Dies ist ein als lesenswert ausgezeichneter Artikel.

Dura Europos

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 11. Oktober 2016 um 14:53 Uhr durch Mario Eberhardt (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Koordinaten: 34° 44′ 51″ N, 40° 43′ 48″ O

Karte: Syrien
marker
Dura Europos
Karte Armeniens unter Tigranes II. und Teile des Parthischen Reiches mit Dura Europos

Dura Europos, auch Dura-Europos, Vorlage:ELSalt, arabisch Qal'at es-Salihiye; war eine griechische Stadt, die um 300 v. Chr., auf Anweisung von Seleukos I. (312–280 v. Chr.), gegründet wurde. Ob es eine indigene Vorgängersiedlung gab, ist bislang nicht geklärt. Dura Europos liegt im heutigen Syrien am Euphrat, kurz vor der Grenze zum Irak. Der Ort war zunächst eine griechische Siedlung im Seleukidenreich und dann vor allem in parthischer Zeit das administrative und wirtschaftliche Zentrum der Region.[1] Die Stadt gehörte spätestens seit den Severern als Grenzfestung zum Imperium Romanum, wurde 256/57 von den Sassaniden erobert und schwer zerstört und wohl 273 für immer verlassen. Die Ruinen sind deshalb gut erhalten; das trockene Wüstenklima bewahrte auch viele organische Materialien. Der Ort wird aus diesem Grund auch oft als das „Pompeji des Ostens“ bezeichnet.

Lage

Dura Europos in römischer Zeit (Stadtplan)

Die Stadt wurde auf einem flachen Plateau an einem Steilufer des Euphrattales errichtet, so dass Dura Europos etwas oberhalb des Flusses lag. Im Norden und Süden gab es tiefe Schluchten, die der Stadt auf dem Plateau natürliche Grenzen und auch Schutz boten. Nur zum Westen hin öffnete sich die Stadt zur Wüste. Innerhalb des Stadtgebietes gab es auch einige Schluchten und Wadis. Diese trennten das eigentliche Stadtgebiet von der Zitadelle und der Akropolis. Zu den Schluchten hin fiel das Plateau etwas ab. Die Straßen wurden hier teilweise durch Stufen weitergeführt. Die ganze Stadt war von einer Mauer umgeben, die an der Westseite besonders ausgebaut war, während die anderen Seiten durch die Schluchten und das Ufer leichter zu verteidigen waren. Als vor dem letzten Angriff der Sassaniden die Stadtmauer verstärkt wurde, geschah dies folgerichtig hauptsächlich an der Westseite.

Während das Euphrattal fruchtbar ist und viel Ackerland bietet, lag die eigentliche Stadt in der Wüste.

Geschichte

Reste der Zitadelle

Dura, Duru, Dur, Der oder Dor ist ein häufiger Ortsname in der babylonischen und assyrischen Welt und mag auf eine vorhellenistische Siedlung hinweisen. Es gibt einige spätbabylonische Siegelfunde und eine Keilschrifttafel aus der Stadt. Architektonische Zeugnisse aus vorhellenistischer Zeit fehlen jedoch bisher. Die ersten Siedler in hellenistischer Zeit waren wahrscheinlich altgediente makedonische Veteranen, die Kleruchoi, die hier ein Stück Land zum Dank für ihre Dienste erhalten hatten. Als eigentlicher Gründer wird bei Isidoros von Charax[2] ein gewisser Nikanor genannt. Zwei bedeutende Personen mit diesem Namen sind aus der Zeit um 300 v. Chr., als die Stadt gegründet wurde, bekannt. Ein gewisser Nikanor ist als Satrap von Kappadokien bezeugt, er wurde 311 v. Chr. in einer Schlacht von König Seleukos I. besiegt. Ein anderer Nikanor war Neffe von Seleukos I. und war Statthalter von Mesopotamien. Er gründete die Stadt Antiochia in Arabien. Vielleicht handelt es sich bei Nikanor auch um Seleukos I. Nikator, demnach ist die Referenz bei Isidoros von Charax von Ninator zu Nikator zu verbessern. In der Tat gibt es in der Stadt ein Relief, das Seleukos I. als Stadtgründer zeigt.[3]

