Desipramin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Struktur von Desipramin
Allgemeines
Freiname Desipramin
Andere Namen

10,11-Dihydro-5-[3-(methylamino)propyl]-5H-dibenzo[b,f]azepin

Summenformel C18H22N2
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 200-040-0
ECHA-InfoCard 100.000.037
PubChem 2995
ChemSpider 2888
DrugBank DB01151
Wikidata Q423288
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N06AA01

Wirkstoffklasse

Trizyklisches Antidepressivum

Eigenschaften
Molare Masse 266,38 g·mol−1
Schmelzpunkt

214–218 °C[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 302​‐​315​‐​317​‐​319​‐​334​‐​335
P: 261​‐​280​‐​305+351+338​‐​342+311[1]
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Desipramin ist ein Arzneistoff, der zur Wirkstoffklasse der trizyklischen Antidepressiva zählt. Es wirkt stark antriebssteigernd (thymeretisch) und nach einiger Zeit stimmungsaufhellend (thymoleptisch) und ist zur Behandlung depressiver Erkrankungen angezeigt. Desipramin wurde 1965 unter der Marke[3] Pertofran auf den deutschen Markt gebracht.[4] Heute sind Desipramin-haltige Fertigarzneimittel in den meisten Ländern außer Vertrieb.[5]

Darstellung und Gewinnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Synthese geht vom 10,11-Dihydro-5H-dibenz[b,f]azepin aus, wobei durch eine zweistufige Alkylierung zuerst mit 1-Brom-3-chlorpropan und dann mit Methylamin die Zielverbindung erhalten wird.[2]

Pharmakologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wirkungsmechanismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Desipramin ist der aktive Metabolit von Imipramin. Es wirkt im zentralen Nervensystem und hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin, Noradrenalin und weiterer Neurotransmitter aus dem synaptischen Spalt in die präsynaptischen Vesikel, wodurch deren Konzentration angehoben wird und depressive Symptome gemildert werden. Die sedierende Wirkkomponente ist schwach ausgeprägt.[6] Ferner unterdrückt Desipramin die Schmerzwahrnehmung durch Wirkung an den Nozizeptoren (antinozizeptive Wirkung). Desipramin wirkt zudem als FIASMA (funktioneller Hemmer der sauren Sphingomyelinase).[7]

Nebenwirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen des Desipramins wie etwa Störungen beim Wasserlassen (Miktionsstörungen), innere Unruhe und Durstgefühl wie auch gelegentlich zu beobachtende unerwünschten Wirkungen wie Verwirrtheitszustände, Darmlähmung oder -verschluss (paralytischer Ileus) und Harnverhaltung resultieren aus seiner anticholinergen Wirkung.

Desipramin kann die QT-Zeit des Elektrokardiogramms (EKG) verlängern bis hin zu einer gefährlichen Herzrhythmusstörung, der Torsade de pointes. Ein frischer Herzinfarkt, höhergradige AV-Blockierungen und andere Herzrhythmusstörungen sind daher Gegenanzeigen für eine Behandlung mit Desipramin.[6] Die US-amerikanische Behörde Food and Drug Administration (FDA) ordnete im Dezember 2009 die Aufnahme eines Warnhinweises in die Produktfachinformation von Norpramin an hinsichtlich einer besonders vorsichtigen Behandlung von Patienten, in deren familiärer Krankheitsvorgeschichte Vorfälle wie plötzlicher Herztod, Herzrhythmusstörungen oder Herzleitungsstörungen auftraten.[8]

Für einige trizyklische Antidepressiva incl. Desipramin wird eine Erhöhung des Brustkrebsrisikos diskutiert,[9] wobei eine Reihe von Übersichtsarbeiten und Metaanalysen diese Hypothese nicht bestätigen konnten.[10][11][12][13]

Wechselwirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Wirkungen von Desipramin und von Alkohol sowie anderen zentral wirksamen Arzneistoffen (Barbiturate, Schmerzmittel, Antihistaminika, Antipsychotika) können sich gegenseitig verstärken. Auch tritt Desipramin in Wechselwirkung mit Stoffen, die an gleichen Rezeptoren angreifen (Anticholinergika, Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SRI), α-Sympathomimetika), die QT-Zeit im EKG verlängern (beispielsweise bestimmte Antiarrhythmika, Antibiotika, Malaria-Mittel, Neuroleptika) oder die die Verstoffwechselung von Desipramin beeinflussen.

