Erich Mühe

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Erich Mühe (* 23. Mai 1938; † 20. November 2005) war ein deutscher Chirurg. Er führte 1985 die weltweit erste laparoskopische Cholezystektomie (Gallenblasenentfernung) durch.[1]

Biografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mühe wurde 1966 promoviert und habilitierte sich 1973. 1974 wurde er Oberarzt im Universitätsklinikum Erlangen. Ab 1977 war er erster leitender Oberarzt der Chirurgischen Klinik und Stellvertreter des Klinikdirektors. Seine Professur erhielt Erich Mühe 1979. Im Jahr 1982 wurde er Chefarzt des Kreiskrankenhauses in Böblingen.

Mühe war frühzeitig von den Pionierarbeiten Kurt Semms auf dem Gebiet der minimal invasiven (laparoskopischen) Chirurgie fasziniert und entwickelte das Konzept, dass auch Gallenblasenoperationen laparoskopisch durchgeführt werden könnten. Die laparoskopischen Techniken erlernte er unter der Anleitung des Gynäkologen Willi-Reinhart Braumann. Mühe erkannte jedoch, dass die von Semm entwickelten Operationsinstrumente nicht geeignet waren, eine geschwollene, entzündete Gallenblase durch den engen Operationskanal zu bugsieren. In Böblingen ließ er sich daraufhin in Zusammenarbeit mit der Firma IRC ,Optical Aarau.A.J.Dummel-Häfliger ein eigenes Instrument, das „Galloskop“, nach seinen Vorstellungen konstruieren. Damit führte er am 12. September 1985 im Kreiskrankenhaus Böblingen die erste laparoskopische Cholezystektomie der Welt durch.[2] Mühe beschrieb seine Operationstechnik im Jahr 1992 in einem Artikel in der Fachzeitschrift Endoscopy.[3]

Mühe war vor allem von der viel rascheren Erholung seiner Patienten nach dem laparoskopischen Eingriff, verglichen zur klassischen offenen Bauchoperation, beeindruckt. In den folgenden Jahren optimierte Mühe seine Operationstechnik und hatte bis zum März 1987 97 endoskopische CCEs durchgeführt. Er stellte seine Technik auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie vom 23.–26. April 1986 in München, sowie auf der Tagung der Vereinigung Niederrheinisch-Westfälischer Chirurgen in Köln vom 9.–11. Oktober 1986 vor.[4] Auf beiden Veranstaltungen stieß er auf weitgehende Ablehnung seiner Fachkollegen und seine Methode wurde als zu gefährlich beurteilt. Spätere Biografen urteilten, dass Mühe als Chirurg seiner Zeit voraus gewesen und als Außenseiter nicht richtig ernst genommen worden sei.[5]

1987 verstarb eine Patientin an den Folgen der Operation. Nach jahrelangem Gerichtsverfahren wurde Mühe wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.[6]

Ab den späten 1980er Jahren verbreitete sich die Technik der laparoskopischen Cholektektomie zunehmend – zunächst mehr in den Vereinigten Staaten als in Deutschland. Am 17. März 1987 führte der französische Chirurg Phillipe Mouret die erste laparoskopische Cholezystektomie in Frankreich in Lyon durch.[1] Beide – Mühe und Mouret – erfuhren von den Arbeiten des jeweils anderen erst später in den 1990er Jahren. Die erste derartige Operation in den Vereinigten Staaten wurde durch J. B. McKernan und W. B. Saye am 22. Juni 1988 in Marietta (Georgia) durchgeführt.[7] Die US-amerikanische Society of American Gastrointestinal and Endoscopic Surgeons (SAGES) ehrte auf ihrer Jahrestagung 1990 in Atlanta die französischen Chirurgen Perissat, Berci, Cuschieri, Dubois, und Moure für ihre frühen Arbeiten zur laparaskopischen CCE. Die Beiträge Mühes, der nicht anwesend war, wurden dabei nicht erwähnt. Erst in den folgenden Jahren erhielt er zunehmende Anerkennung. Auf der SAGES-Tagung in San Antonio (Texas) im April 1999 wurde seine erstmalige Durchführung einer laparoskopischen CCE allgemein anerkannt und Mühe erhielt Gelegenheit, vor mehr als Tausend Teilnehmern aus aller Welt in einem Fest- und Plenarvortrag mit dem Titel The First Laparoscopic Cholecystectomy: Overcoming the Roadblocks on the Road to the Future seine damaligen Techniken zu schildern.