Die Gründung bekam zunächst den Namen Europos, wohl nach dem Heimatort von Seleukos I. Die zunächst kleine Stadt erhielt eine stark befestigte Zitadelle. Unter Antiochos I. wurden hier sogar für kurze Zeit Münzen geprägt.[4] Später wurde der Ort erheblich erweitert und erhielt nach dem altbewährten Schema des griechischen Baumeisters Hippodamos ein rechtwinkliges Straßennetz mit 37 × 70 m großen Häuserblöcken. Obwohl sie gut befestigt war, konnten die Parther die Stadt um 114 v. Chr. erobern. In parthischer Zeit erhielt sie erneut den eventuell alten Namen Dura. Die Namensverbindung Dura Europos ist dagegen modern und in den antiken Quellen nicht belegt. Die Stadt wurde auch Sitz einer Militäreinheit. Obwohl die Stadt nun parthisch war, lebten griechische Traditionen weiter. Vor allem die Oberschicht war zunächst weiterhin hellenistisch, und sogar der Kult seleukidischer Könige wurde weitergeführt.

Stadttor

Die Stadt erlebte vor allem im ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert ihre Blütezeit. Das ganze Stadtgebiet innerhalb der Mauern wurde nun vollkommen besiedelt. Dura Europos verlor den militärischen Charakter. Die reichen Bürger errichteten oder erweiterten die zahlreichen Tempel und schmückten sie mit Statuen und Malereien aus. Diese Tempelbauten belegen einen ansehnlichen Wohlstand der Bewohner. Die Bevölkerung bestand dabei aus einer Mischung, die sich aus einer kleinen griechischen Oberschicht, die im Laufe der Zeit parthische Sitten annahm, aus einer syrischen Bevölkerungsmehrheit und zahlreichen anderen ethnisch und sprachlichen Gruppen, darunter auch zahlreiche Juden, zusammensetzte. Wirtschaftlich war die Stadt eng mit dem römischen Reich verbunden. Vor allem römischen Münzen dominierten gegenüber parthischen Prägungen. Kulturell war die Stadt jedoch eher parthisch geprägt.

Ruinen des Praetoriums

Als Grenzstadt zwischen Rom und den Parthern wechselte sie im Laufe der Römisch-Persischen Kriege wiederholt den Besitzer und war von großer administrativer und ökonomischer Bedeutung für die Region. Um 115 wurde sie von Trajan erobert, fiel aber kurze Zeit darauf, offenbar noch vor dem Tode des Kaisers, wieder an die Parther, um dann kurz nach 165 wieder an die Römer zu gelangen, die den Ort zunächst aber wohl nur indirekt kontrollierten. Dura wurde dann 195 unter Kaiser Septimius Severus in die Provinz Mesopotamia bzw. Syria Koile eingegliedert. Unter den Römern wurde im Norden der Stadt ein Militärlager eingerichtet, zu dem auch ein Praetorium gehörte. Hier war die Cohors XX Palmyrenorum stationiert. Zu diesem Zweck wurden große Teile der Wohnstadt umgebaut und von einer Mauer umgeben. In der römischen Zeit erlebte der Ort wirtschaftlich offenbar eine gewisse Stagnation. Es wurden keine großen, neuen Tempel errichtet, während die meisten Neubauten militärischen Charakter hatten. In den Jahren 253[5] und 256/7 n. Chr. wurde die Stadt dann von den persischen Sassaniden erobert (zu den Hintergründen vgl. Römisch-Persische Kriege). Diese hatten das Erbe der Parther angetreten. Die Kämpfe lassen sich archäologisch gut nachvollziehen, da unter anderem die persischen Angriffstunnel und die römischen Gegengräben erhalten sind. Im Jahr 273 wurde Dura endgültig verlassen, anscheinend weil der Euphrat seinen Lauf geändert hatte.