Kontraindiziert ist die gleichzeitige Behandlung mit MAO-Hemmern, da schwerwiegende unerwünschte Wirkungen auftreten können. Zwischen Behandlungen mit Desipramin und MAO-Hemmern ist jeweils eine therapiefreie Zeit (Auswaschphase) einzuhalten.

Pharmakokinetik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Desipramin wird gut aus dem Darm resorbiert, hat aber aufgrund seines hohen First-Pass-Effektes eine erniedrigte Bioverfügbarkeit, die zudem stark schwanken kann. Die Plasmahalbwertszeit beträgt 15 bis 25 Stunden. Desipramin passiert die Blut-Hirn- und die Plazentaschranke und tritt in die Muttermilch über.[6] Desipramin wird nach Biotransformation in der Leber über die Nieren (renal) ausgeschieden.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Datenblatt Desipramine hydrochloride bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 23. Januar 2024 (PDF).
  2. a b c d e f g h i A. Kleemann, J. Engel, B. Kutscher, D. Reichert: Pharmaceutical Substances - Synthesis, Patents, Applications. 4. Auflage. Thieme-Verlag Stuttgart 2000, ISBN 978-1-58890-031-9.
  3. Gustav Ehrhart/Heinrich Ruschig: Arzneimittel, 1968
  4. Psychopharmaka Zeittafel
  5. Pharmazeutische Stoffliste der ABDA-Datenbank (Mai 2010).
  6. a b c Petylyl: Fachinformation. Stand Mai 2008.
  7. J. Kornhuber, M. Muehlbacher, S. Trapp, S. Pechmann, A. Friedl, M. Reichel, C. Mühle, L. Terfloth, T. Groemer, G. Spitzer, K. Liedl, E. Gulbins, P. Tripal: Identification of Novel Functional Inhibitors of Acid Sphingomyelinase. In: PLoS ONE. Band 6, Nr. 8, 2011, S. e23852, doi:10.1371/journal.pone.0023852.
  8. Norpramin (desipramine hydrochloride) - Dear Healthcare Professional Letter .
  9. C. R. Sharpe, J. P. Collet, E. Belzile, J. A. Hanley, J. F. Boivin: The effects of tricyclic antidepressants on breast cancer risk. (PDF; 94 kB). In: British Journal of Cancer. Volume 86, 2002, S. 92–97. PMID 11857018.
  10. D. A. Lawlor, P. Jüni, S. Ebrahim, M. Egger: Systematic review of the epidemiologic and trial evidence of an association between antidepressant medication and breast cancer. In: J Clin Epidemiol. 56(2), Feb 2003, S. 155–163. PMID 12654410.
  11. S. Bahl, M. Cotterchio, N. Kreiger: Use of antidepressant medications and the possible association with breast cancer risk. A review. In: Psychother Psychosom. 72(4), Jul-Aug 2003, S. 185–194. PMID 12792123.
  12. P. F. Coogan: Review of the epidemiological literature on antidepressant use and breast cancer risk. In: Expert Rev Neurother. 6(9), Sep 2006, S. 1363–1374. PMID 17009923.
  13. C. S. Eom, S. M. Park, K. H. Cho: Use of antidepressants and the risk of breast cancer: a meta-analysis In: Breast Cancer Res Treat. 136, 2012, S. 635–645. PMID 23139055.