Deutscher Sozialgerichtstag

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Deutscher Sozialgerichtstag (2011)

Der Deutsche Sozialgerichtstag e.V. (DSGT) ist ein Verein mit Sitz in Potsdam,[1] der im Januar 2006 gegründet worden ist[2] und der sich aus der Sicht von Praktikern kritisch mit sozialrechtlichen Fragen befasst. Er veranstaltet alle zwei Jahre eine Tagung, die ebenfalls den Namen Deutscher Sozialgerichtstag führt.

Verein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Deutsche Sozialgerichtstag versteht sich als „interdisziplinärer Fachverband, der sich … auf allen Gebieten des Sozialrechts in die rechtspolitische Debatte einbringt.“[2] Die Mitgliedschaft steht nicht nur Juristen (Richtern, Rechtsanwälten, Juristen bei Verbänden und bei den Behörden) offen, sondern allen sozialrechtlichen Praktikern (Verfahrensbevollmächtigten, Behörden und Verbände, Ärzten als medizinischen Sachverständigen und Wissenschaftlern).[2]

Es bestehen elf Kommissionen zu den einzelnen sozialrechtlichen Rechtsgebieten, zum Verfahrensrecht und zu ethischen Fragen, in denen die kontinuierliche Facharbeit erfolgt.[3]

Präsidentin des Sozialgerichtstags ist Miriam Meßling[4], die auch Richterin am Bundesverfassungsgericht ist.

Veranstaltungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alle zwei Jahre richtet der Verein den Deutschen Sozialgerichtstag in Potsdam aus, bei dem aktuelle sozialrechtliche Fragen mit grundsätzlicher Bedeutung diskutiert werden.

Außerdem werden „Praktiker-Workshops“ zu ausgewählten aktuellen Themen veranstaltet.

Die Dokumentation der Bundestagungen, Veranstaltungsberichte und Stellungnahmen werden vom Richard Boorberg Verlag Stuttgart veröffentlicht.

Positionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Deutsche Sozialgerichtstag wird als Sachverständiger im Gesetzgebungsverfahren und in den Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gehört.

Ein Schwerpunkt der bisherigen Arbeit lag in Stellungnahmen zur Sozialreform Hartz IV,[5] insbesondere mit Blick auf die Höhe der Regelsätze für Kinder[6] sowie die hohe Zahl an Klagen, die bei den Sozialgerichten anhängig sind.[7] In der Verfassungsbeschwerde zu der Frage, inwieweit die Einbeziehung von nichtehelichen Kindern in die Bedarfsgemeinschaft beim Bezug von Arbeitslosengeld II und von Sozialgeld mit geltendem Recht vereinbar sei, hat der Deutsche Sozialgerichtstag die Ansicht vertreten, diese Regelung sei in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 2006 verfassungswidrig, weil sie nicht mit dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sei.[8] Zu einer weiteren existentiellen Frage des Rechts der Grundsicherung für Arbeitsuchende hat der Deutsche Sozialgerichtstag in einer Stellungnahme im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht tiefgreifende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der über eine Kürzung um 30 % des Regelsatzes hinaus gehenden Leistungskürzungen erhoben und fand sich in der am 5. November 2019 verkündeten Entscheidung in seiner Positionierung bestätigt.[9]

