Der Kongreß tanzt (1931)

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Film
Titel Der Kongreß tanzt
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1931
Länge 94 Minuten
Altersfreigabe
Produktions­unternehmen Universum-Film AG
Stab
Regie Erik Charell
Drehbuch Norbert Falk, Robert Liebmann
Produktion Erich Pommer
Musik Werner Richard Heymann
Kamera Carl Hoffmann
Schnitt Viktor Gertler
Besetzung

Der Kongreß tanzt ist ein deutscher UFA-Spielfilm unter Regie von Erik Charell aus dem Jahr 1931. Der aufwendig produzierte Film mit Lilian Harvey, Willy Fritsch und Conrad Veidt spielt vor dem Hintergrund des Wiener Kongresses und gilt als ein Höhepunkt des deutschen Operettenfilms.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wien, 1815, während des Wiener Kongresses. Wien ist zu dieser Zeit die wichtigste Metropole Europas, wo sich die Herrscher der Welt treffen. Die junge Christel Weinzinger ist eine Handschuhmacherin. Sie bewirbt ihr Geschäft, indem sie in jede Monarchen-Kutsche, die vorbeifährt, ein Bukett Blumen mit ihrer Visitenkarte wirft. Dabei trifft sie den russischen Zaren Alexander versehentlich am Kopf. Das Bukett wird zunächst für eine Bombe gehalten und Christel eines Attentatsversuchs bezichtigt. Wegen Majestätsbeleidigung wird sie schließlich zu „25 Stockschlägen auf den blanken Hintern“ verurteilt, jedoch auf Geheiß des Zaren gerade noch rechtzeitig wieder freigelassen. Der Zar verliebt sich in Christel, und die beiden verbringen den Abend im Weingarten.

Eine Romanze entsteht, die Fürst Metternich zu seinen Gunsten benutzen möchte, da ihm daran gelegen ist, dass der Zar den Versammlungen des Kongresses fernbleibt. Ausgerechnet Pepi, der Sekretär Metternichs, der selbst in Christel verliebt ist, soll nun „die Weibergeschichten“ des Zaren unterstützen. Christel berichtet ihren Freundinnen von ihrem Erlebnis, doch die glauben ihr erst, als sie mit einer prunkvollen Kutsche zu ihrer neuen Villa abgeholt wird. Der Zar selbst, der sich nicht von Metternich einwickeln lässt, glänzt allerdings durch Abwesenheit. Stattdessen sorgt Uralsky, sein offizieller Doppelgänger und Platzhalter bei langweiligen gesellschaftlichen Verpflichtungen, im weiteren Verlauf der Handlung für einige Verwirrung sowohl bei Metternich als auch Christel.

Die Romanze wird beendet durch die Flucht Napoléon Bonapartes von der Insel Elba und seinen Marsch auf Paris. Alexander reist wie alle anderen Herrscher schnellstens ab. Christel bleibt unglücklich zurück, aber Pepi freut sich, dass er sie nun wieder für sich hat.

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Die Drei von der Tankstelle oder Der Blaue Engel war Der Kongreß tanzt ein weiterer großer Musikfilm des deutschen, von der Ufa und dem von ihr eingesetzten Produzenten Erich Pommer maßgeblich gestalteten Tonfilms. Gegenüber ihren Vorgängern war diese sogenannte Tonfilmoperette jedoch weitaus umfangreicher ausgestattet. Regisseur Erik Charell, in Berlin und London bereits durch seine erfolgreich aufgeführten Revuen und Operetten wie z. B. Im weißen Rößl bekannt, setzte diesen Stil nun auch auf der Leinwand um. Der Film ist geprägt von für die damalige Zeit hohem Tempo und großen Ballszenen. Zum größten musikalischen Erfolg des Films wurde Christels Lied, besser bekannt unter dem Namen Das gibt’s nur einmal (Musik: Werner Richard Heymann, Text: Robert Gilbert). Ebenfalls populär ist das von Paul Hörbiger gesungene Heurigenlied Das muss ein Stück vom Himmel sein, Wien und der Wein... (Text ebenfalls von Robert Gilbert), bei dem Heymann die Melodie des Walzers Mein Lebenslauf ist Lieb und Lust von Josef Strauss verwendet. Auch auf dessen Walzer Sphärenklänge greift Heymann an Schlüsselstellen zurück. Diese Tonfilmoperette wendet sich implizit und explizit sowohl gegen die despotischen Methoden Metternichs, die Unterwürfigkeit der Wiener, die Grausamkeit der Justiz, wie auch gegen die Brutalität des Zarismus und die unheimliche Esoterik der (hier anachronistisch zitierten) russischen Avantgarde: Ein russisches Ballett tanzt nach Borodins (tatsächlich erst 1890 uraufgeführtem) „Fürst Igor“. Napoleons Rückkehr aus Elba wird hingegen fast im Stil von Abel GanceNapoleon-Film gefeiert, wobei die Marseillaise erklingt. An diese humorvolle und kritische Fortschrittlichkeit konnten die Neuverfilmungen der Nachkriegszeit nicht mehr anknüpfen.[1]

