Dirigieren

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Das Dirigieren ist eine Orientierungs-, Koordinierungs- und Gestaltungshilfe für die ausführenden Musiker eines Orchesters oder Chors oder eines anderen musizierenden Ensembles. Es wird hauptsächlich durch Handbewegungen des Dirigenten ausgeführt und erfüllt mehrere Funktionen: Es koordiniert die Musiker am Beginn und am Ende des Stücks sowie beim Einhalten des Takts, ferner werden ihre Einsätze angezeigt und der Dirigent beeinflusst fortlaufend die musikalische Gestaltung.

Das Dirigieren ist bestimmten historisch entwickelten Regeln und Techniken unterworfen. Der Takt wird durch Schlagfiguren angezeigt, die musikalische Gestaltung (z. B. Dynamik und Artikulation) durch weniger standardisierte Ausdrucksformen. Traditionsgemäß hält die rechte Hand des Dirigenten den Taktstock und führt die Schlagfiguren aus. Die gestische Vermittlung der musikalischen Gestaltung wird vor allem von der linken Hand übernommen.

Während der Begriff Dirigieren sich eher auf den Vorgang und das Handwerk bezieht, bezeichnen die Begriffe Dirigat und musikalische Leitung (oder einfach Leitung) eher das Dirigieren einer kompletten Aufführung.[1] Mit der musikalischen Leitung kann darüber hinaus auch die langfristige Leitung des Ensembles gemeint sein, einschließlich der Planungen und der Probenarbeit.

Dirigentenpult mit Partitur und Taktstöcken

Arbeitsprozess

Leonard Bernstein macht sich Notizen, 1955

Dirigenten machen sich vor dem Dirigieren intensiv mit dem Stück und seiner Struktur vertraut. Sie wissen, welche Instrumente oder Stimmen (Besetzung) das Stück verlangt und sorgen ggf. für eine entsprechende Ergänzung des Ensembles. Sie entwickeln aufgrund von im Stück indizierten Angaben (Tempo oder Metronomzahlen, Dynamik, Artikulation, Instrumentation) möglicherweise auch mithilfe von Tonaufnahmen, eine eigene, präzise Vorstellung vom Charakter und Inhalt des Stückes. Sie merken sich die Einsätze der verschiedenen Instrumente oder Stimmen, Taktänderungen, Tempo- und Charakterwechsel und üben sie nötigenfalls gestisch und mental für sich ein.

Sie spüren dem Inhalt des Stücks nach, der durch Quellen (z. B. Briefe oder Tagebuchnotizen des Komponisten), Anmerkungen oder aussagekräftige Titel (Programmmusik) oder Texte in Vokalkompositionen ersichtlich sein kann. Sie kennen das musikhistorische Umfeld des Stückes, das den spezifischen Stil des Werkes mitbestimmt, nach Möglichkeit auch andere Werke des Komponisten und seine Relationen in diesem Kontext. Idealerweise kennen sie die Partitur nach intensivem Studium auswendig und haben sich eine genaue Klangvorstellung erarbeitet, die individuell ist, aber ebenso der Intention des Komponisten und der Komposition an sich gerecht wird.

Sie studieren mit dem Ensemble das Stück ein, bis es den im Vorfeld erarbeiteten Vorstellungen des Dirigenten entspricht (Proben), und verständigen sich dabei exakt über die Umsetzung bestimmter, nicht explizit vorgegebener Stellen in der Partitur, die Vorstellung des Dirigenten, die korrekte Ausführung und den Charakter und Inhalt der Komposition. Der Dirigent korrigiert das Ensemble während der Proben so lange, bis das Werk möglichst vollkommen aufgeführt werden kann. Hilfsinstrument zur Einstudierung vokaler Ensemblepartien ist dabei meistens ein Klavier, das der Dirigent entweder selbst spielt oder von einem Korrepetitor spielen lässt. Dabei ist der Dirigent Entscheidungsträger und prägt damit die Interpretation eines Stückes in hohem Ausmaß. Schließlich leitet er das Ensemble in allen vorgesehenen Aufführungen des Stückes (im Falle von Gastdirigenten im Repertoire-Musiktheater bzw. in der Oper im deutschsprachigen Raum allerdings oft nur die Premiere und einige Folgevorstellungen; die restlichen Vorstellungen werden dann von festangestellten Kapellmeistern „nachdirigiert“).