Der Verein wendet sich auch gegen die Zusammenlegung von Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit, die aus dem Bundesrat bereits mehrfach erfolglos betrieben worden war und die auch in der Koalitionsvereinbarung der schwarz-gelben Koalition von 2009 vorgesehen war.[10] Damit seien vor allem Nachteile für den Rechtsschutz suchenden Bürger verbunden.[11]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Deutscher Sozialgerichtstag e. V. (Hrsg.): Plan B – Solidarität neu denken. 1. Deutscher Sozialgerichtstag, 16. und 17. November 2006. Nomos Verlag, Baden-Baden 2008, ISBN 978-3-8329-3092-9.
  • Deutscher Sozialgerichtstag e. V. (Hrsg.): Sozialrecht im Umbruch – Sozialgerichte im Aufbruch. 2. Deutscher Sozialgerichtstag am 4. und 5. Dezember 2008 in Potsdam. Richard Boorberg Verlag, Stuttgart/München 2010, ISBN 978-3-415-04415-9.
  • Deutscher Sozialgerichtstag e. V. (Hrsg.): Sozialrecht als Menschenrecht – 3. Deutscher Sozialgerichtstag 18. und 19. November 2010 in Potsdam. Richard Boorberg Verlag, Stuttgart/München 2011, ISBN 978-3-415-04719-8.
  • Deutscher Sozialgerichtstag e. V. (Hrsg.): Sozialrecht – Tradition und Zukunft, 4. Deutscher Sozialgerichtstag am 15. und 16. November 2012 in Potsdam. Richard Boorberg Verlag, Stuttgart/München 2012, ISBN 978-3-415-05107-2.
  • Deutscher Sozialgerichtstag e. V. (Hrsg.): Sozialstaat in Europa – Gegensatz oder Zukunft? 5. Deutscher Sozialgerichtstag am 20. und 21. November 2014 in Potsdam. Richard Boorberg Verlag, Stuttgart/München 2016, ISBN 978-3-415-05407-3.
  • Deutscher Sozialgerichtstag e. V. (Hrsg.): Von der Integration zur Inklusion – Strukturwandel wagen! 6. Deutscher Sozialgerichtstag, 17. und 18. November 2016 in Potsdam. Richard Boorberg Verlag, Stuttgart/München 2017, ISBN 978-3-415-06162-0.
  • Deutscher Sozialgerichtstag e. V. (Hrsg.): Der Mensch im Mittelpunkt – sozialgesetzliche Realität? 7. Deutscher Sozialgerichtstag, 27. und 28. September in Potsdam. Richard Boorberg Verlag, Stuttgart/München 2019, ISBN 978-3-415-06672-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Impressum sozialgerichtstag.de. Abgerufen am 1. Dezember 2019.
  2. a b c Susanne Weßler-Hoth, Wulf Sonnemann: Veranstaltungsbericht 1. Deutscher Sozialgerichtstag. (PDF; 67 kB) In: ZfF. 2007, S. 58, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 30. September 2011.@1@2Vorlage:Toter Link/www.boorberg.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  3. Kommissionen sozialgerichtstag.de. Abgerufen am 1. Dezember 2019.
  4. Vorstand. Abgerufen am 9. Oktober 2023.
  5. Corinna Budras: Neue Hartz-IV-Sätze landen wieder vor dem Verfassungsgericht. In: FAZ. 23. November 2010, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 30. September 2011.@1@2Vorlage:Toter Link/www.faz.net (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  6. „Hartz IV für Kinder ist verfassungswidrig“. In: Spiegel Online. 19. Oktober 2009, abgerufen am 30. September 2011 (Interview).
  7. Arbeitsmarktexperten erwarten Klageflut trotz Härtefälle-Liste. In: Spiegel Online. 17. Februar 2010, abgerufen am 30. September 2011.
  8. Anfrage des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Februar 2011 im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde – 1 BvR 1083/09. (PDF; 237 kB) In: sozialgerichtstag.de. Deutscher Sozialgerichtstag e.V., 30. Juni 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. November 2014; abgerufen am 30. September 2011.
  9. Positionen des DSGT durch BVerfG im Verfahren zu den Sanktionen im SGB II bestätigt. Abgerufen am 1. Dezember 2019.
  10. Koalitionsvereinbarung – Deutscher Sozialgerichtstag warnt vor längerer Prozessdauer. (PDF; 58 kB) Deutscher Sozialgerichtstag e.V., 27. Oktober 2009, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. Dezember 2013; abgerufen am 30. September 2011 (Pressemitteilung).
  11. Die soziale Sicherheit nicht gefährden – keine Abschaffung der Sozialgerichte! (PDF; 61 kB) Deutscher Sozialgerichtstag e.V., 12. September 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. Dezember 2013; abgerufen am 30. September 2011 (Pressemitteilung – falsche Datumsangabe im Dokument: 12. September 2012).