1992 verlieh ihm die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie ihren Ehrenpreis.[8]

In seinem Wohnort Böblingen war Erich Mühe politisch in der CDU aktiv. Er war langjährig zugleich begeisterter Radsportler und starb an den Folgen eines schweren Fahrradunfalls.[9]

Heute ist die laparoskopische Cholezystektomie die Therapie der Wahl bei symptomatischen Gallensteinleiden. Im Jahr 2014 wurden in Deutschland etwa 175.000 Cholezystektomien durchgeführt. Davon erfolgten geschätzt 90 Prozent in laparoskopischer Technik.[10]

Veröffentlichungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Eine neue Erklärung der Schwangerschaftstoxikosen. Erlangen-Nürnberg 1966. (Dissertation)
  • Postoperative Thromboembolieprophylaxe durch Erhöhung der venösen Strömungsgeschwindigkeiten: klinische und experimentelle Studie. Erlangen 1973. (Habilitationsschrift)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • G. S. Litynski: Erich Mühe and the rejection of laparoscopic cholecystectomy (1985): a surgeon ahead of his time. In: JSLS. 1998;2(4):341–346, PMID 10036125.
  • W. Reynolds: The First Laparoscopic Cholecystectomy. In: JSLS. 2001;5(1):89–94, PMID 11304004.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Craig A Blum, David B Adams: Who did the first laparoscopic cholecystectomy? In: J Minim Access Surg. Band 7, Nr. 3, September 2011, S. 165–168, doi:10.4103/0972-9941.83506 (englisch).
  2. Victoria Stern: The first Lap Chole in Europe: A ‘Criminal’ Is Vindicated. General Surgery News, 10. Juni 2013, abgerufen am 14. Oktober 2017 (englisch).
  3. Mühe E: Long-term follow-up after laparoscopic cholecystectomy. In: Endoscopy. Band 24, Nr. 9, November 1992, S. 754-8, doi:10.1055/s-2007-1009119 (englisch).
  4. Mühe, E.: Die erste Cholezystektomie durch ein Laparoskop. Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, München, 23.–26.4., und Mühe, E.: Cholezystektomie ohne Laparotomie. 153. Tagung der Vereinigung Niederrheinisch-Westfälischer Chirurgen, Köln, 9.–11.; zitiert in: Hartel, Wilhelm, Ungeheuer, Edgar (Hrsg.): Die Chirurgie und ihre Spezialgebiete: Eine Symbiose. 108. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 16.–20. April 1991, München. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 1991, ISBN 978-3-642-95662-1, S. 422, doi:10.1007/978-3-642-95662-1.
  5. Litynski GS: Erich Mühe and the Rejection of Laparoscopic Cholecystectomy (1985): A Surgeon Ahead of His Time. In: Journal of the Society of Laparoendoscopic Surgeons. Band 2, Nr. 4, 1998, S. 341–346 (englisch).
  6. Böblinger Zeitung v. 26. September 1992 (ungeprüft)
  7. Walker Reynolds: The First Laparoscopic Cholecystectomy. Profiles in Laparoscopy. In: Journal of the Society of Laparoendoscopic Surgeons. Band 5, 2001, S. 89–94 (englisch).
  8. Preisträger der DGCH. Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, abgerufen am 14. Oktober 2017.
  9. Der Vater der Knopfloch-Chirurgie ist tot. Kreiszeitung Böblinger Bote, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Oktober 2017; abgerufen am 14. Oktober 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.krzbb.de
  10. Bundesauswertung zum Erfassungsjahr 2014 12/1 – Cholezystektomie. AQUA – Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, 19. Mai 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. Oktober 2017; abgerufen am 14. Oktober 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sqg.de