Dr.-Karl-Lueger-Platz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Dr.-Karl-Lueger-Platz
Platz in Wien-Innere Stadt
Dr.-Karl-Lueger-Platz
Basisdaten
Ort Wien-Innere Stadt
Ortsteil Innere Stadt
Angelegt 1865
Neugestaltet 1926
Einmündende Straßen Wollzeile, Dominikanerbastei, Biberstraße, Stubenring, Parkring, Weiskirchnerstraße, Stubenbastei
Bauwerke Palais Klein, Lueger-Denkmal
Nutzung
Nutzergruppen Fußverkehr, Radverkehr, Autobus 3A, 74A, Straßenbahn 2, U-Bahn U3
Platzgestaltung Einbahn und Fußgängerzone
Technische Daten
Platzfläche ca. 4640 m²
Der Dr.-Karl-Lueger-Platz in Richtung Wollzeile

Der Dr.-Karl-Lueger-Platz liegt im 1. Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt. Er wurde 1926 nach dem Wiener Bürgermeister Karl Lueger benannt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf dem Gebiet des heutigen Dr.-Karl-Lueger-Platzes lagen im Mittelalter der Stadtgraben und das Glacis vor dem Stubentor. Ab 1561 befand sich hier die Kurtine zwischen Braun- und Dominikanerbastei und das nach außen verlegte neue Stubentor im Zuge der Wollzeile. Nachdem dieses 1858–1862 abgerissen wurde, verlängerte man 1865 die Wollzeile quer über den Ring bis zum Wienfluss, wodurch sich die Bauplätze für die Häuser Nr. 1, 2 und 3 am Südrand des heutigen Platzes ergaben. Der nördlich der Wollzeile bestehende freie Platz am neuen Stubenring zählte bis zur Demolierung 1901 zum Areal der bis 1857 außerhalb der Stadtmauer errichteten Franz-Joseph-Kaserne und blieb dann vorerst namenlos. Am nördlichen Rand (Häuser Nr. 5 und 6) wurden nun historistische Gebäude errichtet.

1926 wurde unter Bürgermeister Karl Seitz entschieden, das von einem privaten Komitee gestiftete Luegerdenkmal hier aufzustellen; im Zuge dessen erhielt der Platz den heutigen Namen. 1907–1926 hatte der zuvor und danach Rathausplatz genannte Platz vor dem Wiener Rathaus den Namen Luegers getragen, doch erschien dem Roten Wien diese Adresse unangebracht, da Lueger die Beteiligung der Arbeiterschaft an der Kommunalpolitik Wiens verhindert hatte. (Im Reichsrat, dem gesamtstaatlichen Parlament, war 1907 das allgemeine, gleiche, direkte und persönliche Männerwahlrecht eingeführt wurden; Lueger weigerte sich, diese Regelung für Wien zu übernehmen.)

Der Häuserblock südlich des Platzes, an der Ecke zum Parkring, bis dahin mit Hausnummern der Wollzeile versehen, erhielt nun die Hausnummern Dr.-Karl-Lueger-Platz 1, 2 und 3. Jenseits der Ringstraße setzte sich die Wollzeile fort, bis dieser Teil 1932 in Weiskirchnerstraße umbenannt wurde; Richard Weiskirchner war als Magistratsdirektor engster Mitarbeiter Luegers und wurde 1912 selbst der letzte christlichsoziale Bürgermeister von Wien.

Lage und Charakteristik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Dr.-Karl-Lueger-Platz liegt im Osten der Inneren Stadt. Er wird im Osten vom Stubenring und im Westen vom Straßenzug Dominikanerbastei / Stubenbastei begrenzt. Weitere Straßen, die zum Platz führen, sind die Wollzeile im Westen und die Biberstraße im Norden. Über den Platz führt eine wichtige Verbindung aus der Inneren Stadt Richtung Landstraße, wobei der Autoverkehr stark eingeschränkt ist.

