Copula (Mathematik)

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Eine Copula (Pl. Copulas oder Copulae) ist eine Funktion, die einen funktionalen Zusammenhang zwischen den Randverteilungsfunktionen verschiedener Zufallsvariablen und ihrer gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsverteilung angeben kann.

Mit ihrer Hilfe kann man stochastische Abhängigkeit deutlich flexibler modellieren als beispielsweise mit Korrelationskoeffizienten.

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Copula ist eine multivariate Verteilungsfunktion , deren eindimensionale Randverteilungen gleichverteilt über dem Intervall sind. Formal ausgedrückt bedeutet dies folgendes:

  • ist multivariate Verteilungsfunktion, das heißt
    • ,
    • ist -steigend, das heißt für jedes Hyperrechteck ist das -Volumen nicht negativ: , wobei ,
  • Die eindimensionalen Randverteilungen von sind uniform auf dem Einheitsintervall: .

Die Forderung an die Randverteilungen lässt sich wie folgt motivieren: Für beliebig verteilte Zufallsvariablen mit stetigen Verteilungen ist die Zufallsvariable gleichverteilt über dem Intervall . Zusammen mit dem folgenden Satz von Sklar wird die Trennung von Randverteilungen und Abhängigkeiten unter diesen möglich.

Satz von Sklar[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Folgenden sei eine Erweiterung der reellen Zahlen.

Sei eine -dimensionale Verteilungsfunktion (Multivariate Verteilungsfunktion) mit eindimensionalen Randverteilungen . Dann existiert eine -dimensionale Copula , sodass für alle gilt:

Sind alle stetig, so ist die Copula eindeutig.

Fréchet-Hoeffding-Schranken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für jede -variate Copula gilt die untere Fréchet-Hoeffding-Schranke

und die obere Fréchet-Hoeffding Schranke

Die obere Schranke ist selbst eine Copula, die untere Schranke hingegen nur für .

Anwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Copulae werden eingesetzt, um Rückschlüsse auf die Art der stochastischen Abhängigkeit verschiedener Zufallsvariablen zu erzielen oder um Abhängigkeiten gezielt zu modellieren. Sie werden beispielsweise in der Kreditrisikoanalyse eingesetzt, um Aussagen über einen gehäuften Bankrott mehrerer Schuldner innerhalb eines Anleihenportfolios machen zu können. Analog sind Anwendungen im Versicherungsbereich üblich. Dort stellen gehäuft auftretende Schäden verschiedener Schadenarten ein finanzielles Problem dar. Beispiel hierfür ist ein zu beobachtender Zusammenhang zwischen Sturm- und Hochwasserschäden. Eine weitere zentrale Anwendung im Bereich der Finanzmathematik ist die Modellierung von operationellen Risiken und die Modellierung der Abhängigkeiten zwischen den Risikoarten (Kredit- und Marktrisiko, Versicherungsrisiko und Kreditrisiko etc.).

Beispiele für Copulae[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die empirische Copula wird aus den Daten geschätzt
  • Die einfachste Form der Copula ist die Unabhängigkeitscopula (Produktcopula)
.
Sie steht für stochastisch unabhängige Zufallsvariablen , die gemäß der Copula C verteilt sind. In Zeichen:
.
Sie beschreibt perfekte positive stochastische Abhängigkeit (totale positive Korrelation).
  • Die untere Fréchet-Hoeffding-Schranke ist nur im bivariaten Fall eine Copula:
.
Sie beschreibt eine perfekte negative stochastische Abhängigkeit zweier Zufallsvariablen.
  • Die Normal- oder auch Gauß-Copula wird mit Hilfe der Verteilungsfunktion der Normalverteilung definiert. So ist
eine Copula, wobei die bivariate Verteilungsfunktion zweier standard-normalverteilter Zufallsvariablen mit dem Korrelationskoeffizienten ist.
Erzeugt man Punkte, die gemäß der Normal-Copula mit Parameter verteilt sind, ergibt sich bereits eine leichte Konzentration dieser entlang der Winkelhalbierenden.
Simulation der bivariaten Normal-Copula, rho = 0.5, 1500 Punkte
,
wobei als Parameter fest zu wählen ist.
Erzeugt man Punkte, die gemäß der Gumbel-Copula mit Parameter verteilt sind, ergibt sich insbesondere eine Punkthäufung in der Nähe des Punktes .
Simulation der bivariaten Gumbel-Copula, lambda = 2, 1500 Punkte

Archimedische Copulae[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Archimedische Copulae stellen eine Klasse von Copulae dar. Diese lassen sich wie folgt beschreiben:

Sei eine stetige, streng monoton fallende Funktion mit . Bezeichne die Pseudo-Inverse von , d. h.