In parthischer Zeit war Dura Europos von einem Strategos, dem die zivile und militärische Verwaltung unterstand, verwaltet worden. Es handelt sich zwar um ein griechisches Amt, es ist jedoch noch nicht für die seleukidische Periode bezeugt. Das Amt des Strategos' scheint über lange Zeit in der Hand einer Familie gelegen zu haben. Die bezeugten Amtsinhaber sind Seleukos (ca. 33/32 v. Chr.), Seleukos, Sohn des Lysias (ca. 51/52 n. Chr.), Seleukos, Sohn des Lysanias (ca. 135/136 n. Chr.), Lysisas (gestorben im Jahr 159 n. Chr.) und Lysias, der Nachfolger des Letzteren.[6] Um 121 n. Chr. amtierte ein gewisser Manesos, der nicht aus der Familie des Seleukos stammte und vielleicht von der parthischen Zentralverwaltung eingesetzt wurde, nachdem die Stadt und ganz Mesopotamien von den Römern erobert worden waren. Um 135/136 n. Chr. sind wieder Mitglieder der Seleukosfamilie im Amt belegt.[7] Das Amt wurde auch unter römischer Herrschaft weitergeführt. Drei Amtsinhaber sind bezeugt: Seleukos (169/170 n. Chr.), Heliodoros (ca. 180 n. Chr.) und Septimius Lusias (ca. 200 n. Chr.).[8]

In römischer Zeit hatte nach Ansicht vieler Forscher der Dux Ripae seinen Sitz in Dura Europos.[9] Ihm unterstand wohl die Verteidigung der syrischen Grenze, aber auch die Verwaltung der Stadt in römischer Zeit, da für diese Periode sonst keine Beamten belegt sind, die dieser Aufgabe entsprochen haben könnten.

Wichtige Bauten

Das Hauptbaumaterial der Stadt war Stampflehm. Nur besondere Bauten, und einzelne Bauteile sind in Stein errichtet worden. Es sind nur wenige Baureste aus der seleukidischen Zeit erhalten. Der Stadtplan stammt zweifellos aus dieser Periode. In der Mitte der Stadt befand sich eine große Agora. Hier standen auch griechische Tempel der Artemis und des Apollon. Der Artemistempel war zunächst sehr einfach und bestand nur aus einem Temenos mit einem Altar in der Mitte. Im Osten befand sich die Akropolis, die kein eigentlicher Berg war, sondern ein durch ein Wadi abgetrennter Stadtteil. Hier stand ein Palast und ein Tempel, wohl für den olympischen Zeus. Am Euphratufer befand sich auch eine Zitadelle, eine extra nochmals mit einer starken Befestigung versehene Burg. Hier stand auch ein Palast, in dem eventuell der Strategos der Stadt residierte. Die Festungsanlagen aus griechischer Zeit sind in Stein gebaut, sind jedoch nie vollendet worden.

Tempel des Baal in Dura Europos

Die parthische Stadt scheint sich zunächst wenig geändert zu haben. Im Laufe der Zeit wurden griechische Bauten jedoch durch solche im parthischen Stil ersetzt. Der Artemistempel wurde zu einem richtigen Tempel in griechischen Stil ausgebaut. Der Bau wurde jedoch nie fertiggestellt und durch einen Bau in parthischen Stil ersetzt. Die Stadt hatte nun eine ausgesprochen große Zahl wichtiger Tempel, in denen ganz unterschiedliche Gottheiten verehrt wurden. Diese kamen aus dem griechischen und syrisch-parthischen Raum und spiegeln in ihrer Vielfalt den kosmopolitischen Charakter der Stadt wider. Dabei wurden oftmals semitische Gottheiten unter griechischen, oder griechischen unter semitischen Namen verehrt. Der Kult und die Tempelarchitektur waren aber in der Regel rein orientalisch.

Die meisten Tempel wurden wohl von den Bürgern der Stadt erbaut und ausgeschmückt. Die Malereien zeigen die hier verehrten Gottheiten und die stolzen Stifter und ihre Familien beim Opfer (siehe Bild: das Opfer des Konon). In einigen Tempeln scheint es kein vollplastisches Kultbild gegeben zu haben, sondern ein gemaltes Bild der Gottheit erfüllte diese Funktion. Die Maler der Bilder haben diese auch oftmals signiert.

