Der hässliche Deutsche

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Der hässliche Deutsche ist ein deutschenfeindliches Klischeebild, dessen Ursprung auf die Propaganda im Ersten Weltkrieg zurückgeführt wird.

Erster Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zerstörung der Stadt Löwen während der deutschen Besetzung Belgiens wurde ausführlich von der britischen Presse berichtet und skandalisiert. So behauptete man, dass die deutschen Soldaten belgischen Kindern Hände abhacken, Krankenschwestern vergewaltigen, Massaker an Zivilisten begehen und alliierte Gefangene kreuzigen würden. In The Times war von deutschen „Hunnen“ die Rede. Diese Formulierung kam noch aus der Erinnerung an die „HunnenredeKaiser Wilhelm II., in der er die deutschen Soldaten drängte, wie die Hunnen den Boxeraufstand mit Brutalität niederzuschlagen. Auch Bezeichnungen wie „Vieh“ oder „Bestie“ waren gang und gäbe.

Zweiter Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die deutschen Verbrechen während des Nationalsozialismus, insbesondere der Versuch der industriellen Auslöschung des jüdischen Volkes, die systematischen Massentötungen in Osteuropa und die brutale militärische Unterwerfung der Völker Kontinentaleuropas, verfestigten das im Ersten Weltkrieg entstandene Bild des „hässlichen Deutschen“ zusätzlich. Auch die hasserfüllten und demagogischen öffentlichen Auftritte bekannter Figuren des Nationalsozialismus wie Adolf Hitler und Joseph Goebbels, in denen regelmäßig gegen Briten, Juden, Amerikaner, Franzosen, Homosexuelle, Sinti und Roma, Afrikaner und andere im weitesten Sinne vom NS-Regime als „asoziale Elemente“ wahrgenommene Bevölkerungsteile gehetzt wurde, trugen sowohl während der NS-Zeit als auch vor allem nach Kriegsende im Zuge der historischen Bewusstwerdung ihren Teil zu einer entsprechenden Außenwahrnehmung Deutschlands bei. Die Tatsache, dass die nationalsozialistische Hasspropaganda in der deutschen Volksseele offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen war, verstärkte diese Eindrücke und führte zu einer Pauschalisierung und Kollektivierung des Bildes, das während der gesamten Nachkriegszeit bis in die 90er Jahre hinein lebendig blieb.

1990er Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als es in den 1990er Jahren zu Ausschreitungen, u. a. der Inbrandsetzung von Asylbewerberheimen kam, war erstmals wieder öffentlich von „hässlichen Deutschen“ die Rede.

Steuerstreit Schweiz–Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während des Steuerstreits zwischen Deutschland und der Schweiz definiert 2009 der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück, nach der Meinung der Presse, das Bild des hässlichen Deutschen neu, indem er die Schweiz mit Indianern und die Deutschen mit der Kavallerie verglich, die die Indianer mit einer Täuschung in Angst und Schrecken versetzte.[1]

Griechenland-Krise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zuge der griechischen Staatsschuldenkrise erlebt der Begriff seit Juni 2015 in den internationalen und nationalen Medien eine gewisse Wiederauflage. Gegenstand der Kritik ist die von vielen als kompromisslos und überzogen empfundene Vorgehensweise Deutschlands, den Staaten Südeuropas eine Austeritätspolitik aufzuzwingen, die ihre Volkswirtschaften aus Sicht der Kritiker in eine rezessive Abwärtsspirale manövriert. Dies geht einher mit vehementen und hasserfüllten Reaktionen südeuropäischer Bürger, insbesondere Griechenlands, die deutsche Politiker wie Angela Merkel und Wolfgang Schäuble in der Tradition bekannter NS-Persönlichkeiten sehen. In dem aufgehitzten europäischen Diskurs wird derenthalben der Begriff Viertes Reich geläufig, der auf die empfundene oder reale neudeutsche Hegemonie über Europa abzielt.[2][3]

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1980 bis 1982 porträtierte der Journalist Otto Köhler in seiner konkret-Kolumne „Der häßliche Deutsche“ u. a. Uwe Barschel, Hans Henning von Beust, Reinhard Höhn, Elisabeth Noelle-Neumann und Werner Staak.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rolf Breitenstein: Der hässliche Deutsche? Wir im Spiegel der Welt. München 1968.
  • Anna Stiepel: Der „hässliche Deutsche“. Kontinuität und Wandel im medialen Außendiskurs über die Deutschen seit dem Zweiten Weltkrieg. Frankfurt am Main 2011.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Peer Steinbrück als hässlicher Deutscher. In: Der Tagesspiegel. Abgerufen am 7. Oktober 2017.
  2. Das Bild des "hässlichen Deutschen" ist wieder da, Stefan Ulrich, Süddeutsche Zeitung, 18. Juli 2015
  3. Der hässliche Deutsche, Eric Gujer, Neue Zürcher Zeitung, 5. April 2013