Wenn ein Dirigent ein Ensemble für einen längeren Zeitraum übernimmt, kann sich der Klang des Ensembles und damit sein künstlerisches Profil entscheidend verändern, da der stete, kontinuierliche Einfluss des Ensembleleiters, seine hierfür notwendigen genauen Vorstellungen von Klang und musikalischer Gestaltung, das Ensemble in seiner musikalischen Ausführung zu prägen beginnen.

Der Dirigent ist im professionellen Bereich nicht für die Einstudierung der individuellen Partien verantwortlich. Diese Aufgabe übernimmt jedes Orchestermitglied für sich selbst. Choristen werden im Regelfall durch ihren Chorleiter einstudiert, Solosänger und -sängerinnen haben am Theater oder in Opernschulen einen Korrepetitor.

Technik

Dirigieren ist die Kunst, musikalische Informationen in Echtzeit an ausführende Musiker zu übermitteln. Es gibt zwar keine absoluten Regeln des korrekten Dirigierens, und daher existieren eine große Anzahl verschiedener Dirigiertechniken und -stile, aber ein grundlegendes Verständnis für die Basiselemente musikalischen Ausdrucks (z. B. Tempo, Rhythmus, Artikulation, Dynamik) und die Fähigkeit, sie gestisch effektiv einem Ensemble zu übermitteln, ist nötig, um dirigieren zu können.

Hände

Gemeinhin gilt jedoch für jede Taktart eine bestimmte Schlagfigur. Diese wird in der Regel mit der rechten Hand und mit einem Taktstock geschlagen. Die Fähigkeit, Ausdrucks- und Phrasierungsnuancen durch variable Gestik zu übermitteln, ist ebenso von Vorteil. Diese Nuancen sollten einerseits in die Schlagfiguren der rechten Hand inkorporiert werden, andererseits dient die linke Hand dazu, unabhängig von dem Schlagmuster der rechten Hand, diese durch verschiedene Gesten mit anzuzeigen und zu verdeutlichen.

Haltung

Der Dirigent steht üblicherweise gerade, auf beiden Füßen und gut von allen sichtbar vor dem Ensemble, mit dem Rücken zum Publikumsbereich. Ist der Dirigent nicht von allen Ensemblemitgliedern sichtbar, wird ein Podest verwendet. Ein hoher Dirigierstuhl ist eine Möglichkeit, während langer Proben auch sitzend dirigieren zu können. Er wird allerdings im Konzert nur selten verwendet (z. B. von Sergiu Celibidache oder James Levine in deren letzten Jahren); im Orchestergraben der Oper hingegen öfter. Allgemein sollte der Dirigent zu allen Mitgliedern des Ensembles bei Bedarf sofort Blickkontakt aufnehmen können und genügend Bewegungsfreiheit haben.

Schlagebene

Eine Voraussetzung für das Dirigieren ist die Beachtung der Schlagebene, auf die alle Schlagfiguren bezogen sind. Wenn die Schlagebene unklar ist, wird das Dirigieren ungenau, und entsprechend unklar wirkt das Signal auf das Ensemble. Die Schlagebene kann in bestimmten Grenzen vom Dirigenten individuell gewählt werden, und sie kann sich innerhalb eines Stückes vorübergehend ändern, zum Beispiel aufgrund einer Änderung der Dynamik oder der Orchestration.