Das Opfer des Konon, Wandmalerei im Tempel des Baal

Tempel

Der Tempel der Artemis Nanaia ist vielleicht das älteste Heiligtum der Stadt. In seleukidischer Zeit stand hier ein Temenos (ein ummauerter, heiliger Bezirk) der eine dorische Kolonnade und in der Mitte einen Altar hatte. Am Ende des zweiten Jahrhunderts brannte dieser nieder und es wurde ein Naiskos errichtet, der jedoch nie fertig wurde. In der Mitte des ersten Jahrhunderts wurde der Tempel wiederum umgestaltet. Es entstand ein Hofkomplex. In der Mitte stand der Tempel mit Vorraum und dreischiffiger Cella. Der Tempel wurde bis zum Untergang der Stadt mehrmals umgebaut. An der Umfassungsmauer befanden sich eine Reihe von Räumen.[10]

Der Tempel des Baal (auch als Tempel der Palmyrischen Gottheiten bekannt) wurde in einer Ecke der Stadtmauer gebaut. Es lassen sich mehrere Bauphasen unterscheiden. Um einen Hof befanden sich diverse Räume. Der eigentliche Tempel stand im Norden und war in späterer Zeit durch vier Säulen gekennzeichnet. Dahinter lagen zwei Räume, von denen der hintere das Allerheiligste war. Dieses war einst reich mit Wandmalereien dekoriert. Hier stand auch ein Schrein, der wohl das Kultbild enthielt.[11]

Nach etwa dem gleichen Prinzip ist der Tempel der Atargatis, in der Mitte der Stadt, errichtet worden. Der Tempel hatte in der Mitte einen großen Hof, einen monumentalen Eingang und ein Allerheiligstes mit drei Naoi. Um den Hof fanden sich wiederum zahlreiche kleine Räume, einige von ihnen waren wohl Schreine, die diversen Gottheiten geweiht waren. Atargatis, war die Gemahlin und Mutter des Adonis und des Hadad. Diesen Gottheiten gehörten sicherlich die beiden anderen der Naoi.[12]

Im Südosten, abgetrennt von dem Rest der Stadt durch einen Wadi, stand anscheinend die Akropolis der griechischen Stadt. Von den Tempeln dieser Zeit ist jedoch kaum noch etwas erhalten.

Der Tempel des Zeus Theos wurde im zweiten Jahrhundert errichtet. Es handelt sich um einen der wichtigsten Tempel der Stadt. Der Bau hatte einen monumentalen Hof und in diesem einen großen Naos. Dessen Malereien konnten weitgehend wiedergewonnen werden. An der Rückwand war die Kultfigur des Gottes dargestellt. Sie stand neben einen Streitwagen und wurde von zwei Niken gekrönt. An den Seitenwänden des Saales befinden sich in drei Registern die Bilder der Spender und deren Familienmitglieder, die diesen Tempel finanziert hatten. Der Bau war darüber hinaus auch reich mit Skulpturen ausgestattet.

Der Tempel der Gadde war ein Doppeltempel, der den Schutzgottheiten (gaddē) der Stadt und von Palmyra geweiht war. Der Bau befindet sich nahe der Agora. Es handelt sich um einen Hoftempel, der in den letzten Jahren der parthischen Herrschaft errichtet wurde. Über ein Propylon gelangte man in einen Hof. Gegenüber lag die Cella mit weiteren Räumen. Auf der rechten Seite gelangte man über einen Saal mit Bänken an den Wänden in einen weiteren Hof. Hier befand sich eine weitere Cella. Das genaue Alter des Tempelkomplexes ist unbekannt. Er wurde im Lauf der Zeit immer wieder erweitert. Im Tempel fanden sich zwei Weihreliefs. Eines von ihnen zeigt die weibliche Schutzgottheit von Palmyra in der Pose der Tyche von Antiochia. Sie sitzt zwischen zwei Figuren. Sie hat eine Mauerkrone und ein griechisches Gewand. Links steht ein Priester, rechts eine Nike. Auf dem anderen Relief ist dagegen die männliche Schutzgottheit von Dura Europos dargestellt. Sie ist bärtig und trägt eine Tunika. Es handelt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Zeus Megistos. Zu seiner rechten steht Seleukos Nikator, auf der anderen Seite der da Relief weihende. Unter Seleukos Nikator ist die Stadt gegründet worden, so dass der Herrscher hier eine besondere Verehrung genoss. Die Reliefs sind nach einer Inschrift im Jahr 159 n. Chr. einem gewissen Hairan geweiht worden. Es handelt sich wahrscheinlich um palmyrische Arbeiten.[13]

