Ferenc von Hatvany

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Schloss in Hatvan
Jan Steen, Bauern beim Kegelspiel ging gemäß Provenienzangabe von Hugh Percy Lane an Baron F. Hatvany und wurde 1917 vom Kunsthistorischen Museum Wien erworben.

Baron Ferenc von Hatvany, auch Ferenc Hatvany oder François de Hatvany (* 29. Oktober 1881 in Budapest, Österreich-Ungarn; † 7. Februar 1958 in Lausanne), war ein Maler und Kunstsammler aus der ungarischen Industriellenfamilie Deutsch, die 1880 in Hatvan das Schloss erworben hatte und 1908 als Deutsch von Hatvany geadelt wurde.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Sohn des Zuckerindustriellen Sándor Deutsch de Hatvan wurde in Budapest und Berlin erzogen. Er war getauft und jüdischer Abstammung. Als Maler gehörte er zu den Schülern von Adolf Fényes, Sándor Bihari und Jean-Paul Laurens. Hatvany stellte bei den Galeristen Cassirer in Berlin und Bernheim in Paris aus. Auf der Sonderbundausstellung in Köln 1912 wurde das Bild Weiblicher Akt im Fauteuil gezeigt.[1]

Seine Kunstsammlung soll aus rund 800 Werken bestanden haben,[2] Ein Großteil seien impressionistische Gemälde gewesen,[3] wie etwa von Paul Cézanne, Edgar Degas, Édouard Manet, Claude Monet und Pierre-Auguste Renoir. Auch Gemälde und Zeichnungen von Jacopo Tintoretto, Jean-Auguste-Dominique Ingres und Gustave Courbet, darunter der Ursprung der Welt, gehörten dazu.[4] Weiter umfasste sie Kunstwerke von John Constable,[5] Jean-Baptiste Camille Corot, Pissarro, El Greco und Tizian. Hinzu kamen Isfahan-Teppiche aus dem 16. Jahrhundert, Gobelins und kostbare Kleinodien.[2] Die Werke wurden im Hatvany-Palais in der Budapester Hunyadi János Ut 26 aufbewahrt.

Viele der Werke gingen während des Zweiten Weltkriegs verloren, wurden versteckt, gestohlen oder konfisziert. Welche Kunstwerke der Hatvany-Sammlung 1945 in Budapest von der deutschen SS und welche Kunstwerke von der sowjetischen Roten Armee gestohlen wurden, ist bis heute nicht geklärt.[6] Ferenc von Hatvany ist auf dem Friedhof von Grandvaux am Genfersee beerdigt. Das Grab besteht bis heute (Stand Juni 2017).[7]

Die Affäre Deutsch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Anwalt Hans Deutsch konnte für die Erben eine Entschädigungszahlung von 17,5 Millionen DM nach dem Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG) aushandeln.[6] 1964 wurde Hans Deutsch zusammen mit anderen Personen des Betrugs angeklagt.[8] Zu den Mitangeklagten gehörten die ehemaligen SS-Führer Friedrich Wilcke und Franz Visney. Der Betrug soll im Zusammenhang mit dem Wiedergutmachungsverfahren erfolgt sein.[9] Später wurde Deutsch freigesprochen, doch in den Gerichtsverhandlungen wurde festgestellt, dass die Angaben der Erben Hatvany falsch gewesen seien. Die dafür bestellten Zeugen der Hatvanys hätten Meineide geschworen.[10] Insbesondere die Angaben zur Zahl und dem Verbleib der Gemälde stellten sich als widersprüchlich heraus.[3]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans Morgenstern: Jüdisches biographisches Lexikon. Eine Sammlung von bedeutenden Persönlichkeiten jüdischer Herkunft ab 1800. LIT Verlag, Wien 2009. ISBN 978-3-8258-0509-8.
  • László Mravik: Hungary’s Pillaged Art Heritage. Part Two: The Fate of the Hatvany Collection. In: Hungarian Quarterly, 1998, Vol. 39, S. 15.[11]
  • László Mravik: Princes, Counts, Idlers and Bourgeois: A Hundred Years of Hungarian Collecting, 3rd part. In: T. Kieselbach (ed.): Studies in Modern Hungarian Painting 1892–1919.[12]
  • Uta Baier: Die Spur der Bilder. In: Die Welt, 26. Juli 2005.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Ferenc von Hatvany – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Sonderbund, Katalog, Nr. 316
  2. a b Burkhart List: Von der deutschen Justiz zum Betrüger gestempelt. In: Die Weltwoche, 23. August 2001/Ausgabe 34/01
  3. a b Affäre Deutsch – Größerer Fisch – Wiedergutmachung. In: Der Spiegel. Nr. 15, 1966 (online).
  4. Über die Sammlung (Memento des Originals vom 25. Mai 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.freeweb.hu (englisch)
  5. Jamie Doward: Tate’s Constable masterpiece, once Nazi loot, now set to leave UK. In: The Guardian. 20. September 2015, abgerufen am 22. April 2021 (englisch).
  6. a b Uta Baier: Die Spur der Bilder. In: Die Welt, 26. Juli 2005.
  7. Ferenc “François Deutsch” de Hatvany in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 31. Oktober 2018 (englisch).
  8. Der Fall Hatvany – Betrug und Korruption in der Rückerstattung. In: Jürgen Lillteicher: Die Rückerstattung jüdischen Eigentums in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine Studie über Verfolgungserfahrung, Rechtsstaatlichkeit und Vergangenheitspolitik 1945–1971. Univ.-Diss., Freiburg i. Br. 2002/2003, S. 381 ff.
  9. Ein deutscher Fall Dreyfus. In: Die Zeit, Nr. 28/1971.
  10. Gunnar Schnabel, Monika Tatzkow: Nazi Looted Art. Handbuch. Kunstrestitution weltweit. Berlin 2007, ISBN 978-3-00-019368-2, S. 408 f.
  11. László Mravik. (Memento des Originals vom 7. Juli 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hungarianquarterly.com Hungarian Quarterly (englisch); abgerufen am 19. Oktober 2007.
  12. Sammlung T. Kieselbach. (Memento des Originals vom 3. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hungarianart.com hungarianart.com (englisch); abgerufen am 19. Oktober 2007.