Anfang, Ende, Abbruch

Das Signal zum Beginn eines Stückes ist ein Schlag vor dem ersten Erklingen der Musik, dem Einsatzzeitpunkt der jeweils mitwirkenden Musiker. Dieser Schlag legt Tempo, Dynamik und Charakter der beginnenden Musik fest. Er wird Vorbereitungsschlag genannt und sollte in der Regel in kongruentem zeitlichen Verhältnis zur Schlaggeschwindigkeit der jeweils folgenden Schlagfigur bzw. des Metrums stehen.

Das Ende eines Stückes wird durch einen Abschlag gekennzeichnet. Dabei können die Hände mit den Unterarmen in einer kreisförmigen Bewegung gegen den Uhrzeigersinn vor dem Körper geschlossen werden. Alternativ werden die Arme nach einer ähnlichen Kreisbewegung schwungvoll nach außen gedreht, die Hand nach einer Kreisbewegung über oder vor dem Kopf zur Faust geschlossen oder ähnliches. Für leise Schlüsse werden auch nur die Finger zusammengeführt. Entscheidend ist der präzise angezeigte Zeitpunkt des Endes. Bei Stücken, die leise bis in die Stille hinein verklingen oder in theoretisch unendlicher Wiederholung in Lautlosigkeit verschwinden, wird ein decrescendo bis zur Bewegungslosigkeit des Dirigenten angezeigt.

Ein Abbruch inmitten des Stückes während einer Probe oder die Forderung nach Ruhe wird durch eine hoch erhobene, nach außen gekehrte Handfläche oder - mittlerweile antiquiert - ein wiederholtes Anschlagen des Taktstocks am Notenpult signalisiert.

Tempo

Das Tempo wird durch rhythmisch gleiche Dirigiergesten (Schlagfiguren) gemeinhin mit der rechten Hand angezeigt; sie können bei Bedarf choreographisch mit dem Erlernen der Partitur einstudiert werden oder auch spontan sein. Die Schlagfiguren stehen hierbei im Dienst des zu regelnden Tempoflusses. Gleichzeitig stehen sie spontaner Gestik (meist der linken Hand) gegenüber, die allerdings vom Ensemble verstanden werden muss, damit sie wirken kann. Letzteres wird vor allem von professionellen Dirigenten angewandt. Eine allmähliche Tempoänderung wird durch langsamer werdende oder schneller werdende Schlagfiguren angezeigt; bei plötzlichem Tempowechsel hat sich ebenso das Tempo der Schlagfigur zeitgleich zu ändern.

„Nicht mit dem Taktschlagen ist es getan, sondern mit der restlosen Beherrschung des Taktschlagens beginnt überhaupt erst das Dirigieren, die Kunst, allen Ausdruck, jede sprachliche Nuance und manches andere in die Bewegung zu legen.“

Dynamik

Ernst von Schuch dirigiert

Dynamik – oder das Anzeigen der Lautstärke – kann auf verschiedene Arten erfolgen. Dynamik kann durch die Größe der Schlagfiguren angezeigt werden: Je größer die eingesetzten Gesten sind, desto lauter soll der Klang sein. Umgekehrt gilt das Gleiche. Wechsel in der Dynamik und Übergänge von der einen in die andere werden insbesondere mit der Hand angezeigt, die nicht zum Anzeigen des Taktes verwendet wird. Eine aufsteigende Bewegung (für gewöhnlich mit der Handfläche nach oben) signalisiert ein crescendo; eine Abwärtsbewegung (gewöhnlich mit der Handfläche nach unten) zeigt ein diminuendo an. Allerdings kann die Veränderung der Lautstärke unbeabsichtigt auch eine Veränderung des Tempos herbeiführen, da mit größerer Gestik auch für die Hände, die die Schlagfiguren ausführen, ein größerer Weg sowie mit kleinerer Gestik ein kürzerer, schnellerer Weg der Hände in derselben Zeit zurückzulegen ist. Insofern haben sich auch die Schlagfiguren der jeweiligen Dynamik durch Veränderung der Schlagfigurengröße anzupassen. Dies zu beherrschen gehört mit zum Erlernen des Dirigierens.