Mit Hilfe von und lässt sich nun eine bivariate Funktion definieren:

Die Funktion ist genau dann eine Copula, wenn konvex ist. In diesem Fall heißt Erzeuger oder Generator der Copula. Offensichtlich ist symmetrisch, d. h. für alle .

Beispiele für archimedische Copulae sind:

  • Gumbel-Copula: Ihr Erzeuger ist die Funktion mit Parameter .
Damit ergibt sich und damit die Gumbel-Copula wie oben.
  • Clayton-Copula: Ihr Erzeuger ist die Funktion mit Parameter .
Damit ist und die bivariate Clayton-Copula ergibt sich zu:
  • Frank-Copula: Ihr Erzeuger ist die Funktion mit Parameter .

Archimedische Copulae werden oft angewandt, da es sehr einfach ist, Zufallszahlen daraus zu generieren.

Extremwertcopula[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Copula heißt Extremwertcopula, wenn es die Copula einer multivariaten Extremwertverteilung ist, d. h. es existiert eine multivariate Extremwertverteilung mit univariaten Rändern , dass gilt .

Lemma[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Copula ist genau dann eine Extremwertcopula, wenn für und gilt .

Ist eine Extremwertcopula und sind univariate Extremwertverteilungen, dann ist eine multivariate Extremwertverteilung.

Zusammenhang zwischen Copula und T-Norm[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jede bivariate assoziative und kommutative Copula ist eine T-Norm (siehe Grabisch et al. 2009). Beispielsweise sind die bivariate Produktcopula und beide bivariaten Fréchet-Hoeffding-Schranken gleichzeitig T-Normen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Harry Joe: Dependence Modeling with Copulas (Monographs on Statistics and Applied Probability 134). CRC Press, 2015, ISBN 978-1-4665-8322-1.
  • J.-F. Mai, M. Scherer: Simulating Copulas (Stochastic Models, Sampling Algorithms and Applications). World Scientific, 2012, ISBN 978-1-84816-874-9.
  • A. Sklar: Random variables, distribution functions, and copulas – a personal look backward and forward. In: L. Rüschendorf, B. Schweizer, M. Taylor (Hrsg.): Distributions With Fixed Marginals & Related Topics. (= Lecture Notes - Monograph Series Number. 28). 1997, ISBN 0-940600-40-4.
  • Rico Fischer: Modellierung von Abhängigkeiten mit Hilfe von Copulas: Anwendung bei der Bestimmung des Value at Risk. Logos Berlin, 2009, ISBN 978-3-8325-2142-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • P. Embrechts, F. Lindskog, A. McNeil: Modelling Dependence with Copulas and Applications to Risk Management. In: S. Rachev (Hrsg.): Handbook of Heavy Tailed Distributions in Finance. Elsevier, Chapter 8, 2003, S. 329–384. (people.math.ethz.ch; PDF; 818 kB)
  • P. Embrechts, A. McNeil, D. Straumann: Correlation and dependence in risk management: properties and pitfalls. In: M. A. H. Dempster: (Hrsg.): Risk Management: Value at Risk and Beyond. Cambridge University Press, Cambridge 2002, S. 176–223. (people.math.ethz.ch; PDF; 784 kB)
  • C. Schölzel, P. Friederichs: Multivariate non-normally distributed random variables in climate research – introduction to the copula approach. In: Nonlinear Processes in Geophysics. 15, 2008, S. 761–772. (www.nonlin-processes-geophys.net open access)
  • Andreas Beck, Michael Lesko, Frank Schlottmann, Konrad Wimmer: Copulas im Risikomanagement. In: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen. 14/2006. (risknet.de)
  • Michael Lesko, Andreas Beck: Zur Modellierung von Abhängigkeiten in der Bankpraxis – Copula-Funktionen zur Ermittlung des Gesamtbankrisikoprofils. In: Betriebswirtschaftliche Blätter. 5/2006. (risknet.de)