Kommission Juncker

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Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission
(2014–2019)

Die Kommission Juncker nahm am 1. November 2014 als Nachfolgerin der Kommission Barroso II ihre Arbeit auf. Sie ist die erste Europäische Kommission, zu der für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten Spitzenkandidaten bei der Europawahl angetreten sind. Der Kommission gehören neben dem Präsidenten 27 Kommissare an. Sie wurde vom Luxemburger Jean-Claude Juncker geleitet. Die neue Kommission war erstmals in Cluster eingeteilt, bei denen ein Vizepräsident der Kommission ein bestimmtes Aufgabenfeld leitet, dem dann mehrere Kommissare angehören und deren Bereiche in das jeweilige Cluster fallen.[1]

Das Europaparlament stimmte am 22. Oktober den veränderten Ernennungen zu.[2] Bei den Anhörungen, die ab dem 29. September 2014 stattfanden, waren nicht alle der vorgeschlagenen Kommissare akzeptiert worden.[3][4] Kurz darauf wurde die Kommission auch vom Rat bestätigt.[5]

Die Amtszeit endete offiziell am 31. Oktober 2019. Für die Folge-Kommission wurde Ursula von der Leyen am 16. Juli 2019 auf Vorschlag des Europäischen Rates durch das Europaparlament zur Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt.

Wahl der Kommission[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wahl Junckers[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jean-Claude Juncker bei seiner Bewerbungsrede 2014 beim Kongress der Europäischen Volkspartei in Dublin als EVP-Spitzenkandidat bei der Europawahl
Logo der Europäischen Kommission

Bei der Europawahl 2014 trat Jean-Claude Juncker als Spitzenkandidat der konservativen EVP an. Seine Konkurrenten waren für die sozialdemokratische SPE EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, von der liberalen ALDE Guy Verhofstadt und EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn, von den europäischen Grünen der EGP Ska Keller und José Bové sowie von der linken EL Alexis Tsipras.

Die EVP wurde mit 221 Sitzen stärkste Kraft im EU-Parlament.

Im Vorfeld von Junckers Nominierung durch den Europäischen Rat kam es zu weitreichenden Kontroversen zwischen den Regierungschefs der Mitgliedsstaaten, da sowohl der Brite David Cameron als auch der Ungar Viktor Orbán einen Spitzenkandidaten der bei der Wahl erfolgreichsten Europapartei ablehnten. Während der Kontroverse stellte sich Junckers Hauptkonkurrent bei der EU-Parlamentswahl, Martin Schulz, öffentlich hinter ihn, und sowohl Konservative als auch Sozialdemokraten, Sozialisten, Grüne und Liberale im EU-Parlament kündigten an, keinen anderen Kandidaten als Juncker zu akzeptieren.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy wurde damit beauftragt, zwischen dem Europäischen Rat und dem EU-Parlament zu verhandeln. Schließlich wurde Juncker vom Europäischen Rat für das Amt des Präsidenten der EU-Kommission nominiert. Bei dieser Nominierung stimmte mit Großbritannien erstmals in der Geschichte der EU ein Staat gegen den gemeinsam nominierten Kandidaten.

Bei der Wahl durch das Europäische Parlament stimmten 422 Abgeordnete für Juncker, 250 gegen ihn, 47 enthielten sich, 10 Stimmen waren ungültig und 22 Abgeordnete stimmten nicht ab.

Nominierung und Anhörungen der Kommissare[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor der Europawahl hatte Juncker gesagt, er wünsche sich einen Frauenanteil von 40 % in seiner Kommission. Die Nominierungen der Mitgliedsländer entsprachen allerdings nicht seinem Wunsch; Juncker gab sich schließlich mit einer Beibehaltung des Status quo (9 Kommissarinnen) zufrieden.[6] Auch diese Quote war jedoch nur schwer zu erreichen – bis 31. August hatten nur zwei der 27 Staaten Frauen vorgeschlagen.[7] Laut dem Vertrag von Lissabon hätten nur noch zwei Drittel der Mitgliedsländer einen Kommissar aufstellen können, was der Europäische Rat aber zunächst aufschob. So wurde die Kommission nicht verkleinert, weshalb sich Juncker das Prinzip der Cluster (s. u.) ausgedacht hat.

Am 30. August nominierte der Rat der Regierungschefs nach langwierigen Besprechungen Federica Mogherini als EU-Außenbeauftragte.[8] Damit war der Weg frei für die Aufteilung der restlichen Kommissarsposten.

Junckers Kommissionsvorschlag wurde schließlich am 10. September 2014 präsentiert, die Kandidaten standen ab dem 29. September dem Parlament Frage und Antwort. Dabei wurden einige Kandidaten besonders kritisiert: Pierre Moscovici aufgrund seiner Politik als französischer Finanzminister, Tibor Navracsics aufgrund der Mediengesetze in Ungarn, Jonathan Hill und Miguel Cañete aufgrund vermuteter Unvereinbarkeiten und Alenka Bratušek aufgrund ihres von den Abgeordneten attestierten Unwissens auf ihrem Gebiet sowie ihrer zweifellos problematischen Eigennominierung.

Bratušek, die am 8. Oktober vom zuständigen Parlamentsausschuss mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, gab einen Tag später ihren Rücktritt von der Kandidatur bekannt.[9] Während die SPE darauf hoffte, dass Slowenien die sozialdemokratische Tanja Fajon nachnominieren würde, setzte der Regierungschef die Liberale Violeta Bulc durch. Auch Tibor Navracsics wurde zumindest vom Kulturausschuss abgelehnt, er konnte nach Ansicht der Abgeordneten aber ein anderes Portfolio in der Kommission übernehmen.[10]

Mitglieder der Kommission[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die folgende Tabelle führt die Mitglieder der Kommission auf. Aktuell (Stand Juni 2017) haben sechs Kommissionsmitglieder den Rang eines Vizepräsidenten.

Ressort/Amt Kommissar/-in Mitgliedstaat nationale Partei europäische Partei Bild
Präsident Jean-Claude Juncker Luxemburg Luxemburg CSV EVP
Jean-Claude Juncker
Jean-Claude Juncker
Bessere Rechtssetzung, interinstitutionelle Beziehungen, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtecharta
Erster Vizepräsident und Stellvertreter von Juncker
Frans Timmermans Niederlande Niederlande PvdA SPE
Frans Timmermans
Frans Timmermans
Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik
Vizepräsidentin
Federica Mogherini Italien Italien PD SPE
Federica Mogherini
Federica Mogherini
Digitaler Binnenmarkt
Vizepräsident
Andrus Ansip Estland Estland RE ALDE
Andrus Ansip
Andrus Ansip
Energieunion
Vizepräsident
Maroš Šefčovič Slowakei Slowakei SMER SPE
Maroš Šefčovič
Maroš Šefčovič
Euro und sozialer Dialog
Vizepräsident
Valdis Dombrovskis Lettland Lettland Vienotība EVP
Valdis Dombrovskis
Valdis Dombrovskis
Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit
Vizepräsident
Jyrki Katainen Finnland Finnland KOK EVP
Jyrki Katainen
Jyrki Katainen
Haushalt und Personal Günther Oettinger Deutschland Deutschland CDU EVP
Günther Oettinger
Günther Oettinger
Landwirtschaft und ländliche Entwicklung Phil Hogan Irland Irland FG EVP
Phil Hogan
Klimaschutz und Energie Miguel Arias Cañete Spanien Spanien PP EVP
Miguel Arias Cañete
Miguel Arias Cañete
Wettbewerb Margrethe Vestager Danemark Dänemark RV ALDE
Margrethe Vestager
Margrethe Vestager
Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zollunion Pierre Moscovici Frankreich Frankreich PS SPE
Pierre Moscovici
Pierre Moscovici
Bildung, Kultur, Jugend und Sport Tibor Navracsics Ungarn Ungarn Fidesz EVP
Tibor Navracsics
Tibor Navracsics
Beschäftigung, soziale Angelegenheiten, Qualifikationen und Mobilität der Arbeitnehmer Marianne Thyssen Belgien Belgien CD&V EVP
Marianne Thyssen
Marianne Thyssen
Umwelt, Maritime Angelegenheiten und Fischerei Karmenu Vella Malta Malta MLP SPE
Karmenu Vella
Karmenu Vella
Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen Johannes Hahn Osterreich Österreich ÖVP EVP
Johannes Hahn
Johannes Hahn
Sicherheitsunion Julian King Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich unabhängig
Julian King
Julian King
Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Vytenis Andriukaitis Litauen Litauen LSDP SPE
Vytenis Andriukaitis
Vytenis Andriukaitis
Humanitäre Hilfe und Krisenschutz Christos Stylianides Zypern Republik Zypern DISY EVP
Christos Stylianides
Christos Stylianides
Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU Elżbieta Bieńkowska Polen Polen PO EVP
Elżbieta Bieńkowska
Elżbieta Bieńkowska
Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung Neven Mimica Kroatien Kroatien SDP SPE
Neven Mimica
Neven Mimica
Justiz, Verbraucher und Gleichstellungsfragen Věra Jourová Tschechien Tschechien ANO 2011 ALDE
(kein Foto vorhanden)
(kein Foto vorhanden)
Migration, Inneres und Bürgerschaft Dimitris Avramopoulos Griechenland Griechenland ND EVP
Dimitris Avramopoulos
Dimitris Avramopoulos
Regionalpolitik Corina Crețu Rumänien Rumänien PSD SPE
Corina Crețu
Corina Crețu
Forschung, Wissenschaft und Innovation Carlos Moedas Portugal Portugal PSD EVP
Carlos Moedas
Carlos Moedas
Handel Cecilia Malmström Schweden Schweden FL ALDE
Cecilia Malmström
Cecilia Malmström
Verkehr und Weltraum Violeta Bulc Slowenien Slowenien SMC ALDE
Violeta Bulc
Violeta Bulc
Digitale Wirtschaft und Gesellschaft Marija Gabriel Bulgarien Bulgarien GERB EVP
Die Farben zeigen die Zugehörigkeit zu den europäischen Parteien an:
  • EVP (14)
  • SPE (8)
  • ALDE (5)
  • AEKR (1)
  • Cluster[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Unter den Vize-Präsidenten und den übrigen Kommissaren sollte ein gewisses Maß an Hierarchie etabliert werden. Dafür wurde jedem der ursprünglich sieben Vizepräsidenten ein „Projektteam“ zugeteilt. Diese Projektteams sollen die Arbeit mehrerer Kommissare steuern und koordinieren. So soll jede Initiative eines Kommissars die Unterstützung eines Vizepräsidenten benötigen, um in das Arbeitsprogramm der Kommission einzufließen. Andererseits sollen die Kommissare innerhalb der Teams den Vizepräsidenten „zuarbeiten“, um die definierten Projekte voranzutreiben.[4]

    Die Themenkomplexe sind:[3][11]

    • Arbeitsplätze, Wachstum, Investition und Wettbewerbsfähigkeit
    • Digitaler Binnenmarkt
    • Energieunion und Klimaschutz
    • Haushalt und Personal
    • Euro und sozialer Dialog
    • Außen- und Sicherheitspolitik
    • Fragen der besseren Rechtsetzung, interinstitutionelle Beziehungen und Rechtsstaatlichkeit

    Die Projektteams sind unterteilt in Mitglieder des jeweiligen Kernteams und Mitglieder die bei Bedarf hinzugezogen werden. Die Teams von Timmermans für die Fragen der besseren Rechtsetzung, interinstitutionelle Beziehungen und Rechtsstaatlichkeit und Georgieva für Haushalt und Personal umfassen dabei jeweils alle Kommissare. Günther Oettinger übernahm von Georgieva 2017 das Ressort für Haushalt und Personal wurde jedoch nicht zum Vizepräsidenten ernannt. Die anderen Cluster sind wie folgt besetzt:

    Digitaler Binnenmarkt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Vizepräsident: Andrus Ansip

    Mitglied des Kernteams Mitglied des Bedarfsteams
    Elżbieta Bieńkowska Vytenis Andriukaitis
    Corina Crețu Valdis Dombrovskis
    Phil Hogan Carlos Moedas
    Věra Jourová Tibor Navracsics
    Pierre Moscovici Margrethe Vestager
    Günther Oettinger
    Marianne Thyssen

    Euro und sozialer Dialog[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Vizepräsident: Valdis Dombrovskis

    Mitglied des Kernteams Mitglied des Bedarfsteams
    Elżbieta Bieńkowska
    Corina Crețu
    Věra Jourová
    Pierre Moscovici
    Tibor Navracsics
    Marianne Thyssen

    Arbeitsplätze, Wachstum, Investition und Wettbewerbsfähigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Vizepräsident: Jyrki Katainen

    Mitglied des Kernteams Mitglied des Bedarfsteams
    Elżbieta Bieńkowska Vytenis Andriukaitis
    Miguel Arias Cañete Dimitris Avramopoulos
    Corina Crețu Johannes Hahn
    Valdis Dombrovskis Phil Hogan
    Pierre Moscovici Věra Jourová
    Günther Oettinger Cecilia Malmström
    Violeta Bulc Carlos Moedas
    Marianne Thyssen Tibor Navracsics
    Karmenu Vella
    Margrethe Vestager

    Energieunion und Klimaschutz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Vizepräsident: Maroš Šefčovič

    Mitglied des Kernteams Mitglied des Bedarfsteams
    Elżbieta Bieńkowska Věra Jourová
    Miguel Arias Cañete Cecilia Malmström
    Corina Crețu Günther Oettinger
    Phil Hogan Pierre Moscovici
    Karmenu Vella Marianne Thyssen
    Carlos Moedas Margrethe Vestager
    Violeta Bulc

    Außen- und Sicherheitspolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Vizepräsidentin: Federica Mogherini

    Mitglied des Kernteams Mitglied des Bedarfsteams
    Johannes Hahn Dimitris Avramopoulos
    Cecilia Malmström Miguel Arias Cañete
    Neven Mimica Violeta Bulc
    Christos Stylianides Julian King

    Politische Leitlinien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    1. Wie wird eine reformierte EU-Kommission aussehen? In: euractiv.de. EURACTIV.COM Ltd., 14. Juli 2014, abgerufen am 5. Juli 2018.
    2. Europaparlament stimmte für die neue EU-Kommission. derstandard.at, 22. Oktober 2014, abgerufen am 22. Oktober 2014
    3. a b Die Juncker-Kommission: Ein starkes und erfahrenes Team für den Wandel. Europäische Kommission, abgerufen am 10. September 2014
    4. a b Fragen und Antworten: Die Juncker-Kommission. Europäische Kommission, 10. September 2014, abgerufen am 7. April 2018.
    5. dpa: EU einigt sich auf Klima-Paket, handelsblatt.com, 24. Oktober 2014
    6. Gregor Peter Schmitz: Miese Quote, Spiegel Online vom 31. Juli 2014, abgerufen am 10. Oktober 2014
    7. Zu wenige Frauen: Neue EU-Kommission wackelt, DerStandard.at vom 31. Juli 2014, abgerufen am 10. Oktober 2014
    8. Tusk wird Ratspräsident, Mogherini neue Außenbeauftragte (Memento vom 16. Oktober 2014 im Internet Archive), DerStandard.at, 30. August 2014.
    9. Thomas Mayer: EU-Parlament lehnt Bratusek ab. Der Standard Online, 8. Oktober 2014
    10. Alastair Macdonald, Jan Strupczewski, Barbara Lewis: EU lawmakers reject Hungarian culture nominee, disrupting Juncker plan (Memento des Originals vom 16. Oktober 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.reuters.com Reuters, 6. Oktober 2014
    11. Junckers 27 Kommissare in der Übersicht