Im Zentrum des Platzes befinden sich eine Grünanlage mit Sitzbänken, das Luegerdenkmal und ein Zugang zur U-Bahn-Station Stubentor. Diese Station der U-Bahn-Linie U3 liegt unter dem Dr.-Karl-Lueger-Platz; ihr Name erinnert an das einstige Stadttor. Weitere hier verkehrende öffentliche Verkehrsmittel sind die Autobuslinie 1A und die Straßenbahnlinie 2, die ihre Haltestellen auf der Ringstraße beim Dr.-Karl-Lueger-Platz hat, selbst aber nicht über den Platz führt. Der Platz ist somit eine wichtige Umsteigestation für den öffentlichen Verkehr und wird stark von Fußgängern frequentiert. Für diese ist er auch einer der Zugänge zur historischen Altstadt.

Die Verbauung besteht großteils aus historistischen Gebäuden, im Westen befinden sich ein Bau aus den 1930er Jahren und ein schmuckloses Gebäude aus der Nachkriegszeit, die den Ensemblecharakter aber wenig zu stören vermögen. Am Stubenring liegt dem Platz gegenüber das Österreichische Museum für angewandte Kunst, am Parkring der Stadtpark.

Bemerkenswerte Gebäude[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Relief am Luegerdenkmal
Graffiti auf dem Denkmal in Anspielung auf die antisemitische Haltung Luegers, Sept. 2020

Lueger-Denkmal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Denkmal für den Wiener Bürgermeister Karl Lueger wurde 1913–1916 vom Bildhauer Josef Müllner geschaffen und sollte ursprünglich auf dem Rathausplatz aufgestellt werden. 1926 fand es seinen Platz auf dem neuen Dr.-Karl-Lueger-Platz. Auf einem Steinsockel steht die späthistoristische Bronzestatue des Bürgermeisters, die an den Ecken von vier Steinstatuen flankiert wird, die die Leistungen Luegers symbolisieren. Dabei handelt es sich um einen Arbeiter mit Gasrohr, der die Kommunalisierung der Gaswerke andeutet, einen Landarbeiter, der die Schaffung des Wald- und Wiesengürtels um Wien symbolisiert, eine trauernde Mutter, die auf die Witwen- und Waisenfürsorge hinweist, und einen alten Mann, der den Bau des Versorgungsheims in Lainz darstellt. Außerdem befinden sich auf jeder Seite des Sockels Reliefs, die ebenfalls Leistungen Luegers illustrieren.

Weil der Namensgeber Karl Lueger sich als Politiker des antisemitischen Populismus bediente, schrieb die Universität für angewandte Kunst Wien 2009 einen Wettbewerb zur Umgestaltung des Denkmals zu einem „Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich“ aus.[1] Bis April 2010 waren über 150 Vorschläge eingelangt.[2] Im September 2020 wurde das Denkmal mit roter und gelber Farbe von Unbekannten besprüht. Anstoß für die Aktion war die Black-Lives-Matter-Bewegung aus den Vereinigten Staaten, in der u. a. die Entfernung von Denkmälern von Rassisten gefordert wurde.[3]
Im November 2021 wurde bekannt, dass die Stadt eine Umgestaltung des Denkmals plant. Die Ausschreibung zur Umgestaltung soll bis Herbst 2022 bereit sein und die neue Form 2023 vorgestellt werden. Die Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler sprach im Zusammenhang mit der Neugestaltung von einer „künstlerische[n] Kontextualisierung“. Für die Neugestaltung des Denkmals wurde ein Abriss abgelehnt und Änderungen am Denkmal müssen den geltenden Bestimmungen zum Denkmalschutz entsprechen. Bis zur Umgestaltung sollen die „Schande“ Schriftzüge auf der Statue verbleiben.[4]

Naturdenkmal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hinter dem Luegerdenkmal steht eine große Platane, die seit 1994 als Wiener Naturdenkmal 756 klassifiziert ist.

