Dreißig Tyrannen in der Historia Augusta

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Als Dreißig Tyrannen (tyranni triginta) werden in den Kaiserviten der spätantiken Historia Augusta 30 (genauer gesagt: 32) römische Usurpatoren (im spätantiken Sprachgebrauch: tyranni)[1] bezeichnet, die sich während der Regierungszeit des Kaisers Gallienus (260–268) erhoben hatten bzw. haben sollen.

Dabei handelt es sich in der (nicht chronologischen) Textfolge um: Cyriades, Postumus, Postumus den Jüngeren, Lollianus, Victorinus, Victorinus den Jüngeren, Marius, Ingenuus, Regalianus, Aureolus, Macrianus, Macrianus den Jüngeren, Quietus, Odaenathus, Herodes, Maeonius, Ballista, Valens, Valens den Älteren (?), Piso, Aemilianus, Saturninus, Tetricus den Älteren, Tetricus den Jüngeren, Trebellianus, Herennianus (?), Timolaus (?), Celsus, Zenobia, Victoria, Titus und Censorinus.[2]

Bei der besagten Historia Augusta handelt es sich um eine sehr problematische Quelle, ganz besonders was die Kaiserviten für die Reichskrise des 3. Jahrhunderts betrifft, in die zahlreiche fiktive Elemente eingeflochten wurden. Der Wahrheitsgehalt vieler Aussagen kann daher für den genannten Zeitraum nicht immer mit letzter Sicherheit bestimmt werden. Die moderne Forschung konnte nachweisen, dass die meisten Viten der so genannten „dreißig Tyrannen“ ganz (wie die des angeblichen Gegenkaisers Censorinus) oder doch wenigstens größtenteils erfunden sind, wobei teils sogar nicht nur der Lebenslauf, sondern auch die Namen reine Fiktion sind.

Der anonyme Verfasser der Historia Augusta bemühte sich offenbar, die Herrschaft des Gallienus so düster wie möglich zu schildern, die Bezeichnung dreißig Tyrannen spielt wohl auf die Herrschaft der Dreißig in Athen im späten 5. Jahrhundert v. Chr. an. Mit seiner negativen Darstellung des Gallienus lag er auf einer Linie mit anderen lateinischen senatorischen Geschichtsschreibern, die ihre Informationen wahrscheinlich aus der Enmannschen Kaisergeschichte schöpften; im Gegensatz dazu schneidet der Kaiser bei den griechischen Geschichtsschreibern vorteilhafter ab. Der anonyme Autor der Historia Augusta verfuhr sehr großzügig und rechnete auch Gegenkaiser zu den dreißig Tyrannen, die kurz vor oder nach Gallienus die Macht ergriffen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hartwin Brandt: Facts and Fictions – die Historia Augusta und das 3. Jahrhundert. In: Klaus-Peter Johne und andere (Herausgeber): Deleto paene imperio Romano. Transformationsprozesse des Römischen Reiches und ihre Rezeption in der Neuzeit. Stuttgart 2006, S. 11–23.
  • Klaus-Peter Johne: Die Biographie des Gegenkaisers Censorinus. Ein Beitrag zur sozialen Herkunft der Historia Augusta. In: Bonner Historia-Augusta-Colloquium 1972/1974. Herausgegeben von Andreas Alföldi und Johannes Straub, Bonn 1976, S. 131–142.
  • Giuseppe Zecchini: I Tyranni Triginta. In: Atti dei Convegni Internazionali sulla „Historia Augusta“ 1994. Bari 1997, S. 265ff.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vergleiche Joachim Szidat: Usurpator tanti nominis. Kaiser und Usurpator in der Spätantike (337-476 n. Chr.). Stuttgart 2010, S. 27ff.
  2. Kursiv gesetzte Figuren sind sicher oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit fiktiv. Ein Fragezeichen kennzeichnet Figuren, deren Identifikation unsicher ist oder bei denen eine Vermengung von Viten bzw. eine Verwechslung vorliegt.