Produktionsnotizen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Dreharbeiten fanden in den UFA-Ateliers in Neubabelsberg statt, dem heutigen Studio Babelsberg.[2][3] Da Anfang der 1930er Jahre die Synchronisation von Filmen noch nicht üblich war, wurde Der Kongreß tanzt parallel zur deutschsprachigen auch in einer englischsprachigen und einer französischen Fassung gedreht. Während Lilian Harvey in allen drei Versionen mitspielte (was ihr einen Vertrag mit dem US-amerikanischen Studio 20th Century Fox einbrachte), wurde die Rolle von Zar Alexander in der englischen und der französischen Fassung von Henri Garat übernommen.

Der Film wurde am 29. September 1931 in Wien uraufgeführt und lief ab dem 23. Oktober 1931 in den deutschen Kinos.

Er wurde am 1. Oktober 1937 im Deutschen Reich von der Filmprüfstelle verboten, weil er das „nationalsozialistische Empfinden“ verletzt habe und Juden an der Produktion mitgewirkt haben.[4][5] Sowohl der seinerzeit sehr beliebte Darsteller Otto Wallburg als auch der Drehbuchautor Robert Liebmann wurden im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet.[6]

Der Kongreß tanzt gilt als teuerster UFA-Film der Weimarer Republik. Allein die Berliner Erstaufführung ließ sich die UFA 300.000 Reichsmark kosten.[7] Er zählt bis heute zu den wichtigsten deutschen Filmen.[8]

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Innerhalb der Darstellung einer Massenszene – Lilian Harvey fährt in einer Kutsche die Kulisse einer Wiener Straße entlang und singt den Schlager Das gibt’s nur einmal – ist ein Regiefehler enthalten, denn man sieht sekundenlang einen Kabelträger hinter der Kutsche das Kamerakabel aufrollen. Als Regisseur Charell im Schnittraum den Fehler bemerkte, entschied er sich für die Beibehaltung der gedrehten Szene, da eine Neuaufnahme wegen der zahlreichen mitwirkenden Statisten und Musiker zu aufwendig geraten wäre. Er vertraute darauf, dass die Zuschauer nur auf die Hauptdarstellerin achten würden.[9]

Kritiken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Charell als Regisseur hat die Kamera völlig entfesselt. Keine Sekunde steht sie still, fast kommen die Spielszenen zu kurz. Der Heurige mit dem famosen Sänger Paul Hörbiger ist schon Revue, richtige Schau, eine Paraphrase über alles Filmwienertum. Alles bewegt sich, alles dreht sich. Wundervolle Überblendungen, herrliche Prachtausstattung, musikalisch fügt sich der Rhythmus von Ton und Bild. Wenn der Heurigentanz in das Opernballett übergeht, wenn die leeren Kongreß-Sessel im Takt schaukeln – blendende Wirkungen [Werner Richard] Heymanns. Manchmal muß man an [Ernst] Lubitsch denken. Die Harvey erreicht den Höhepunkt in einer Soloszene, als sie in die ihr geschenkte Hietzing-Villa einzieht. Wie sie da mit dem Schlager des Abends, „Das gibt’s nur einmal, das kehrt nicht wieder“ [sic], durch ganz Wien geführt wird, wie sie allein durch die Räume tanzt, das ist wundervoll.“

„Ein einst berühmtes musikalisches Lustspiel, heute nur noch von historischem Reiz für Freunde des Revuefilms.“

Neuverfilmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Der Kongreß tanzt entstand 1955 unter der Regie von Franz Antel eine österreichische Neuverfilmung. Die Hauptrollen spielten Johanna Matz (Christel), Rudolf Prack (Alexander), Karl Schönböck (Metternich) und Gunther Philipp (Pepi). Für diesen Film wurde die gleiche Musik eingesetzt wie im Original.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Chris Wahl: Sprachversionsfilme aus Babelsberg. Die internationale Strategie der Ufa 1929–1939 edition text + kritik, München 2009, 458 Seiten + DVD, ISBN 978-3-88377-948-5
  • Joachim Reichow: Der Kongreß tanzt. In Günther Dahlke, Günther Karl (Hrsg.): Deutsche Spielfilme von den Anfängen bis 1933. Ein Filmführer. Henschel Verlag, 2. Auflage, Berlin 1993, S. 270 f., ISBN 3-89487-009-5
  • Joe Hembus, Christa Bandmann: Klassiker des deutschen Tonfilms. 1930–1960. Goldmann Magnum/Citadel-Filmbücher. Goldmann, München 1980, 262 S., ISBN 3-442-10207-3
  • Horst Claus und Anne Jäckel: Ufa, Frankreich und Versionen. Das Beispiel „Der Kongreß tanzt“. In: Sibylle Sturm u. a.: Hallo? Berlin? Ici Paris! Deutsch-französische Filmbeziehungen 1918–1939. CineGraph Buch. edition text + kritik, München 1996, 196 S., ISBN 3-88377-538-X
  • François Genton: Der Kongress tanzt, eine „Wiener Idylle?“ (S. Kracauer), in: Herta Luise Ott / Eric Leroy du Cardonnoy (Hrsg.), „Perceptions du Congrès de Vienne : répercussions d’un événement européen (XIXe-XXIe siècle)“, Austriaca 79, Dezember 2014, S. 221–239.
  • Gordon A. Craig: Deutsche Geschichte 1866–1945 – Vom Norddeutschen Bund bis zum Ende des Dritten Reiches, C.H.Beck, 1. Auflage, 1980/1981, S. 433 f., ISBN 978-3-406-07815-6
  • Heike Goldbach: Ein Feuerwerk an Charme – Willy Fritsch. Der Ufa-Schauspieler. Über eine große Filmkarriere in wechselhaften Zeiten. tredition, Hamburg 2017, S. 124–132. ISBN 978-3-7439-1290-8

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. François Genton: Der Kongress tanzt, eine „Wiener Idylle?“ (S. Kracauer), in: Herta Luise Ott / Eric Leroy du Cardonnoy (Hrsg.), „Perceptions du Congrès de Vienne : répercussions d’un événement européen (XIXe-XXIe siècle)“, Austriaca 79, Dezember 2014, S. 230–239.
  2. Hamburger Abendblatt: Jubiläum: Studio Babelsberg – 100 Jahre großes Kino Hamburger Abendblatt vom 17. Februar 2012, abgerufen am 13. September 2016
  3. Chris Wahl: Sprachversionsfilme aus Babelsberg. Die internationale Strategie der Ufa 1929–1939 in www.hhprinzler.de: Filmbuch des Monats Oktober 2009 www.hhprinzler.de, abgerufen am 13. September 2016
  4. Zensurentscheidung (Memento vom 3. September 2005 im Internet Archive) (PDF; 57 kB)
  5. Jan-Pieter Barbian: Nationalsozialistische Filmpolitik. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus, Band 7 (2014): Literatur, Film, Theater und Kunst, S. 340
  6. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-17153-8, S. 332 und S. 579.
  7. Hamburger Abendblatt: Jubiläum: Studio Babelsberg – 100 Jahre großes Kino Hamburger Abendblatt vom 17. Februar 2012, abgerufen am 13. September 2016
  8. Die wichtigsten deutschen Filme – Chronologische Übersicht. Deutsches Filminstitut, abgerufen am 14. April 2019.
  9. Heike Goldbach: Ein Feuerwerk an Charme. Willy Fritsch. Der Ufa-Schauspieler. Über eine große Filmkarriere in wechselhaften Zeiten. tredition, Hamburg 2017, S. 128.
  10. Pem: Charell, Wien und der Kongreß tanzen. Welt-Uraufführung des ersten Charell-Filmes in der Wiener Scala. In: Neue Berliner Zeitung – Das 12 Uhr Blatt, Nr. 229, 30. September 1931.
  11. Der Kongreß tanzt. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 29. Januar 2017.