Doggerstollen

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Der Eingang F zum Doggerstollen in der Houbirg

Der Doggerstollen (auch Doggerwerk genannt) ist ein Stollensystem im Bergstock der Houbirg, welches zur Zeit des Nationalsozialismus zur Herstellung von kriegswichtigen Flugzeugmotoren dienen sollte. Der Namensbestandteil Dogger bezieht sich auf einen gelbbraunen feinkörnigen Sandstein, in dem er sich befindet.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Stollen wurde von Mai 1944 bis April 1945 von Häftlingen des KZ-Außenlagers Hersbruck, einem Nebenlager des KZ Flossenbürg, in Zwangsarbeit angelegt. Für den Bau wurde am 1. März 1944 ein sogenannter Jägerstab eingesetzt, welcher nach einem Übereinkommen zwischen dem Reichsrüstungsministerium und dem Reichsluftfahrtministerium gebildet werden konnte. Im Frühjahr 1944 wurde der Betriebsführung der Bayerischen Motorenwerke München befohlen, die Fertigung der Flugzeugmotoren vom Werk II (Allach bei München) in den Bergstock der Houbirg zu verlagern. Hier sollten für eine geplante unterirdische Fabrik (U-Verlagerung) kriegswichtige BMW 801-Flugzeugmotoren produziert werden. Die Bauleitung und der SS-Führungsstab befanden sich in Happurg. Der Tarnname war „Esche 1“, jedoch wurde dieser 1945 in Dogger umgewandelt.

Die Häftlinge kamen in der Regel zu Fuß die fünf Kilometer lange Strecke vom Barackenlager in Hersbruck und arbeiteten in zwei Schichten. Vom Bahnhof Pommelsbrunn führte zwecks Materialtransport eine Stichbahn hoch bis zur Baustelle an der Houbirg. Bis Kriegsende wurden 0,5 Millionen Kubikmeter Sandstein in 3,9 Kilometer Stollen gebrochen; davon wurden ca. 750 Meter betoniert. Die Gesamtfläche hätte 100.000 Quadratmeter betragen sollen, fertiggestellt wurden davon lediglich 15.000 Quadratmeter. In dieser Zeit war das KZ-Außenlager mit rund 9.500 Häftlingen besetzt, im besagten Zeitraum kamen auf Grund der Arbeits- und Lebensbedingungen rund 4.000 Menschen ums Leben.

Plan der Anlage

Doggerstollen heute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Stollen sind heute zugemauert und nur mit Sondergenehmigung durch normalerweise verschlossene Türen zu betreten. Derzeit laufen Bestrebungen durch den Verein „Dokumentationsstätte KZ Hersbruck“, einen Stollenabschnitt von rund 250 Meter als zeitgeschichtliches Dokument zu öffnen und begehbar zu machen. Von der zuständigen Bundesbehörde liegt dafür die Zustimmung bereits vor. Finanzielle Hoffnungen macht sich der Verein auf das Leader-Plus-Programm der Europäischen Union, die über den Titel „Gesundheitsregion und touristische Belebung“ rund 50 % der notwendigen 325.000 Euro teuren Maßnahme beitragen könnte.

Im Mai 2006 bemängelte ein Gutachten im Auftrag der Bayerischen Gedenkstättenstiftung das Fehlen „fachlich historischer, didaktischer und museologischer Qualitätsstandards“ im Konzept des Vereins. Jens-Christian Wagner, Gutachter und Leiter der „Mahn- und Gedenkstätte Mittelbau-Dora“ Nordhausen, befürchtet in seiner Expertise, dass in der gegenwärtigen Konzeptform bei den Besuchern eher „Höhlenromantik und Technikbegeisterung“ überwiegen und sozialgeschichtliche Aspekte wie die Leidensgeschichte ungarischer Juden oder die Mitarbeit von Fremdarbeitern und Polizeihäftlingen nicht genügend herausgearbeitet werden.

In einer Stellungnahme vom Juli 2006 widerlegte und entkräftete der Verein die Kritikpunkte des Gutachtens und wies darauf hin, dass nicht zutreffende Annahmen zu der negativen Bewertung der Expertise geführt hätten. Der Verein erstrebt keine komplett eingerichtete Dokumentationsstätte in oder bei den Stollen in Happurg, wie dies im Gutachten angenommen wird, sondern der Schwerpunkt der Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit soll nach wie vor in Hersbruck liegen und den gesamten Komplex „Außenlager KZ Hersbruck“ umfassen. Das Doggerwerk selbst ist darin einer von mehreren wichtigen Lern- und Gedenkorten.