Reste der Stubenbastei mit Palais Klein im Hintergrund

Reste des Stubentores[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zuge der Errichtung der U-Bahn-Station Stubentor wurden 1985–1987 bemerkenswerte Reste des nach 1858 abgerissenen Stubentors freigelegt. Teile der ehemaligen Stubenbastei wurden so aufgemauert, dass sie bis zur Oberfläche des Platzes sichtbar sind, während der Grundriss des Stubentors auf der Fahrbahn angedeutet wurde. An der Mauer der Stubenbastei wurden drei Informationstafeln angebracht, während in der U-Bahn-Station Vitrinen mit historischen Bildern über das Stubentor informieren. Die Station selbst wurde 1991 eröffnet und von der Architektengruppe Wilhelm Holzbauer, Heinz Marschalek, Georg Ladstätter und Norbert Gantar geplant. Vor den Mauerresten auf dem Dr.-Karl-Lueger-Platz steht ein Bronzemodell der ummauerten Wiener Altstadt, das 1991 in Italien geschaffen wurde. An der Mauer selbst wurde eine Gedenktafel für den Täufer Balthasar Hubmaier angebracht, der 1528 vor dem Stubentor hingerichtet wurde.

Nr. 2: Palais Klein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1867 errichtete der Architekt Carl Tietz auf der mittleren Parzelle des Häuserblocks, neben dem Haus Nr. 1 an der Ecke zum Parkring, das strenghistoristische Palais Klein für die Industriellenfamilie Klein. Der hintere Trakt des Gebäudes wurde 1945 zerstört, nach dem Krieg folgten Veränderungen am Portal. Bemerkenswert sind vor allem die gut erhaltenen Räume der Beletage mit Deckengemälden.

Nr. 4: Dominikanerkloster[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An der Westseite des Platzes erstreckte sich ein Teil der hochmittelalterlichen Anlage des Dominikanerklosters bis zur Wollzeile. Dieser Trakt wurde 1937 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, wobei auch das reich ausgestattete Refektorium verloren ging. Durch den Neubau führt eine Durchfahrt zur Postgasse.

Nr. 5: Ehemalige Post- und Telegraphendirektion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehemalige Post- und Telegraphendirektion (1902 / 1903) von Leopold Simony

An der Nordseite des Platzes entstand 1902–1903 zwischen Dominikanerbastei und Biberstraße, auf drei Seiten freistehend, das späthistoristische Gebäude der Post- und Telegraphendirektion nach Plänen von Leopold Simony. Einflüsse von Otto Wagner sind unübersehbar. Über die abgerundeten Hausecken führen Balkone. Am Portal befindet sich ein bemerkenswertes Schmiedeeisentor.

Nr. 6: Café Prückel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wohn- und Geschäftshaus Dr.-Karl-Lueger-Platz Nr. 6

Zwischen Stubenring und Biberstraße befindet sich ein mächtiges späthistoristisches Gebäude, das 1902 / 1903 von Jakob Gartner im Auftrag des Rechtsanwalts Adolf Gallia erbaut wurde. Die Gestaltung der reichen Fassade fand im neobarocken Stil statt. Das Erdgeschoß wird vom Café Prückel eingenommen, das 1903 als Café Lurion eröffnet wurde. In den 1950er Jahren erfolgte im Inneren eine Umgestaltung durch Oswald Haerdtl. Diese Gestaltung blieb bis heute im vorderen Teil des Lokals erhalten, während der hintere Bereich in den 1980er Jahren wieder sein Aussehen aus der Zeit des Jugendstils erhielt.

Kritik an der Benennung des Platzes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Benennung des Platzes zu Ehren von Karl Lueger wurde wiederholt kritisiert, da Lueger bekennender Antisemit war und öffentlich zum Mord an Juden aufgerufen hat. Der von der Stadt Wien 2011 in Auftrag gegebene Bericht Straßennamen Wiens seit 1860 als „Politische Erinnerungsorte“ stuft die Benennung in die „Gruppe A“ ein, die Kategorie der Benennungen, die als die problematischsten angesehen werden.[5] Bei den Platz-da!-Kundgebungen 2022 setzten sich Ensemblemitglieder des Burgtheaters und des Wiener Volkstheaters, Vertreter der IKG Wien, der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen, der Akademie der bildenden Künste Wien, der Universität für angewandte Kunst Wien, sowie zahlreiche weitere Prominente für die Umbenennung des Platzes ein. Ebenfalls im Jahr 2022 richteten neun prominente in Österreich geborene Shoa‑Überlebende um den Nobelpreisträger Eric Kandel einen offenen Brief an Bürgermeister Michael Ludwig mit der Forderung den Platz umzubenennen.[6] Der Brief wurde von Bürgermeister Ludwig nicht beantwortet. Auch IKG-Präsident Oskar Deutsch[7] und der Direktor von Yad Vashem Dani Dayan[8] haben sich für eine Umbenennung ausgesprochen.