Darüber hinaus gibt es noch weitere individuelle Gesten, die sich auf die Dynamik beziehen. Eine nach oben offen gehaltene Handfläche der Hand, die nicht den Taktstock hält und/oder das Metrum schlägt, kann ebenso ein crescendo oder forte anzeigen wie eine nach unten offen gehaltene Handfläche ein diminuendo oder piano. Plötzliche Wechsel der Dynamik (forte oder piano) werden mit den entsprechend zeitgleich wechselnden Dirigiergesten (groß oder klein) angezeigt. Auch eine vor dem Oberkörper mit der offenen Handfläche nach vorn zeigende Hand kann ein plötzliches piano einfordern oder daran erinnern. Manche Dirigenten müssen für besonders intensive und laute Einsätze springen oder fast ihren gesamten Oberkörper bewegen, um die Größe der Bewegung deutlich von den vorhergehenden Gesten zu unterscheiden; umgekehrt gehen sie in die Knie und/oder beugen sich vor, um eine leise Dynamik anzuzeigen.

Individuelle Gesten und verschiedene Kombinationen aus dem vorher genannten sind vielfältig und nahezu unerschöpflich. Jeder Dirigent wählt eine für ihn authentische und das jeweilige Stück passende Möglichkeit.

Einsätze

Wenn ein neues Instrument, eine andere Sektion des Orchesters oder eine andere Stimmgruppe zu spielen beziehungsweise zu singen beginnt, wird für die einsetzenden Beteiligten vorher meist ein Einsatz benötigt (englisch: „cue“). Technisch entspricht dies einem Auftakt. Ein Einsatz erfolgt, um dem oder den Beteiligten nach einiger Pausenzeit den korrekten Zeitpunkt des Einsatzes zu signalisieren und, wenn es eine Gruppe ist, sicherzustellen, dass dieser in absoluter Übereinstimmung und Gemeinsamkeit stattfindet. Ein Einsatz muss mit großer Präzision gegeben werden, damit alle beteiligten Musiker zusammen anfangen können. Die klare Konzentration auf den Musiker bzw. auf die Stimmgruppe und eine unmissverständliche Geste sind ebenso nötig wie ein kurzes Signal zum Beginn. Dabei sollte der Blickkontakt gehalten werden. Bei mehreren Einsätzen in kurzer Abfolge genügt auch meist der Blickkontakt oder ein Blick in die ungefähre Richtung des Musikers allein. Größere musikalische Ereignisse können deutlich sichtbarere Einsätze erfordern.

Artikulation

Die Dirigiergeste oder der Schlag einer Schlagfigur ist charakteristisch für die Artikulation. Die Bewegung reicht von kurzen und scharfen, dabei hoch konzentrierten Bewegungen für ein staccato bis zu weichen und getragenen Bögen für ein legato. Viele Dirigenten verändern die Spannung der Hände und Arme: Angespannte Muskeln und rigide, schnelle Bewegungen können für „marcato“ (scharfe, gestoßene Artikulation) stehen, während entspannte Hände und Arme und deren sanfte, fließende Bewegungen legato oder espressivo ausdrücken. Manche Dirigenten benutzen für die korrekte Artikulation ihre gesamte Körperspannung. Da die Artikulation sich innerhalb eines Taktes und somit innerhalb einer Schlagfigur ändern kann, besteht die Kunst des Dirigierens mitunter darin, diese verschiedenen Bewegungsarten ständig miteinander kombinieren zu können.

Phrasierung

Die Phrasierung wird ebenfalls über die Hände angezeigt, indem kleinere und größere sowie langsamere und schnellere Bewegungen ineinander übergehen. Bestenfalls wird aus der dirigentischen Geste zu ersehen sein, wohin eine Phrase zielt, sodass diese Intention von dem ausführenden Musiker umgesetzt werden kann. Eine Fermate (gehaltener Klang) wird dadurch angezeigt, dass die Dirigierbewegungen anhalten. Eine nach oben gehaltene offene Handfläche unterstützt das Halten des Klanges und zeigt dessen Dauer an.

