Dimetinden

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Strukturformel
Strukturformel von Dimetinden
Vereinfachte Strukturformel ohne Stereochemie
Allgemeines
Freiname Dimetinden
Andere Namen
  • (RS)-N,N-Dimethyl-3-[1-(2-pyridyl)-ethyl]-1H-inden-2-ethanamin
  • Latein: Dimetindenum
Summenformel C20H24N2
Kurzbeschreibung

ölige Flüssigkeit[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 227-083-8
ECHA-InfoCard 100.024.622
PubChem 21855
ChemSpider 20541
DrugBank DB08801
Wikidata Q426070
Arzneistoffangaben
ATC-Code
Wirkstoffklasse

Antihistaminika

Eigenschaften
Molare Masse 292,42 g·mol−1
Siedepunkt

165–175 °C (67 Pa)[1]

Löslichkeit

sehr schwer löslich in Wasser: 239 mg·l−1 (37 °C)[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

Maleat

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: 264​‐​270​‐​301+312​‐​330​‐​501[3]
Toxikologische Daten

618 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Dimetinden ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der H1-Antihistaminika der ersten Generation mit ausgeprägten anticholinergen Wirkungen, der, meist als Dimetindenmaleat, in der Behandlung allergischer Erkrankungen eingesetzt wird.

Klinische Angaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anwendungsgebiete (Indikationen)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Wirkstoff wird zur symptomatischen Behandlung allergischer Erkrankungen eingesetzt. Zum Indikationsspektrum gehören des Weiteren allergische Reaktionen, Juckreiz bei Hauterkrankungen und Insektenstichen, Beschwerden bei Nahrungsmittelallergien und Allergien vor medizinischen Untersuchungen oder vor Narkosen. Bei der Behandlung einer Anaphylaxie und des anaphylaktischen Schocks kann Dimetinden intravenös leitliniengerecht eingesetzt werden.[4]

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die gleichzeitige Einnahme von trizyklischen Antidepressiva mit Dimetindenmaleat kann bei Patienten mit Neigung zur Glaukombildung zu einem Anfall führen. Die Wirkung von Alkohol und zentral wirksamen Arzneistoffen kann durch Dimetindenmaleat verstärkt werden.

Anwendung während Schwangerschaft & Stillzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1. Trimenon: Lange Markterfahrungen haben für keines der sedierenden Antihistaminika den früher geäußerten Verdacht auf teratogene Effekte beim Menschen bestätigt.

2.–3. Trimenon / Perinatal: Bei einigen älteren Antihistaminika (z. B. Diphenhydramin und Hydroxyzin) wurden nach langfristiger Therapie bis zur Geburt in Einzelfällen Anpassungsstörungen wie Zittrigkeit und Diarrhö beschrieben.

Klinik: Bei länger dauernder Therapie können bei allen Antihistaminika Symptome wie Unruhe oder leichte Sedierung bei dem Säugling nicht ausgeschlossen werden. Für Dimetinden liegen keine Daten zum Übergang in die Muttermilch vor.

Empfehlung: Dimetinden kann bei guter Beobachtung des Säuglings während der Stillzeit eingenommen werden. Falls Symptome bei dem gestillten Säugling auftreten, sollte ein Präparatewechsel erfolgen. In erster Linie kommen nicht-sedierende Antihistaminika wie Loratadin oder Cetirizin infrage.[5]

Pharmakologische Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wirkungsmechanismus (Pharmakodynamik)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dimetinden ist ein Antihistaminikum vom Typ der H1-Rezeptor-Antagonisten und hemmt in vitro und in vivo die durch H1-Rezeptoren vermittelten Histaminwirkungen. Zudem ist Dimetinden als Muskarinrezeptorantagonist ein potentes Anticholinergikum, was den Off-Label-Einsatz (vor allem in der Neurologie) möglich macht.[6][7]

Nebenwirkungen und Toxikologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unerwünschte anticholinerge Wirkungen und Vergiftungen durch Dimetindenmaleat äußern sich vor allem durch zentralnervöse Symptome. Diese reichen von Schläfrigkeit, Ataxie und Tremor, bis hin zu tonisch-klonischen Krampfanfällen. Zudem können Atemnot, vermehrte Speichelsekretion und Mydriasis auftreten. Zur akuten Toxizität von Dimetinden liegen Daten für Ratte, Maus, Meerschweinchen und Hund vor:

Akute Toxizität von Dimetindenmaleat:

Spezies LD50 (mg/kg Körpergewicht)
Ratte p.o. 618,24 ± 72,3
Ratte i.v. 26,8 ± 2,1
Maus p.o. 760 (670 – 940)
Meerschweinchen p.o. 888,0 ± 92
Hund i.v. 40

Stereochemie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(S)-Enantiomer (oben) und (R)-Enantiomer (unten) des Dimetindens

Dimetinden ist ein chiraler Arzneistoff mit einem Stereozentrum. Therapeutisch wird das Racemat, die 1:1-Mischung des (S)- und des (R)-Isomeres, meist als Salz der Maleinsäure (Dimetindenmaleat[8]), eingesetzt.

Synthese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dimetinden kann in einer mehrstufigen Synthese hergestellt werden.[9] Im ersten Schritt wird Benzylmalonsäurediethylester reduktiv mit Natriumhydrid und N,N-Dimethylaminoethylchlorid umgesetzt. Die erhaltene Zwischenverbindung wird mittels Polyphosphorsäure zu einer Indan-1-on-Struktur cyclisiert. Die Einführung der 2-Ethylpyridinstruktur erfolgt dann mit Hilfe von Phenyllithium oder n-Butyllithium. Im letzten Schritt wird die Zielverbindung durch eine saure Dehydratisierung erhalten. Aus der Synthesesequenz resultiert das Racemat.[10]

Synthese

Handelsnamen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monopräparate

Fenistil (D, A, CH, I), Feniallerg (CH), Histakut (D,A)

Kombinationspräparate

Vibrocil (A, CH)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Eintrag zu Dimetinden. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 11. November 2014.
  2. Eintrag zu Dimetindene in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  3. a b LGC Standards: Dimetindene Maleate (Memento des Originals vom 27. Dezember 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/hybris-static-assets-production.s3-eu-west-1.amazonaws.com, abgerufen am 27. Dezember 2019.
  4. AWMF: Leitlinie zu Akuttherapie und Management der Anaphylaxie (Memento des Originals vom 30. November 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.awmf.org. In: Allergo J Int. 23, 2014, S. 96.
  5. Embryotox - Arzneimittelsicherheit in Schwangerschaft und Stillzeit: Datenbank Medikamente und Wirkstoffe: Dimetinden. In: www.embryotox.de. Abgerufen am 9. Juni 2016.
  6. O. Pfaff, C. Hildebrandt, M. Waelbroeck, X. Hou, U. Moser, E. Mutschler, G. Lambrecht: The (S)-(+)-enantiomer of dimethindene: a novel M2-selective muscarinic receptor antagonist. In: European journal of pharmacology. Band 286, Nummer 3, November 1995, S. 229–240, PMID 8608784.
  7. T. M. Böhme, C. Keim, K. Kreutzmann, M. Linder, T. Dingermann, G. Dannhardt, E. Mutschler, G. Lambrecht: Structure-activity relationships of dimethindene derivatives as new M2-selective muscarinic receptor antagonists. In: Journal of medicinal chemistry. Band 46, Nummer 5, Februar 2003, S. 856–867, doi:10.1021/jm020895l, PMID 12593665.
  8. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Dimetindenmaleat: CAS-Nummer: 3614-69-5, EG-Nummer: 222-789-2, ECHA-InfoCard: 100.020.718, PubChem: 5282414, ChemSpider: 4445569, Wikidata: Q27265113.
  9. Thomas M. Böhme, Christine Keim, Kai Kreutzmann, Matthias Linder, Theo Dingermann: Structure-Activity Relationships of Dimethindene Derivatives as New M2-Selective Muscarinic Receptor Antagonists. In: Journal of Medicinal Chemistry. Band 46, Nr. 5, 1. Februar 2003, S. 856–867, doi:10.1021/jm020895l.
  10. A. Kleemann, J. Engel, B. Kutscher, D. Reichert: Pharmaceutical Substances – Synthesis, Patents, Applications. 4. Auflage. Thieme-Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 978-1-58890-031-9.