Der Adonis-Tempel ist schon in parthischer Zeit errichtet worden. Er nimmt eine Hälfte einer Insula ein, wobei die angrenzenden Wohnbauten gleichzeitig die Begrenzung des Temenos darstellen. Es handelt sich wiederum einen Tempelkomplex, der um einen Hof gruppiert ist. Der eigentliche Tempel lag dabei im Süden mit Vorhalle und eigentlicher Cella. Es fanden sich Wandmalereien.[14]

Andere wichtige Tempel waren der und der Tempel des Zeus Megistos (zweites Jahrhundert) auf der Akropolis, der wohl einen griechischen Tempel für Zeus Olympius ersetzte.

Malerei aus der Synagoge: Moses wird aus dem Nil errettet

Neben den großen Tempeln der Stadt gab es verschiedene kleine Heiligtümer unterschiedlicher religiöser Gruppen. Mithras wurde in einem Mithräum verehrt, s. Mithräum von Dura Europos, wobei dieser orientalische Gott nicht etwa von den Parthern verehrt wurde, sondern von den römischen Soldaten nach Dura Europos gebracht wurde. Es gab auch eine reich ausgestattete Synagoge s. Synagoge von Dura Europos, die den Wohlstand der jüdischen Gemeinschaft in dieser Stadt bezeugt. Der Wandschmuck im Versammlungssaal der Synagoge erregte gewaltiges Aufsehen, da es sich dabei um den größten Gemäldezyklus handelt, der uns aus der Antike erhalten ist. Der Fund ist auch religionsgeschichtlich von Bedeutung, da man die dortigen jüdischen Gemeinden in der Regel als bilderfeindlich eingeschätzt hatte.[15] Die christliche Hauskirche von Dura Europos, die um 230 n. Chr. in ein Privathaus eingebaut wurde, war dagegen vergleichsweise bescheiden ausgestattet und blieb schlechter erhalten.

Paläste

Plan des Palastes des Dux Ripae, die rot gekennzeichneten Räume hatten bemalte Decken

Auf der Akropolis stand auch ein großes Peristylhaus, das versuchsweise als das Strategion (Palast des Strategos) von Dura Europos identifiziert wurde. Der erste Bau datiert ins dritte vorchristliche Jahrhundert und wurde danach mehrmals erweitert und umgebaut. Der Palast behielt dabei weitgehend seinen griechischen Charakter.

Auf der Zitadelle stand ein weiterer großer Palast, in dem vielleicht ein parthischer Strategos residierte und der das Strategion ablöste. Dieser Bau ist leider nur schlecht erhalten, da ein bedeutender Teil mit dem Ufer in den Euphrat abrutschte. Immerhin scheint in der Mitte der Anlage ein Peristyl gestanden zu haben. Zum Fluss hin gab es eventuell Iwane.

Im Norden der Stadt befand sich der so genannte Palast des Dux Ripae. Es handelte sich in römischer Zeit um das größte Gebäude der Stadt und bestand aus einer großen Palästra und dem eigentlichen Bau, der ein Peristyl in der Mitte besaß.

Wohnbauten

Plan der Hauskirche von Dura Europos

Es wurde eine große Anzahl von Wohnbauten ausgegraben. Diese datieren zum großen Teil in die parthische Zeit der Stadt; kaum eines kann in die hellenistische Zeit eingeordnet werden, nur wenige neue Häuser wurden unter den Römern erbaut. Die Häuser variieren in Größe und Ausstattung. Das größte gehörte einer Familie, die über mehrere Generationen das Amt des Strategos stellte. Die Namen Lysisas und Lysanias erscheinen auf einem Graffito, das in das Jahr 159 datiert. Das Haus hatte zwei Höfe, der eine für die Männer, der andere für die Frauengemächer. Es fanden sich Ställe, Toiletten und ein Bad.