Intonation

Die Intonation wird durch die Stimmung der Instrumente vor der Probe oder dem Konzert geregelt. Im Sinfonieorchester ist es Aufgabe des Konzertmeisters, das Einstimmen zu initiieren; in der Regel erfolgt dies durch die Angabe des Kammertons „a“, der meist zwischen 435 und 445 Hz liegt und im Sinfonieorchester durch das Instrument der Oboe angegeben wird. Bei A-cappella-Chorwerken wird der erste Ton oder Akkord vor dem Konzert über eine Stimmgabel vom Dirigenten angegeben.

Während der Proben sollte der Dirigent die Kontrolle über die Intonation des Ensembles haben. Für eine erfolgreiche Proben- und Aufführungsarbeit ist es erforderlich, dass der Dirigent ein gutes, untrügliches Gehör hat, mit dem er Ungenauigkeiten erkennen und korrigieren kann. Je genauer sein Gehör ist, desto minutiöser kann er in das Klangbild und die Klanggestaltung eingreifen. Innerhalb des Stückes kann der Dirigent über nach oben oder unten zeigende Handzeichen der freien Hand die Intonation einzelner Musiker oder Stimmgruppen korrigieren.

Ausdruck

Die Mimik des Dirigenten, seine Gestik und seine Körperhaltung bzw. Körperspannung können den gewünschten Ausdruck eines Stückes zusätzlich verdeutlichen. Eine vorherige Verständigung über den Inhalt ist zwar manchmal sinnvoll, um etwaigen Übertreibungen vorzubeugen, andererseits erspart oft eine eindeutige gestische, körpersprachliche oder mimische Kommunikation im Probenverlauf die Unterbrechung und verbale Instruktion.

Dirigieren von kleinen und großen Ensembles

Kammerorchester, Streichquartett und Chor

Bei kleinen, kammermusikalischen Ensembles kann die Rolle des Dirigenten von einem der Ensemblemitglieder übernommen werden. Dies geschieht insbesondere bei Kammerorchestern durch den Konzertmeister und bei einem Streichquartett durch den ersten Geiger, genannt Primarius, indem diese während des Mitspielens Signale an das Ensemble geben. Ebenso bei A-cappella-Chören kann es einen Dirigenten innerhalb des Ensembles geben. Für diese auch eher angedeutete Form des Dirigierens bleibt der Musiker an seinem Platz und verständigt sich nonverbal über Blickkontakt und reduzierte Gestik, die vom Zuschauer nicht wahrgenommen werden soll, mit seinen Kollegen. Kleinere Orchester wurden noch im 18. Jahrhundert vom Tasteninstrument aus geleitet. Dabei wurden auch deutlichere Gesten verwendet.

Besonders ausgeprägt pflegt der Dirigent und Pianist Daniel Barenboim diese Sitte am Flügel, wenn er Klavierkonzerte aufführt. Lorin Maazel spielte gerne beim Dirigieren die Violine, zuletzt im Wiener Neujahrskonzert 2005 (Solostimme im Vorspiel der Geschichten aus dem Wienerwald von Johann Strauss).

„Oft ist es besser, gar nicht zu dirigieren, dann stört man wenigstens nicht.“

Große Ensembles und Oper

Bei der Leitung einer mittelgroßen (Sinfonieorchester) oder sehr großen Gruppe von Musizierenden (Orchester mit Chor) wird ein Taktstock verwendet, der hauptsächlich dazu dient, kleinere Bewegungen der Hand über eine größere Entfernung hin sichtbar zu machen. Der Dirigent steht in diesem Falle gut sichtbar vor dem Ensemble mit dem Rücken zum Publikum, meist auf einem Podest. Eine Ausnahme sind hier Militärmusik und Festumzüge, bei denen das Orchester bzw. die Kapelle in Bewegung ist und der Dirigent mit marschiert.