Umbenennungsvorschläge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es wurden zahlreiche Vorschläge für die Umbenennung des Platzes gemacht. Eine Bürgerinitiative wollte den Platz 2013 nach Nelson Mandela benennen.[9] Eine Petition mit über 41.000 Unterschriften forderte 2018 die Benennung nach der Aktivistin Ute Bock.[10] Die Nationalrätin Eva Blimlinger hat 2020 eine Benennung nach Theodor Herzl ins Spiel gebracht.[11] Der Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien Gerald Bast und der Direktor des MAK – Museum für angewandte Kunst Christoph Thun-Hohenstein haben sich 2021 gemeinsam für eine Benennung nach Friedl Dicker-Brandeis ausgesprochen.[12] Der ehemalige ÖVP-Bundesparteivorstand und Furche-Herausgeber Wilfried Stadler hat 2022 eine Benennung nach Bertha von Suttner vorgeschlagen.[13] Die Stadtregierung lehnt eine Umbenennung des Platzes bislang kategorisch ab.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien Bd. 2. Kremayr & Scheriau 1993.
  • Bundesdenkmalamt (Hrsg.): Dehio-Handbuch Wien. I. Bezirk – Innere Stadt. Verlag Berger, Horn 2003.
  • Aleida Assmann: Dr. Karl Lueger. In: dies.: Formen des Vergessens. Wallstein Verlag, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8353-1856-4, S. 81–86.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Dr.-Karl-Lueger-Platz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ausschreibung zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Österreich
  2. Lueger-Denkmal: Über 150 Ideen eingereicht (ORF Wien, 6. April 2010)
  3. Andrea Beer, Wiener Statue erhitzt die Gemüter. In: Tagesschau.de vom 10. Oktober 2020, 13.40 Uhr – online abrufbar
  4. Antisemitismus: Stadt bekennt sich zum Umgang mit Lueger-Denkmal auf kurier.at
  5. Oliver Rathkolb, Peter Autengrubet, Birgit Nemec, Florian Wenninger: Straßennamen Wiens seit 1860 als „Politische Erinnerungsorte“. Abgerufen am 23. September 2022.
  6. Alexandra Föderl-Schmid: Lueger-Denkmal in Wien: Holocaust-Überlebende fordern Entfernung. 24. Juni 2022, abgerufen am 23. September 2022.
  7. IKG-Präsident für „Schoah-Zentrum“ in Wien. 7. August 2022, abgerufen am 23. September 2022.
  8. Dani Dayan, Anna Goldenberg: "Es wird eine Happy Hour für Holocaustleugner sein". 21. September 2022, abgerufen am 23. September 2022.
  9. Michael Matzenberger: Wiener Lueger-Platz soll Mandela-Platz werden. 9. Dezember 2013, abgerufen am 23. September 2022.
  10. Ute-Bock-Platz statt Karl-Lueger-Platz! Abgerufen am 23. September 2022.
  11. Eva Blimlinger: Karl Lueger mit Theodor Herzl verdecken. 6. Oktober 2020, abgerufen am 23. September 2022.
  12. Universität für angewandte Kunst Wien: Gemeinsame Erklärung von Senat und Rektorat zum Thema Lueger-Platz / Lueger- Denkmal. 10. Dezember 2021, abgerufen am 23. September 2022.
  13. Wilfried Stadler: Ein Gedenkplatz für Bertha von Suttner. 28. Juli 2022, abgerufen am 23. September 2022.

Koordinaten: 48° 12′ 27″ N, 16° 22′ 47″ O