Andere Häuser sind kleiner, jedoch meist nach demselben Schema errichtet. Sie haben einen offenen Hof. Zu dem Hof öffneten sich die meisten Räume des Hauses, wie die Küche, ein Empfangsraum. Hier befanden sich auch die Ställe und Vorratsräume. Um den Hof befanden sich oftmals Bänke. Eine Treppe führte auf ein flaches Dach. Die Wände der Häuser waren manchmal bemalt, meist mit Nachahmungen von Marmor. Die wenigen figürliche Darstellungen zeigen Bankette, Jagd- und Kriegsszenen.

Friedhof

Im Gegensatz zu vielen anderen antiken Orten, gibt es keinerlei Anzeichen, dass die Stadt sich auch außerhalb der Stadtmauern ausdehnte. Hier standen nur noch einige Tempel und vor allem die Nekropolen. Der Friedhof war fast ebenso groß wie die eigentliche Stadt. Es konnten zwei Grabtypen unterschieden werden. Es gab unterirdische Familiengräber mit einem großen Zentralraum und davon abgehende Kammern, in denen die Toten beigesetzt wurden (Loculus) und es gab Grabtürme. Die Grabtürme hatten im Inneren eine auf das Dach führende Treppe, wo sich eventuell ein Feuer brannte, so dass die Türme im Endeffekt gigantische Altäre waren. Grabkammern fanden sich nicht in, sondern neben ihnen. Einer der Grabtürme konnte in voller Höhe rekonstruiert werden, da dessen Fassade in ganzer Länge schon in der Antike in den Sand gestürzt war und dort von den Ausgräbern gefunden wurde. Die Gräber insgesamt enthielten noch zahlreiche Beigaben.

Andere Bauten

Das parthische Dura Europos hatte im Vergleich zu den römisch-griechischen Städten Syriens auffallend wenige öffentliche Gebäude. Obwohl sich die herrschende Oberschicht teilweise als griechisch gab und zumindest im Schriftverkehr auch deren Sprache benutzte, so findet man hier nicht die prächtigen Theater, Bäder oder Foren. Die meisten der wenigen nichtreligiösen öffentlichen Bauwerke stammen aus der Zeit der römischen Besatzung.

Aus der Zeit der trajanischen Eroberung stammt ein römischer Triumphbogen, der von der Dritten Kyrenischen Legion errichtet wurde, die also wohl als Eroberer von Dura Europos zu gelten hat. Der Bogen steht etwas außerhalb der Stadt und feierte den Sieg über die Parther. Interessanterweise wurde er nach der parthischen Rückeroberung nicht zerstört.

In römischer Zeit hatte die Stadt auch ein Amphitheater, das aber recht anspruchslos war und eher ein freier Platz zwischen Wohnhäuser, als ein monumentales Gebäude war.[16] Inschriften belegen, dass hier auch tatsächlich Spiele stattfanden. Es sind einige Badehäuser in der Stadt bezeugt. Die meisten von ihnen wurden wohl von und für die römischen Soldaten errichtet, obwohl es auch zumindest ein Badehaus gibt, das nicht nur von Soldaten besucht wurde. Es bestand vielleicht schon vor der römischen Besetzung.

Im Inneren der Stadt befanden sich auch Sūqs. Vor allem im Zentrum der Stadt fand sich eine Ladenstraße mit kleinen und größeren Geschäften dicht an dicht gebaut. Diese Sūqs sind bisher einmalig für diese Zeit. Die Stadt hatte auch eine Karawanserei, in der sicherlich die Reisenden und Händler rasten konnten um dann weiterzuziehen.

Erforschung

Triumph des Mordechai: Malerei in der Synagoge

Die Stätte blieb, bis man sie in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wiederentdeckte, verlassen und unter Sand begraben. Erste Grabungen erfolgten 1921 unter der Leitung von Captain Gerald Murphy von der Britischen Armee. In den folgenden Jahren folgten zwei Kampagnen des Belgiers Franz Cumont, schließlich gab es systematische Ausgrabungen der Yale University mit der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres unter der Führung von Michael Rostovtzeff (1928–1937). Seit 1986 grub hier ein franco-syrisches Team unter der Leitung von Pierre Leriche, während in den letzten Jahren eine britische Expedition, allerdings in viel kleinerem Umfang als am Anfang des Jahrhunderts grub.

Der Ort erlaubt wie kein anderer Ort im „römischen Orient“ einen Einblick in das Alltagsleben der Bevölkerung. Während der sassanidischen Belagerung ist ein Teil der Stadtmauer erheblich verstärkt worden. Dafür wurden Häuser, die direkt an der Mauer standen mit Ziegeln aufgefüllt. Diese Bauten und ihre Dekorationen waren bei den Ausgrabungen ausgesprochen gut erhalten.

Die Fresken der bislang nachweislich ältesten christlichen Kirche (Hauskirche von Dura Europos) befinden sich heute in der Yale University Art Gallery in New Haven. Die Malereien der Stadt insgesamt sind die besterhaltenen Beispiele dieser Kunstgattung in der parthischer Kunst. Sie sind daher von besonderer Bedeutung für die Kunstgeschichte.

Das trockene Wüstenklima hat auch viel organisches Material vor dem Verfall bewahrt. Darunter befinden sich viele Stoffe, aber auch bemalte römische Schilde. Es wurden gut erhaltene Pferdepanzer von Kataphrakten bzw. Clibanariern und zahlreiche Helme gefunden, die wohl während der letzten Kämpfe um die Stadt verloren gingen.

Bemerkenswert sind auch die vielen erhaltenen Schriftstücke, die auf Papyrus und Pergament geschrieben wurden. Es fanden sich einige literarische und religiöse Texte, aber vor allem Verwaltungs- und Geschäftsurkunden. Unter den literarischen Texten findet sich ein Herodot-Fragment und eines von Appian.[17] Besonders interessant ist auch ein Fragment einer Evangelienharmonie.[18] Es handelt sich um ein Fragment von Tatians Diatessaron.[19] Die verwendeten Sprachen sind Latein (die Verwaltungsurkunden) und Griechisch für die Geschäftsurkunden. Daneben sind Aramäisch, Syrisch und Pahlavi bezeugt. Es fand sich auch ein Gebet in Hebräisch.[20] Im Tempel der Azzanathana fand sich ein Archiv der hier stationierten Cohors XX Palmyrenorum.[21]

Rezente Zerstörung

Seit der territorialen Inbesitznahme durch den Islamischen Staat werden die Bodendenkmale von Dura Europos in beispielloser Weise durch systematische Raubgrabungen zerstört. Auf Luftbildern ist das Ausmaß der Verwüstung dokumentiert.[22] Der Siedlungsbereich innerhalb der Stadtmauern gleicht nunmehr einer Kraterlandschaft. Die Funde werden als Hehlerware auf dem internationalen Antikenmarkt angeboten. Der Erlös dient der Finanzierung der Terrororganisation.[23]

Anmerkungen

  1. Die ältere Auffassung, dass es eine wichtige Handelsstadt auf dem Weg von Palmyra zum Euphrat und damit an der Seidenstraße war, wird nicht durch die schriftlichen Quellen gestützt.
  2. Parthische Stationen
  3. Paul J. Kosmin, in: Brody, Hoffman (Hrsg.): Dura Europos. S. 95–97.
  4. Paul J. Kosmin, in: Brody, Hoffman (Hrsg.): Dura Europos. S. 101.
  5. Diese erste sassanidische Eroberung ist umstritten; vgl. den Eintrag in der Encyclopædia Iranica.
  6. Sommer: Roms orientalische Steppengrenze. S. 298.
  7. Sommer: Roms orientalische Steppengrenze. S. 299–300.
  8. Sommer: Roms orientalische Steppengrenze. S. 306.
  9. Die Existenz eines solchen Amtes wurde jüngst allerdings vehement bestritten; vgl. Peter Edwell: Between Rome and Persia. London 2008, S. 128ff.
  10. Sommer: Roms orientalische Steppengrenze. S. 277–278.
  11. Sommer: Roms orientalische Steppengrenze. S. 284.
  12. Sommer: Roms orientalische Steppengrenze. S. 279–280.
  13. Sommer: Roms orientalische Steppengrenze. S. 285–287.
  14. Sommer: Roms orientalische Steppengrenze. S. 288–289.
  15. Michael Sommer: Der römische Orient. Zwischen Mittelmeer und Tigris. Stuttgart 2006, S. 142.
  16. Foto.
  17. Welles, Fink and Gilliam: The Parchments and Papyri. S. 69–70.
  18. der Text und englische Übersetzung.
  19. Welles, Fink and Gilliam: The Parchments and Papyri. S. 73–74.
  20. Welles, Fink and Gilliam: The Parchments and Papyri. S. 74–75.
  21. Welles, Fink and Gilliam: The Parchments and Papyri. S. 191–412.
  22. [1], Geospatial Technologies Project, abgerufen am 23. August 2015
  23. [2], Die Welt vom 5. November 2013, abgerufen am 23. August 2015

