Wolliger Fingerhut

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Wolliger Fingerhut

Digitalis lanata

Systematik
Asteriden
Euasteriden I
Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Wegerichgewächse (Plantaginaceae)
Gattung: Fingerhüte (Digitalis)
Art: Wolliger Fingerhut
Wissenschaftlicher Name
Digitalis lanata
Ehrh.

Der Wollige Fingerhut (Digitalis lanata), auch Woll-Fingerhut, ist eine Pflanzenart aus der Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae). Neben dem Roten Fingerhut (Digitalis purpurea) ist sie die bedeutendste Heilpflanze unter den Fingerhüten (Digitalis).

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Habitus mit Blütenstand
Pflanzen im ersten Jahr nur mit grundständiger Blattrosette
Blütenstand mit Riesenblüte (Pseudo-Pelorie)

Der Wollige Fingerhut ist eine zweijährige bis mehrjährige krautige Pflanze, die Wuchshöhen von bis zu 90 cm erreicht. An den langen blau-purpurfarben überhauchten Stängeln trägt sie länglich-lanzettliche Blätter. Die Stomata sind anomozytisch, es sind keine Deckhaare vorhanden, Drüsenhaare sehr selten (wenn vorhanden, dann einzelliger Stiel und ein- oder zweizelliges Köpfchen, Epidermiszellen sind knotig verdickt) .

Der Blütenstand enthält viele kleine weiße bis cremegelbe Blüten mit brauner Aderung. Die Tragblätter des Blütenstands sind wollig behaart, daher rührt der Name dieser Pflanzenart.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 56.[1]

Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Art kommt in Kulturen und Gärten vor und ist gelegentlich daraus verwildert. Die Heimat ist das pontische Klima- und Florengebiet Ungarns und Südosteuropas.[2] In Österreich und Nordamerika ist diese Art ein Neophyt. Nur noch ein Betrieb in Deutschland baut den Wolligen Fingerhut in großem Stil an.[3]

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alle Pflanzenteile des Wolligen Fingerhuts sind hochgradig giftig. Er wird weltweit als Heilpflanze zur industriellen Gewinnung von herzwirksamen Digitalisglykosiden angebaut, die chemisch zu den Cardenolidglykosiden zählen. Der aus den getrockneten Laubblättern gewonnene Wirkstoff dient als Rohstoff für Arzneimittel zur Behandlung von Herzinsuffizienz. Ein optimaler Wirkstoffgehalt wird dabei im Herbst des ersten Anbaujahres erreicht.[4]

Ökologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Art ist insbesondere an sonnig-warmen Ruderalstandorten auf trockenen, meist kalkhaltigem, sandig-steinigen Böden anzutreffen. In der ersten Vegetationsperiode der Pflanze wird lediglich eine grundständige Blattrosette ausgebildet, der Blütenstängel wächst dann im Folgejahr.

Physiologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Insbesondere im ersten Jahr besteht eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Trockenstress (Wassermangel, Wasserstress), die Blätter bleiben saftig (turgeszent) bis zu einem sehr niedrigen Wasserpotential des Blattes, was auf der osmotischen Anpassung durch Bildung nichtionischer Substanzen in den Blättern beruht. Die durch Trockenstress verursachte Verminderung der Photosynthese ist nach Bewässerung innerhalb weniger Stunden reversibel.[5] Parallel zur Verminderung der Photosyntheseaktivität wird bei Wasserstress auch die Quantenausbeute des Photosystems 2 vermindert.[6]

Inhaltsstoffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als wirkungsvoller Fraßschutz angesehen werden können die in den Blättern vorkommenden mehr als 70 bitteren, herzwirksamen Glykoside, die sich von den 5 Geninen Digitoxigenin, Gitoxigenin, Digoxigenin, Diginatigenin und Gitaloxigenin ableiten.[7] Ihre Konzentration kann im Gewächshausanbau durch Wärme und erhöhte Kohlendioxidkonzentration (Kohlenstoffdioxid-Düngung) deutlich gesteigert werden.[8]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 846.
  2. Dimitri Hartl: Scrophulariaceae. In: Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa, 2. Auflage, Band 4, 1. Teil, Seite 129–132. Verlag Carl Hanser, München 1965
  3. Digitalis: Anbau und Synthese schwierig Pharmazeutische Zeitung vom 27. Oktober 2014, abgerufen am 4. September 2016
  4. Hansjörg Hagels und Tatjana Wolf: Vor- und Nachernte Prozessschritte an Arzneipflanzen 6. Fachtagung Arznei- und Gewürzpflanzen, Humboldt-Universität zu Berlin, Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät, Berlin, 19.–22. September 2011
  5. Thomas Stuhlfauth, Dieter F. Sültemeyer, Stefanie Weinz and Heinrich P. Fock, Fluorescence quenching and gas exchange in a water stressed C3 Plant, Digitalis lanata, Plant Physiol. (1988) 86, 0246–0250 [1]
  6. H.P. Fock, K. Biehler and T. Stuhlfauth, Use and degradation of light energy in water-stressed Digitalis lanata, Photosynthetica 27(4):571–577, 1992
  7. Hildebert Wagner, Pharmazeutische Biologie, 2. Drogen und ihre Inhaltsstoffe, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1980
  8. T. Stuhlfauth and H. P. Fock, effect of whole season CO2 enrichment on the cultivation of a medicinal plant, Digitalis lanata, J. Agronomy & Crop Science 164, 168–173, 1990. doi:10.1111/j.1439-037X.1990.tb00803.x

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Wolliger Fingerhut (Digitalis lanata) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien