Einheitsgemeinde

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Einheitsgemeinde ist die Bezeichnung für bestimmte Formen von kommunalen Gemeindetypen in einzelnen Bundesländern Deutschlands, in Österreich und in einigen Kantonen der Schweiz.

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Bundesrepublik Deutschland ist das Kommunalrecht Ländersache. Insofern unterscheiden sich die Strukturen und Begriffe von Bundesland zu Bundesland. Der Begriff Einheitsgemeinde für eine selbständige (politische) Gemeinde – insbesondere, wenn sie aus mehreren Ortschaften bzw. Ortsteilen besteht –, die sich zur Erledigung ihrer Verwaltungsgeschäfte nicht mit mindestens einer anderen selbständigen Gemeinde zu einer größeren Verwaltungseinheit zusammengeschlossen hat (bspw. in Niedersachsen zu einer „Samtgemeinde“), ist in einzelnen Bundesländern teils gesetzlich festgehalten, teils hingegen gesetzlich nicht vorgesehen (Bayern).[1] In einzelnen Bundesländern ist er umgangssprachlich üblich. Teils haben sich aber auch andere Bezeichnungen eingebürgert, z. B. in Hessen und im Saarland die Bezeichnung „Großgemeinde“.

Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einheitsgemeinde ist hier die offizielle Bezeichnung für eine kreisangehörige Gemeinde, die nicht Mitglied in einer Verwaltungsgemeinschaft bzw. Verbandsgemeinde (für Sachsen-Anhalt) oder einer Samtgemeinde (für Niedersachsen) ist. Die jeweilige Einheitsgemeinde erledigt alle kommunalen Aufgaben in eigener Zuständigkeit. In Brandenburg heißt dieser Typ von Gemeinden amtsfreie Gemeinde.

Berlin, Hamburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund der Rechtsstatus der beiden Länder Berlin und Hamburg als Stadtstaaten ist Einheitsgemeinde der verfassungsrechtliche Terminus dafür, dass die Aufgaben der Kommunen und die eines Landes dort nicht voneinander getrennt sind.[2]

Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Österreich gilt für alle Gemeinden aufgrund der Bundesverfassung die Fiktion der Einheitsgemeinde, die grundsätzlich gleich organisiert ist, unabhängig davon, ob die Gemeinde eine industrielle Großstadt ist oder eine landwirtschaftliche Kleingemeinde. Dies war für die Bundeshauptstadt Wien nicht zu halten, die zugleich als Bundesland eingerichtet ist, und auch nicht für Städte mit eigenem Statut.

Gemäß Art. 116 Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) kann einer Gemeinde mit mehr als 20.000 Einwohnern auf ihren Antrag hin durch Landesgesetz ein eigenes Statut verliehen werden, wenn Landesinteressen dadurch nicht gefährdet werden. Die Städte mit eigenem Statut weisen gegenüber den Einheitsgemeinden rechtliche Besonderheiten auf. Dies ist zunächst das eigene Stadtrecht (Statut) als Sonderorganisationsgesetz, in dem der Landesgesetzgeber der Stadt eine maßgeschneiderte Verfassung verleihen kann. Etwa kennen die Statute für Linz, Wels und Steyr verglichen mit der oberösterreichischen Gemeindeordnung eine wesentlich weniger strenge Gemeindeaufsicht durch das Land Oberösterreich, zusätzliche Organe wie den Magistrat und die einzelnen Mitglieder des Stadtsenates und eine gänzlich andere Zuständigkeitsordnung.

Schweiz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Schweiz ist die Einheitsgemeinde in der Regel eine politische bzw. Einwohnergemeinde, auf deren Territorium, von Kirchgemeinden abgesehen, keine Spezialgemeinden bestehen, also Gemeinden, in denen alle kommunalen Aufgaben von einer einzigen Lokalbehörde wahrgenommen werden. Während in der französischsprachigen Westschweiz solche Einheitsgemeinden seit langem die Regel sind und die entsprechenden Kantone lediglich Gemeinden (communes) ohne weitere Spezifizierung kennen, handelt es sich – von der früheren Situation im Kanton Schwyz abgesehen – in der übrigen Schweiz um kommunale Organisationsformen, die fast überall erst in jüngerer und jüngster Zeit geschaffen worden sind – dies mit dem Ziel, die im Wesentlichen im 19. Jahrhundert entstandene Vielfalt an Gemeindetypen wieder zu reduzieren. Infolge der ausgeprägten Gemeindeautonomie in der (Deutsch-)Schweiz steht es dabei den Gemeinden frei, bei der herkömmlichen Gemeindeorganisation zu bleiben oder den Organisationstyp zu wechseln. Nur in den Kantonen Glarus und Thurgau wurden die Einheitsgemeinden mittels einer Revision der Kantonsverfassung für verbindlich erklärt, im Kanton Schwyz wurden sie dagegen mittels einer konsequenteren Trennung von Kirche und Staat aufgehoben.

Kantone Solothurn, Bern und Jura[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Kanton Solothurn bezeichnet Einheitsgemeinde eine Gemeinde, in welcher die Behörden der Einwohnergemeinde auch die bisher von der Bürgergemeinde wahrgenommenen Aufgaben besorgen (Gemeindegesetz §§ 193–196 von 1992).

Der Kanton Bern (Kantonsverfassung Art. 107 und 120) und folglich auch der 1979 von Bern abgetrennte Kanton Jura (Kantonsverfassung Art. 120) kennen schon seit dem 19. Jahrhundert eine dem Solothurner Recht entsprechende Gesetzgebung, wobei die Einheitsgemeinden hier Gemischte Gemeinden bzw. communes mixtes genannt werden. Mittlerweile gehört die grosse Mehrheit bernischer und jurassischer Gemeinden dem Typus der Gemischten Gemeinde an.

Kantone St. Gallen und Nidwalden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Kanton St. Gallen ist eine Einheitsgemeinde eine Gemeinde, in der die politische Gemeinde die Volksschule führt, also die bisherige Schulgemeinde inkorporiert hat (Gemeindegesetz Art. 91 von 2009; Gemeindevereinigungsgesetz Art. 52 von 2007).

Auch im Kanton Nidwalden meint die Einheitsgemeinde eine Gemeinde, wo die bisherige Schulgemeinde in der politischen Gemeinde aufgegangen ist. Dieser Gemeindetypus wird allerdings weder in der Kantonsverfassung noch im Gemeindegesetz, sondern allein in Art. 57 des Gemeindefinanzhaushaltgesetzes von 2009 genannt.

Kanton Glarus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kantonsverfassung des Kantons Glarus definiert in Art. 122 (in der Fassung vom 7. Mai 2006) die Glarner Gemeinden als Einheitsgemeinden. Diese Bezeichnung bringt zum Ausdruck, dass per 1. Januar 2011 alle bisherigen staatlichen (nicht kirchlichen) Gemeindetypen – Ortsgemeinden, Tagwen, Schulgemeinden und Fürsorgegemeinden – in drei neugeschaffenen Gemeinden aufgegangen sind. Neben bzw. innerhalb dieser drei Gemeinden bestehen seither keine weiteren staatlichen Gemeindearten mehr.

Kanton Thurgau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Kanton Thurgau kannte bis zum Jahr 2000 neben Munizipalgemeinden und Ortsgemeinden auch Einheitsgemeinden, deren Bildung ab 1851 möglich wurde. Zuerst beschränkte sich die Bildung von Einheitsgemeinden auf diejenigen Fällen, wo eine Munizipalgemeinde lediglich eine Ortsgemeinde umfasste; 1874 wurde die Zusammenlegung in diesen Fällen obligatorisch. Später wurden durch Zusammenschlüsse mehrerer Ortsgemeinden mit ihrer Munizipalgemeinde weitere Einheitsgemeinden gebildet. Der Begriff «Einheitsgemeinde» wurde erst 1944 geschaffen, um diese von den Munizipalgemeinden mit mehreren Ortsgemeinden unterscheiden zu können.[3]

Die Munizipalgemeinde ging aus der in der Helvetischen Republik geschaffenen Einwohnergemeinde hervor[4] und entsprach im Wesentlichen territorial den Kirchgemeinden. Sie vollzog vor allem vom Staat übertragene Aufgaben wie das Zivilstands- und Steuerwesen,[4] die Ortsgemeinde war u. a. für die lokale Infrastruktur und das Bürgerrecht zuständig.[5]

Die Kantonsverfassung von 1987 ordnete das Gemeindewesens neu und hob den Gemeindedualismus mit Munizipal- und Ortsgemeinden auf. Damit ist der Begriff der Einheitsgemeinde obsolet geworden; die nun einheitlichen Gemeinden tragen die Bezeichnung «politische Gemeinde».[3]

Kanton Schwyz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Kanton Schwyz war die mit der Verfassung von 1848 eingeführte Einheitsgemeinde bis ins ausgehende 20. Jahrhundert eine Gemeinde, in der die Organe der politischen Gemeinde auch das örtliche römisch-katholische Kirchenwesen besorgten (frühere Fassung der §§ 86 und 91 der Kantonsverfassung von 1898). Mit einer 1992 beschlossenen Änderung der Kantonsverfassung wurde der Typus Einheitsgemeinde abgeschafft, indem damals eine römisch-katholische und eine evangelisch-reformierte Kantonalkirche (öffentlich-rechtliche Landeskirche) gebildet wurde, die sich je in selbständige Kirchgemeinden gliedern. Mit dem Inkrafttreten des Organisationsstatuts der römisch-katholischen Kantonalkirche galten die damals noch vorhandenen Einheitsgemeinden folglich als aufgelöst.

Andere Kantone[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch in anderen Kantonen wie etwa dem Kanton Zürich wird zuweilen von „Einheitsgemeinden“ gesprochen, wenn von der Eingliederung der Schulgemeinden oder der Bürgergemeinden in die politischen bzw. Einwohnergemeinden die Rede ist. Um einen festen Begriff des jeweiligen kantonalen Staatsrechts handelt es sich in diesen Fällen jedoch nicht.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Bayerische Gemeindeordnung kennt den Begriff Einheitsgemeinde nicht.
  2. Andreas Kost, Hans-Georg Wehling (Hrsg.): Kommunalpolitik in den deutschen Ländern: Eine Einführung. 2. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, ISBN 978-3-531-17007-7, S. 149–156.
  3. a b André Salathé: Einheitsgemeinde. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  4. a b André Salathé: Munizipalgemeinde. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  5. André Salathé: Ortsgemeinde. In: Historisches Lexikon der Schweiz.