Dass das Thema mit dieser Expertise nicht vom Tisch ist, beweist die Expertise selbst, in der auf die Bedeutung des ehemaligen KZ-Geländes in Hersbruck und der Doggerstollen in Happurg hingewiesen wird und die Notwendigkeit der Erhaltung und Kennzeichnung der beiden Stätten im Sinne von Erinnerungs- und Lernorten gefordert wird. Mit dem Gutachten ist jedoch die Möglichkeit zunichtegemacht worden, jetzt oder in naher Zukunft die Stollen mit Hilfe von – jetzt vergebenen – EU-Geldern zur Hälfte der Kosten zu öffnen.

Bei einer Tagung am 17. und 18. November 2006 der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten unter dem Motto „Die KZ-Außenlager in Bayern, Bestandsaufnahme und Perspektiven“ auf dem Gelände der Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg hatten auch die eingeladenen Vertreter des Hersbrucker Vereins die Gelegenheit, ihre Vorstellungen einer Gedenkstätte Hersbruck/Happurg vor dem anwesenden Fachpublikum, vor KZ-Überlebenden und Vertretern der internationalen Politik darzulegen. Dabei zeigte sich, dass die Vorstellungen des Hersbrucker Vereins und diejenigen der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten nicht sehr weit auseinander liegen. In Zukunft will man aufeinander zugehen und gemeinsam ein Konzept für eine Dokumentationsstätte „KZ-Hersbruck“ ausarbeiten. Ein Zeitplan für die Umsetzung der Pläne ist noch nicht vorhanden.

Am 25. Januar 2016 soll unterhalb des Stolleneingangs eine Gedenkstätte eingeweiht werden. Auf sechs Infostelen und mit einem historischen Bohrhammer soll an die von den KZ-Häftlingen erzwungene Schwerstarbeit erinnert werden.[1]

In den vermauerten Stolleneingängen wurden Fluglöcher für Fledermäuse freigelassen. Die Stollen dienen heute damit dem Artenschutz.

Etwa 10000 m² des Komplexes gelten heute als stark einsturzgefährdet. Einige Stollen werden deshalb seit Herbst 2017 im Auftrag der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mit einem Kostenaufwand von etwa 1,8 Millionen Euro verfüllt.[2][3]

Die Anlage ist vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege als Baudenkmal (D-5-74-128-69) ausgewiesen.

Aufgeschüttetes Plateau vor Eingang H, Panoramablick, Mai 2014

Dokumentarfilme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Spiegel-TV-Dokumentarfilme „Brutalität in Stein - Die Bauten der Nazis“ (2002) und "Das unterirdische Reich – Die geheimen Welten der Nazis" (2003) zeigen den Doggerstollen von innen und bietet Einblicke in dessen Geschichte.
  • Des Weiteren gibt es noch den Dokumentarfilm „KZ Hersbruck und das Doggerwerk“ aus dem Jahr 1999.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • G. Faul: Sklavenarbeiter für den Endsieg. Hersbruck 2003. (Hrsg. von Dokumentationsstätte KZ Hersbruck e.V.)
  • Alfons Baier, Dieter Freitag: Das Doggerwerk bei Happurg (Nürnberger Land) - Zur Geschichte und Geologie einer unterirdischen Rüstungsfabrik. In: Geol. Bl. NO-Bayern. Band 46, Nr. 3/4. Erlangen 1996, S. 145–174 (Kurzfassung HTML [abgerufen am 31. Dezember 2008] 4 Abb., 5 Taf.).
  • Georg Wilhelm Schäfer: Das war´s - Lebenserinnerungen. Hrsg.: Georg Wilhelm Schäfer. Darmstadt September 2000, S. 39–42 (139 S., online).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Doggerstollen (Happurg) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Sklavenarbeit im Stollen in: Nordbayerischer Kurier vom 23./24. Januar 2016, S. 8
  2. Teilverfüllung der Stollen wegen Einsturzgefahr, Pressebericht Nordbayern.de vom 23. September 2016 mit Fotos vom Innenraum
  3. Sicherungsmaßnahmen am Happurger Doggerstollen laufen. In: n-land.de. 26. Mai 2018, abgerufen am 11. Dezember 2019.

Koordinaten: 49° 29′ 34″ N, 11° 29′ 11,1″ O