In der Oper übernimmt der Dirigent eine Doppelrolle: er leitet die Sänger und Chöre auf der Bühne und das Orchester im Orchestergraben. Er muss für alle sichtbar sein, um das Zusammenspiel der beiden Ebenen einerseits stets zu koordinieren und andererseits Einfluss auf die Gestaltung der Aufführung nehmen zu können. Der Operndirigent steht mit dem Rücken zur Wand des Orchestergrabens und hat so das Orchester und die Bühne vor sich. Durch die Tatsache, dass die Musiker auf der Bühne durch die Regie räumlich in Bewegung sind, wird die Kommunikation zwischen Dirigent und ihnen erschwert. In diesem Fall werden zusätzlich die Bewegungen des Dirigenten behelfsweise von Monitoren seitlich der Bühne übertragen und/oder durch einen zweiten Dirigenten unterstützt, der so originalgetreu wie möglich die Bewegungen des ersten Dirigenten von einem Monitor übernimmt und weitergibt. In manchen Opernhäusern übernimmt der Souffleur zusätzlich diese Rolle, beispielsweise an der Metropolitan Opera in New York oder an der Königlichen Staatsoper Stockholm.

Ausbildung

Wenn es auch möglich ist, als Amateur beziehungsweise ohne Ausbildung ein Ensemble zu dirigieren, so ist Dirigieren seit dem 19. Jahrhundert ein universitärer Studiengang von heutzutage vierjähriger Dauer, der von den meisten Musikhochschulen angeboten wird. Kirchenmusiker und Schulmusiker erhalten ebenfalls eine grundlegende Ausbildung in Ensembleleitung.

Im deutschsprachigen Raum erfolgt die Hochschul-Ausbildung zum Dirigenten traditionsgemäß großteilig vor einem Klavier (oder auch mehreren). Das Klavier soll den großen logistischen Aufwand eines Orchesters ersetzen und dessen Spiel imitieren. Der Dirigierstudent erlernt sein technisches Handwerk somit hauptsächlich vor Klavieren, welche in den meisten Fällen von den Kommilitonen und Lehrern gespielt werden. Folglich ist ein gutes Klavierspiel mitunter Voraussetzung für das Dirigierstudium. Da jedoch das Klavier in mehrfacher Hinsicht (Klang, Klangreaktion) nicht mit den Instrumenten des Orchesters vergleichbar ist, besteht für den Dirigierstudenten zwangsläufig eine Diskrepanz zwischen dem Klavier- und Orchesterdirigat. Für Abschlussprüfungen (Vordiplom oder Diplom) wird sich daher bemüht, den Studenten dann zu diesem Zweck ein Orchester bereitzustellen. In anderen Ländern, insbesondere in den USA, wird versucht, ein instrumentales Ensemble den Studierenden regelmäßiger zur Verfügung zu stellen, vor dem diese dann ihren Unterricht erhalten können.

Auf dem Weg der Laienausbildung der Musikverbände und Chöre – etwa im Bund Deutscher Musikverbände, im Deutschen Chorverband usw. – ist es möglich, eine Qualifikation als Dirigent zu erwerben. Auch dieser Weg nimmt mehrere Jahre in Anspruch. Er besteht aus einer Reihe aufeinander aufbauender Kurse (C1–C3 usw.) bis zu einer Qualifikation, die dem alten B-Abschluss eines universitären Studiengangs entspricht. Andernfalls wäre es nicht möglich, die breite Basis an Laien- und Hobbyorchestern mit Dirigenten zu versorgen.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Wiktionary: dirigieren – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Lee Humphries: What to think about when you conduct (in vier Teilen: 1, 2, 3, 4)

Einzelnachweise

  1. Vgl. Duden online: dirigieren und Dirigat