks[24]
  • Bleibergwerk in Selbeck, 1888, Nationalgalerie Berlin,[25] ungeschönte Darstellung der industriellen Arbeitswelt im Ruhrgebiet
  • Nach dem Brand (Die Bewirtung der Abgebrannten), 1893

Galerie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Christian Ludwig Bokelmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Alfred Gotthold MeyerBokelmann, Christian Ludwig. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 47, Duncker & Humblot, Leipzig 1903, S. 89 f.
  • Hans Wohltmann: Ludwig Bokelmann * 4. 2. 1844 – † 15. 4. 1894. In: Mitteilungen des Stader Geschichts- und Heimatvereins, Jg. 41, Heft 3 (1966), S. 2 f.
  • Wend von Kalnein (Hrsg.): Die Düsseldorfer Malerschule. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979, ISBN 3-8053-0409-9, S. 274 (Katalog-Nummern 37, 38)
  • Barbara Hodel: Christian Ludwig Bokelmann (1844–1894). Monographie und Werkkatalog. Europäische Hochschulschriften: Kunstgeschichte, Band 46, Verlag P. Lang, Frankfurt am Main, Bern, New York 1985, ISBN 978-3-8204-8258-4 (Inhaltsverzeichnis)
  • Ernst Schlee: Der Maler Christian Ludwig Bokelmann als Darsteller des nordfriesischen Volkslebens. In: Nordelbingen, Heft 55 (1986), S. 141 ff.
  • Rüdiger Articus, Ralf Busch: Christian Ludwig Bokelmann. Ein wiederentdeckter Volkslebenmaler des 19. Jahrhunderts. Veröffentlichungen des Hamburger Museums für Archäologie und Geschichte Harburgs, Ausgabe 68 (1994)
  • Bettina Baumgärtel (Hrsg.): Die Düsseldorfer Malerschule und ihre internationale Ausstrahlung 1819–1918. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011, ISBN 978-3-86568-702-9, Band 1: S. 44, 170, 204, 209, 225, 255, 314, 369, 371, 373; Band 2: S. 316–319 (Katalog-Nr. 266, 268)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wolfgang Cortjaens: Zwischen Institutionalisierung und individuellem Austausch. Deutsch-belgischer Kulturtransfer am Beispiel der Düsseldorfer Malerschule von 1831 bis 1865. In: Bettina Baumgärtel, Band 1, S. 170.
  2. Julia Hümme: Gregor von Bochmann (1850–1930). Leben und Werk eines deutschbaltischen Malers in Düsseldorf. Verlag Ludwig, Kiel 2007, ISBN 978-3-937719-31-3, S. 29 (online).
  3. Ulrich Schulte-Wülwer, Föhr, Amrum und die Halligen in der Kunst, Heide 2012, S. 78–80.
  4. Nicole Roth: Wie modern ist die Düsseldorfer Malerschule? In: Bettina Baumgärtel, Band 1, S. 255.
  5. Bestandsliste des Künstlervereins Malkasten (Memento vom 12. Juli 2018 im Internet Archive) im Portal malkasten.org, abgerufen am 14. September 2014.
  6. Christian Ludwig Bokelmann. Kurzbiografie im Portal adk.de, abgerufen am 14. September 2014.
  7. Wilhelm Dehlwes: Lilienthal und seine Einwohner. Band II, Selbstverlag der Gemeinde Lilienthal, 1. Auflage, 1981, S. 246 (online).
  8. Adolf Rosenberg: Christian Ludwig Bokelmann. In: Zeitschrift für bildende Kunst, Jahrgang 1890, Carl von Lützow (Hrsg.), Verlag E. A. Seemann, Leipzig, S. 3 (Digitalisat).
  9. Wend von Kalnein (Hrsg.), S. 274 (Katalog-Nummern 37, 38).
  10. Bettina Baumgärtel: Die Chronik der Düsseldorfer Malerschule. In: Bettina Baumgärtel, Band 1, S. 369.
  11. Bokelmann, Christian Ludwig: Großes Album mit 58 Zeichnungen, 1868. Webseite im Portal kettererkunst.de, abgerufen am 14. September 2014
  12. Vgl. Kathrin DuBois: Die Macht des Geldes. In: Bettina Baumgärtel, Band 2, S. 318
  13. The Gambler by Christian Ludwig Bokelmann (Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive). Webseite im Portal bbc.co.uk, abgerufen am 14. September 2014.
  14. Vgl. Kathrin DuBois: Christian Ludwig Bokelmann: Im Leihhause, kurz vor der Eröffnung, 1876. In: Bettina Baumgärtel, Band 2, S. 316
  15. Wiedergabe als Lithografie in: Die Gartenlaube, 1881, Heft 47, S. 784.
  16. Bildbeschreibung Christian Ludwig Bokelmann, Die Volksbank kurz vor dem Krach (1877). Webseite im Portal germanhistorydocs.ghi-dc.org, abgerufen am 14. September 2014.
  17. The People’s Bank Shortly Before the Crash. Webseite im Portal collection.mam.org, abgerufen am 14. September 2014
  18. Nadine Müller: „Es ist ganz kurios, hier handelt alles mit Bildern“ – Einblicke in den Düsseldorfer Kunsthandel im 19. Jahrhundert an ausgewählten Beispielen. In: Bettina Baumgärtel, Band 1, S. 314 (Abbildung 2).
  19. Vgl. zeitgenössische Bildbeschreibung in: Die Gartenlaube, 1888, Heft 18, S. 308.
  20. Christian Ludwig Bokelmann (1844-1894): Abschied der Auswanderer, 1882. Bildbeschreibung im Portal musee-imaginaire.de, abgerufen am 14. September 2014.
  21. Bildbesprechung Nordfriesisches Begräbnis (Memento vom 7. März 2016 im Internet Archive) im Portal kgi.ruhr-uni-bochum.de, abgerufen am 14. September 2014
  22. Sonja Grunow: Kinderbild um 1900. Dissertation Karlsruhe 2012, Karlsruher Schriften zur Kunstgeschichte, Band 9, LIT Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-643-12135-6, S. 395, Abbildung 5.86 (online).
  23. Dorfbrand, Bildbesprechung im Portal museen-sh.de, abgerufen am 14. September 2014.
  24. Vgl. Lilian Landers: „… ein neues Fach des Genres“ – Das sozialkritische Genrebild der Düsseldorfer Malerschule im internationalen Vergleich. In: Bettina Baumgärtel, Band 1, S. 204.
  25. Bleibergwerk in Selbeck, Webseite im Portal bildindex.de, abgerufen am 14. September 2014