Entparlamentarisierung

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Unter Entparlamentarisierung versteht man grundsätzlich, dass ein Parlament an Bedeutung im politischen Prozess verliert. Vertreter der Entparlamentarisierungsthese (auch Entparlamentariesierungsmythos, Parliamentary Decline Hypothesis, The Golden Age of Parliament) gehen zumeist davon aus, dass das Parlament entweder in einem bestimmten Zeitraum mehr Bedeutung/Einfluss/Rechte hatte, als dies zum jetzigen Zeitpunkt der Fall ist, oder aber sich die Herausstellung des Parlaments in der Verfassung (oder anderen formalen Regeln) auch in einer herausgestellten Bedeutung im politischen Tagesgeschäft niederschlagen muss.

Ursachen von Entparlamentarisierung können zum Beispiel sein:

  • Kompetenzverlagerung in eine supranationale Organisation (Beispiel: EU)
  • Kompetenzverlagerung in Ausschüsse, Kommissionen oder Runde Tische
  • Kompetenzverlagerung in Partei- und Koalitionsgremien
  • Einfluss des Lobbyismus
  • in Deutschland: Einschränkungen aufgrund Kompetenzüberschneidungen im föderalen System

Den Vertretern der Entparlamentarisierungsthese wird entgegengehalten, dass zwischen einer rein rechtlichen Betrachtungsweise und einer realistisch politischen unterschieden werden muss. So wird zum Beispiel der Deutsche Bundestag als Beschlussorgan im Grundgesetz genannt, dies impliziere aber nicht, dass die Entscheidung, wie zu beschließen sei, ebenfalls in jenem Gremium entschieden wird.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Tanja A. Börzel: Europäisierung und innerstaatlicher Wandel. Zentralisierung und Entparlamentarisierung?. In: Politische Vierteljahresschrift 41/2, 2000, S. 225–250.
  • Ehrenzeller: Funktionsverlust des Parlaments. Entparlamentarisierung politischer Entscheidungen. in: NZZ vom 16. Oktober 2002, Nr. 240, S. 17. (Staatspolitisches Forum).
  • M. Flinders, A. Kelso: Mind the Gap: Political Analysis, Public Expectations and the Parliamentary Decline Thesis. In: The British Journal of Politics & International Relations, Blackwell Publishing Ltd: 13, 2011, S. 249–268.
  • Paul Kirchhof: Entparlamentarisierung der Demokratie? In: André Kaiser & Thomas Zittel (Hrsg.): Demokratietheorie und Demokratieentwicklung: Festschrift für Peter Graf Kielmansegg. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss., 2004, S. 359–376.
  • Roland Lhotta: Parlamentarismus als Gewaltenteilung: Institutionelle Ausprägungen komplexer Demokratie am Beispiel von Repräsentation, Regierungsbildung und Gesetzgebung. In: Helmar Schöne & Julia von Blumenthal (Hrsg.): Parlamentarismusforschung in Deutschland. Baden-Baden: Nomos, 2009, S. 259–278.
  • Ariane Richter: Funktionswandel im Mehrebenensystem? Die Rolle der nationalen Parlamente in der europäischen Union am Beispiel des Deutschen Bundestags (= Europäisches und Internationales Recht. Band 91). Herbert Utz Verlag, München 2017, ISBN 978-3-8316-4580-0 (Dissertation Universität München 2016; Inhaltsverzeichnis in der Google-Buchsuche, S. 51 ff. in der Google-Buchsuche zur Entparlamentarisierung).
  • Eberhard Schuett-Wetschky: Regierung, Parlament oder Parteien: Wer entscheidet, wer beschließt? In: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 2005.
  • Eberhard Schuett-Wetschky: Parlamentarismuskritik ohne Ende? Parteidissens und Repräsentationskonzepte am Beispiel der Entparlamentarisierungs- und Gewaltenteilungskritik. In: Zeitschrift für Politikwissenschaft, 15, 2005, S. 3–33.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Roland Johne: Bundesrat und parlamentarische Demokratie. Die Länderkammer zwischen Entscheidungshemmnis und notwendigem Korrektiv in der Gesetzgebung. In: APuZ. B 50–51, 30. November 2004, ISSN 0479-611X, S. 10–17 (Gesamtbeilage [PDF; 547 kB]).