Eisenwerke Oberdonau

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Eisenwerke Oberdonau waren Teil des mit dem Anschluss Österreichs zwischen 1938 und 1941 neuerrichteten Stahl- und Rüstungs-Großunternehmens „Hütte Linz der Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten Hermann Göring“ und damit eine bedeutende Division der Muttergesellschaft, Hermann-Göring-Werke (RHG) im oberösterreichischen Linz. Zuständig waren die Eisenwerke für die Panzerstahlerzeugung. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Standort der Eisenwerke zum bedeutendsten Panzerstahllieferanten für den Panzerbau des Deutschen Reichs in den Jahren 1933 bis 1945, möglicherweise ganz Europas. Nach dem Krieg gingen die Eisenwerke zunächst in der verstaatlichten Firma VÖEST (Vereinigte Österreichische Eisen- und Stahlwerke), später (jeweils 1995) in den Firmen Voestalpine und Siemens VAI auf.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unternehmenslogo der Reichswerke, bis in die 1980er-Jahre im Gebrauch der Salzgitter AG
Hermann Göring betritt einen Dampfbagger bei den Feierlichkeiten zum ersten Spatenstich am 13. Mai 1938

Kriegsvorbereitungsmaßnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab Oktober 1936 betrieb Hermann Göring als Beauftragter für den zweiten Vierjahresplan[1] die Aufrüstung Deutschlands und bereitete so den Krieg vor. Dem Vierjahresplan kam eine große bürokratische Bedeutung zu, weshalb sich ein politischer Apparat im Rang einer Obersten Reichsbehörde um ihn bildete.[2] Vorgesehen war, dass sich das Deutsche Reich von Rohstoffimporten weitestgehend unabhängig machen sollte. Kurz zuvor erst hatte Göring seine Organisation erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Er befehligte sie vom Preußischen Staatsministerium in Berlin aus. Durch den neuen politischen Zuschnitt wurden traditionelle Industrien der Region Linz, wie die der Konsumgüter- und Lebensmittelerzeugung, zugunsten der Investitionsgüterindustrie vernachlässigt. Handel und Dienstleistungsgewerbe erlahmten ebenfalls.[3]

Standort Linz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der „Anschluss“ Österreichs im Jahr 1938 bedeutete Zugriffsmöglichkeiten auf das große Eisenerzvorkommen des Erzbergs in den Eisenerzer Alpen der Obersteiermark. Bis heute noch ist der Erzberg die größte Spateisensteinlagerstätte (Fe[CO3]) Europas. Die Eisengehaltsschwankungen liegen zwischen 22 % und 40 % (Grauwackenzone).

Neben den Eisenerzvorkommen sprachen weitere Gründe für die Gründung eines Stahlwerkes im Linzer Raum. Kohlegruben in Schlesien und Böhmen lagen infrastrukturell gut erreichbar. Kalk als Zuschlagstoff für die Stahlherstellung gab es in den oberösterreichischen Nördlichen Kalkalpen genug. Auch bot sich die Umgebung von Linz durch die verkehrsgünstige Lage an der Donau und der Westbahn an.

„Eisenwerke Oberdonau“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der erste Spatenstich wurde am 13. Mai 1938 gesetzt. Am 15. Oktober 1941 ging der erste Hochofen in Betrieb. 12 Hochöfen waren ursprünglich geplant.[4] Ebenso war für die „Hermann Göring A.G.“ ein eigenes Stahlwerk geplant, das nicht gebaut wurde. Stattdessen wurden die „Eisenwerke Oberdonau“ errichtet, die das erschmolzene Roheisen direkt zu Panzerteilen verarbeiteten. Diese wurden im nahegelegenen Nibelungenwerk in St. Valentin montiert.[5] Das Nibelungenwerk (auch: Ni-Werk) wurde ab dem 19. September 1939 unter dem anfänglichen Decknamen „OKH Spielwarenfabrik“ erbaut. Das Werk war das einzige in der deutschen Panzerproduktion, das über eine gut strukturierte Fließbandfertigung verfügte. Während also in St. Valentin die Endmontage vorgenommen wurde, produzierte jenseits des Donauhafenbeckens der „Hütte Linz“ (mit der angeschlossenen Kokerei und einem angeschlossenen Kraftwerk) das „Eisenwerk Oberdonau“ die Einzelteile.

Die Werke dieses Betriebs bestanden aus einem Stahlwerk, einer Vergüterei (zuständig für Zulieferung und Handel), einer Gießerei, einem Walzwerk und Gesenkschmieden. Dazu kamen ein großes Verwaltungsgebäude und zwei Hochbunker.

1941 wurden etwa 1400 Personen im Verbund der „Eisenwerke Oberdonau“, der „Stickstoffwerke Ostmark“ (I.G. Farben), des Aluminiumwerks Ranshofen (später Austria Metall) und der „Zellwolle Lenzing AG“ (heute Lenzing AG) beschäftigt. 1944 waren es bereits 14.100 Arbeiter.[6]

Einsatz von Zwangsarbeitern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Puch-Hochhaus Graz-Thondorf

Während des Krieges kamen in der „Hütte Linz“ tausende Zwangsarbeiter zum Einsatz. Viele fanden, auch während der Bombenangriffe, den Tod. Ebensoviele KZ-Häftlinge kamen zum Einsatz. Für deren Unterbringung wurden die KonzentrationslagerLinz I“ und „Linz III“ errichtet. Im KZ Linz I waren etwa 600 Personen mit der Verarbeitung von Hochofenschlacke beschäftigt. Schwere Bombenangriffe im Juli 1944 führten dazu, dass die Häftlinge in das KZ Linz III verlegt wurden. Das KZ Linz III war mit etwa 5500 Häftlingen das größte Konzentrationslager in Linz.[7] Beide Lager sind heute nicht mehr erhalten.

Der Wirtschaftsbericht von Oberdonau aus dem Jahr 1943 zeigte, dass in der Linzer Großindustrie über 42.000 Personen, mehr als die Hälfte aller Arbeiter, aus Polen und der Sowjetunion stammten.[8][9] Die „Eisenwerke Oberdonau“ setzten ab 1944 die Produktion mit Tausenden von KZ-Insassen fort und waren die Produktionsstätte im Raum Linz, die nahezu ausschließlich mit Zwangsarbeitern produzierte.[10] In den „Eisenwerken Oberdonau“ herrschten der höchste Arbeitsdruck, die längste Arbeitszeit und der höchste Ausländeranteil vor.[11]

Konzerninterne Aktivitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Panzer IV-Programm in Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kokerei der „Reichswerke Hermann Göring (RHG)“ erzeugte Hochofenkoks aus Ruhrkohle. Daraus und aus Eisenerz aus Erzberg wurde Rohstahl zur Erzeugung von Edelstahl, Rohteilen und Halbzeug gewonnen. Für diesen Produktionsschritt war Molybdän erforderlich, das vom BBU-Molybdän-Abbau herrührte. Nach dem „Anschluss Österreichs“ an das Deutsche Reich begann die Eingliederung der BBU in die deutsche Wirtschaft. Als Folge davon wird ein umfangreiches Investitionsprogramm, gestützt durch „verlorene Zuschüsse“, günstige Darlehen und Einbindung ins „Förderprämienverfahren“, durchgeführt. Die „Eisenwerke Oberdonau“ produzierten daraus Panzerwannen, Aufbauten, „Schnellschaltgetriebe SSG 77“ und die Kurbelwellen für den „Motor HL-120“. Hieran war die Steyr-Daimler-Puch AG aus Graz-Thondorf bis 1942 beteiligt.[12] Das Schoeller-Bleckmann-Werk Ternitz lieferte Geschützrohr-Rohlinge an die Böhler Kapfenberg, Panzerproduktion zum Einbau und das Stahlwerk Traisen (vormals Fischer), Gleisketten Kgs 61/400/120 und Antriebsräder zur Endmontage im Nibelungenwerk in St. Valentin.

Das „Panther-Programm“ (Panzerkampfwagen V) in Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Pantherprogramm produzierten die Eisenwerke Wanne, Aufbau, Turm und Laufradkurbel.

Der „Jagdtiger“-Bau in Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Jagdtiger

Die Produktionsabfolge war hier die gleiche wie in den vorgenannten Programmen. Die Deutschen Erd- und Steinwerke (DEST), welche dem Reichsführer SS Heinrich Himmler unterstand, war hier beteiligt. Eingeschossen wurde auf dem Truppenübungsplatz Döllersheim/Allentsteig.

Produzierte Teile[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Dietmar Petzina: Autarkiepolitik im Dritten Reich. Der nationalsozialistische Vierjahresplan (= Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Band 16). Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1968 (zugleich: Der nationalsozialistische Vierjahresplan von 1936. Dissertation, Wirtschaftshochschule, Mannheim 1965).
  • Wilhelm Treue: Dokumentation. Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan 1936 (= Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Nr. 2). 1955, S. 184–210 (ifz-muenchen.de [PDF; 5,0 MB; abgerufen am 22. September 2012] 3. Jahrgang; enthält im Unterschied zu Michalka u. a. Hitlers Denkschrift ungekürzt in vollem Wortlaut).
  • Anton Zischka: Wissenschaft bricht Monopole. Goldmann, Leipzig/ u. a. 1936 (zahlreiche, auch fremdsprachige, Ausgaben; Nazistische Propagandaschrift für den Vierjahresplan).
  • Deutsche Geschichte 1933–1945. Dokumente zur Innen- und Außenpolitik. In: Wolfgang Michalka (Hrsg.): Fischer 50234 Die Zeit des Nationalsozialismus. Limitierte Sonderausgabe Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-596-50234-9.
  • Helmut Lackner: Die Linzer Wirtschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In: Linzer Wirtschaftschronik. Wien 1990, S. 170 ff.
  • Timothy Kirk: Nazism and the Working Class in Austria: Industrial Unrest and Political Dissent in the “National Community”. Cambridge University Press, Cambridge 8. August 2002, S. 208.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Reichstagsprotokolle, 1936/1938,1. In: reichstagsprotokolle.de. 13. Februar 1937, abgerufen am 24. Mai 2020.
  2. Dietrich Eichholtz: Vierjahresplan. In: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 5., aktualisierte und erweiterte Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2007, ISBN 978-3-423-34408-1, S. 851 f.
  3. Colloquium Johann Beckmann. Tagung, „Luxus und Konsum“: Eine historische Annäherung. S. 197 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  4. Von den 6 bis 1945 fertiggestellten Hochöfen wurde nach dem Krieg 1947 einer nach Schweden verkauft und einer in den 1980er Jahren gesprengt. Von den noch vorhandenen 4 Öfen wird einer als Ersatzteillager genutzt und 1–2 werden von der „VA Stahl“ (Voestalpine) noch heute betrieben.
  5. Josef Moser: Oberösterreichs Wirtschaft 1938 bis 1945. S. 37 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Siegfried Haider: Geschichte Oberösterreichs. Oldenbourg Verlag, München 1987, S. 419 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Oliver Rathkolb: NS-Zwangsarbeit: Der Standort Linz der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin, 1938–1945. Band 1. Böhlau Verlag, Wien 2001, S. 71 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. Wirtschaftsbericht über den Reichsgau Oberdonau 1938–1943. Herausgegeben von Oskar Hinterleitner, Linz 1943.
  9. Wirtschaftsbericht Oberdonau. Kriegstagebuch Oktober 1942–Dezember 1943, zit. nach Josef Moser: Oberösterreichs Wirtschaft 1938–1945. Wien 1995, S. 327.
  10. National Archives, Washington D.C., USA, World War II Records Division, Record Group 1040, T 83 Roll 77, Berichte der Eisenwerke Oberdonau, Monatsbericht September 1943, S. 7.
  11. Monatsbericht der Eisenwerke vom Juni 1943: National Archives, Washington D.C., USA, World War II Records Division, Record Group 1040, T 83 Roll 77, Berichte der Eisenwerke Oberdonau, Monatsbericht September 1943, S. 8.
  12. Josef Moser: Oberösterreichs Wirtschaft 1938 bis 1945. S. 37 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Koordinaten: 48° 16′ 42″ N, 14° 19′ 3″ O