Literatur

  • Michael Rostovtzeff: Dura-Europos and its Art. Clarendon Press, Oxford 1938, OCLC 459957915.
  • Ann Perkins: The art of Dura-Europos. Clarendon Press, Oxford 1973, ISBN 0-19-813164-X.
  • Clark Hopkins: The Discovery of Dura-Europos. Yale University Press, New Haven 1979, ISBN 0-300-02288-3.
  • Lucinda Dirven: The Palmyrenes of Dura-Europos. A Study of Religious Interaction in Roman Syria. Brill, Leiden 1999, ISBN 90-04-11589-7.
  • Peter Edwell: Between Rome and Persia. Routledge, London 2008, ISBN 978-0-415-42478-3.
  • Michael Sommer: Roms orientalische Steppengrenze. Palmyra – Edessa – Dura-Europos – Hatra. eine Kulturgeschichte von Pompeius bis Diocletian. (= Oriens et occidens. Band 9). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08724-9.
  • Lisa R. Brody, Gail L. Hoffman (Hrsg.): Dura Europos, Crossroads of Antiquity. Boston 2011, ISBN 978-1-892850-16-4.
  • Ulrich Mell: Christliche Hauskirche und Neues Testament. Die Ikonologie des Baptisteriums von Dura Europos und das Diatessaron Tatians. NTOA 77, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-525-53394-9.
Ausgrabungsberichte

Vorberichte der Grabungen erschienen in der Reihe The Excavations at Dura-Europos, Preliminary Report of the First to Ninth Seasons. 1929–1952.

Die Grabungspublikationen erscheinen in der Reihe: The excavations at Dura-Europos, conducted by Yale University and the French Academy of Inscriptions and Letters. Final Report. Diese ist bis heute nicht abgeschlossen.

  • Band 3: Sculpture, figurines, and painting.
  • Band 3, 1, 1: Susan B. Downey: The Heracles sculpture. 1969.
  • Band 3, 1, 2: Susan B. Downey: The stone and plaster sculpture. 1977.
  • Band 4, 1, 1: Nicholas P. Toll, Frederick R. Matson: The green glazed pottery. 1943.
  • Band 4, 1, 2: Dorothy H. Cox: The Greek and Roman pottery. 1949.
  • Band 4, 1, 3: Stephen L. Dyson: The commonware pottery; the brittle ware. 1968.
  • Band 4, 2: R. Pfister, Louisa Bellinger: The textiles. Yale University Press, New Haven 1945.
  • Band 4, 3: Paul. V. C. Baur: The lamps. Yale University Press, New Haven 1947.
  • Band 4, 4, 1: Teresa Grace Frisch, Nicholas P. Toll: The bronze objects: Pierced bronzes, enameled bronzes, and fibulae.
  • Band 4, 5: Christoph W. Clairmont: The glass vessels. 1963.
  • Band 5, 1: C. Bradford Welles, Robert O. Fink, Frank Gilliam: The Parchments and Papyri. New Haven 1959.
  • Band 6: Alfred R. Bellinger: The coins. 1949.
  • Band 7: Simon James: Arms and armour and other military equipment. London 2004.
  • Band 8, 1: Carl H. Kraeling: The synagogue. Yale University Press, New Haven 1956.
  • Band 8, 2: Carl H. Kraeling: The Christian building. with a contribution by C. Bradford Welles. Dura-Europos Publications, New Haven 1967.

Weblinks

Commons: Dura Europos – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien