Fingerabdruck

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Der Fingerabdruck (oder das Daktylogramm) ist ein Abdruck der Papillarleisten am Endglied eines Fingers (Fingerkuppe bzw. Fingerbeere). Da bisher keine zwei Menschen mit dem gleichen Fingerabdruck bekannt sind, geht man von der Einzigartigkeit des Fingerabdrucks aus. In sehr seltenen Fällen fehlen den Fingern infolge eines genetischen Defekts die Papillarleisten und sie hinterlassen damit keine Abdrücke (Adermatoglyphie).

Fingerabdruck

Merkmale

Biologisch gesehen ist eine Papillarleiste eine Erhöhung der Epidermis auf der palmaren oder plantaren Haut, also der Handfläche oder der Fußsohle.[1]. Innerhalb dieser werden verschiedene nach Henry-Klassifizierungssystem bestimmbare Merkmale des Fingerabdrucks unterschieden:

  • Grundmuster
  • grobe Merkmale: (Linke und rechte) Schleife, (Gespannter) Bogen, Wirbel[2][3][4]
  • feinere Merkmale: Minuzien
  • Porenstruktur

Als Minuzien (lat. minutus = „Kleinigkeit“) werden die Endungen und Verzweigungen der Papillarleisten des menschlichen Fingerabdrucks bezeichnet. Außerdem werden „Papillarlinienende, einfache Gabelung, zweifache Gabelung, dreifache Gabelung, einfacher Wirbel, zweifacher Wirbel, seitliche Berührung; Haken, Punkt, Intervall, X-Linie, einfache Brücke, zweifache Brücke und fortlaufende Linie“ ([4]) unterschieden.[3][4] Anhand dieser Merkmale und ihrer Verteilung innerhalb eines Fingerabdrucks kann eine einzigartige Unterscheidbarkeit gewährleistet werden.

Da sich die Minuzien als Ergebnis eines embryonalen Prozesses erst beim Wachstum der Finger herausbilden, haben selbst eineiige Zwillinge unterschiedliche Fingerabdrücke.[5] Dieser Vorgang ist erst am Ende der Kindheit abgeschlossen. Ausnahmsweise kann durch wenige Anomalien auch kein Fingerabdruck entstehen. [6]

Kriminalistik

In der Kriminalistik wird am Tatort geprüft, ob Fingerabdrücke auffindbar sind (Daktyloskopie). Gefundene Fingerabdrücke werden mit einer Datenbank abgeglichen, um mögliche Verdächtige zu identifizieren. Das deutsche Bundeskriminalamt führt eine AFIS-Datenbank mit den Fingerabdrücken von über drei Millionen Personen. Der Abgleich von Fingerabdrücken mit großen Datenbeständen wurde erst durch das Aufkommen leistungsfähiger Computer und genauer mathematischer Beschreibungen der Eigenschaften eines Fingerabdrucks möglich.

Als Erfinder der Identifizierung von Personen durch Fingerabdrücke gelten der englische Naturwissenschaftler Francis Galton und der argentinische Kriminologe Juan Vucetich. Die Sicherung von Fingerabdrücken mit Hilfe der sogenannten „Lackfilm-Methode“ geht zurück auf den Geologen Ehrhard Voigt, der sie um 1930 erfand, um Boden- und Sedimentprofile zu konservieren.

Die Verwendung von Fingerabdrücken in der Kriminalistik ist zum Teil kontrovers. Da Fingerabdrücke in keiner Naturwissenschaft (Biologie, Anthropologie) eine direkte Anwendung finden, wurde die Verwendung von Fingerabdrücken schon früh von der Kriminalistik monopolisiert. Deshalb ist die Frage berechtigt, ob der Vergleich von Fingerabdrücken naturwissenschaftlichen Kriterien standhält.[7] Im Vergleich zu DNA-Profilen oder Spuren-Analysen mit Gaschromatographie-Geräten, wo die Wahrscheinlichkeit eines Fehlschlusses bekannt ist, gibt es zur Zuverlässigkeit von Fingerabdruck-Vergleichen erst wenige Studien. Es sind fehlerhafte Zuordnungen von Fingerabdrücken bekannt geworden. Dies wird auf methodische Mängel zurückgeführt, wie z. B. einen Zirkelschluss von Merkmalen des Referenz-Abdrucks auf den Tatort-Fingerabdruck. [8]

Seit 1923 gibt es in den USA den sogenannten „Frye-Standard“, mit dem geprüft wird, welche wissenschaftlichen Beweisführungen vor Gericht zulässig sind. Gemäß Frye muss eine Methode bloß im relevanten Fachgebiet (z. B. Kriminalistik) „generell akzeptiert“ sein, was zum Beispiel die Verwendung von Polygrafen-Ergebnissen in Strafverfahren ermöglichte.

Im Verfahren Daubert vs. Merrell Dow Pharmaceuticals (1993) vor dem U.S. Supreme Court wurde der Frye-Standard jedoch als ungenügend empfunden und durch den sogenannten „Daubert-Standard“ ersetzt. Dieser verlangt nicht nur die Anerkennung im betreffenden Fachgebiet, sondern unter anderem auch eine gefestigte Kenntnis darüber, wie hoch die Fehlerrate des betreffenden Verfahrens ist. Der Anteil falsch-positiver Ergebnisse in Fingerabdruck-Vergleichen wird in dieser Hinsicht am wichtigsten sein. Wie der Daubert-Standard von den Gerichten umgesetzt wird, ist von Bedeutung für den Fingerabdruck als Beweismittel.

Weitere Anwendungen

In Frankreich wurde das System Oscar (Outil simplifié de contrôle des aides au retour – deutsch: vereinfachtes System zur Kontrolle der Hilfen zur Rückkehr) durch eine Verordnung vom 26. Oktober 2009 eingerichtet, mit einer Datenbank, in der die Namen von Personen geführt werden, die im Rahmen organisierter Abschiebungen Beträge der aide au retour humanitaire (ARH) erhalten haben. Ab September 2010 werden dort zusätzlich Fingerabdrücke geführt.[9]

Biometrie

Hersteller von biometrischen Systemen setzen den Fingerabdruck, der zumeist optisch oder elektrisch (z. B. kapazitiv) gelesen wird, ebenfalls zur Identifikation ein, um berechtigte von unberechtigten Nutzern zu unterscheiden. Um bei imitierten Fingerabdrücken den Zugang zu verweigern, können Temperatur- und Pulssensoren in die Erkennungsgeräte integriert werden, die prüfen, ob ein lebender Finger auf das Gerät aufgelegt wurde („Lebenderkennung“), was ersichtlich nur begrenzt wirksam ist. Da das Erfassen des Fingerabdrucks an eine hoheitliche Maßnahme erinnert, ist dieses System jedoch nicht bei allen Nutzern beliebt, weshalb oft alternative biometrische Erkennungssysteme zum Einsatz kommen.

Zur Extrahierung der Minutien wird ein spezieller Algorithmus verwendet, durch den die Minutien in eine mathematische Form gebracht werden. Aus dem vom Fingerabdruckscanner gelieferten Bild werden für jeden Fingerabdruck spezifische Daten gesammelt, die zum Einlernen oder späteren Vergleich mit bestehenden Fingerabdruckdaten ausreichen. Ein konkreter Fingerabdruck ist aus den Minutiendaten nicht mehr rekonstruierbar.

Kopierter Fingerabdruck von Wolfgang Schäuble, Stempel vom FoeBuD auf der SIGINT Konferenz des CCC.[10]

Die Sicherheit von Fingerabdrucksystemen ist relativ gering, da ein Fingerabdruck leicht nachzumachen ist.[11] Die in mobilen Geräten verbauten Fingerabdrucksensoren bieten Komfortgewinn gegenüber der Passwort- oder Mustereingabe, aber nur bedingt Verbesserung der Sicherheit. Der Hardwarehacker starbug konnte 2014 schon wenige Tage nach Erscheinen des IPhone 5s, dem ersten Apple-Gerät mit Touch ID, den Biometriemechanismus überwinden.[12]

Für die Authentifizierung werden mehrere Minutien mit vorhandenen Referenzdaten verglichen. Mit dem biometrischen Fingerabdruckverfahren (Daktyloskopie) werden Fingerabdrücke verglichen, um Personen eindeutig identifizieren zu können. Ein biometrischer Fingerabdruck kann als zusätzlicher Faktor für die Zwei-Faktor-Authentifizierung in Rechnernetzwerken verwendet werden, wie zum Beispiel im offenen UAF-Standard der FIDO-Allianz.

Tierreich

Koalas sind eine Art der wenigen Nichtprimaten, deren Fingerkuppen Papillarleisten haben, die denen des Menschen sehr ähnlich sind.[13][14]

Sonstiges

Das Wort „Fingerabdruck“ wird auch metaphorisch oder im übertragenen Sinne gebraucht, um einzigartige Eigenschaften einer Person oder einer Sache herauszustellen. So spricht man beispielsweise vom „genetischen Fingerabdruck“, vom „akustischen Fingerabdruck“ oder vom „digitalen Fingerabdruck“ bei der elektronischen Unterschrift oder bei der Prüfsumme elektronischer Nachrichten. Chemische Substanzen weisen im IR-Spektrum einen Bereich auf, der stoffspezifisch ist und Fingerprint-Bereich genannt wird.

Eine neue Entwicklung geht dahin, Fingerabdrücke über Elektrochemilumineszenz sichtbar zu machen. Wissenschaftler verwendeten dabei ein mit Indium-Zinn-Oxid beschichtetes Glasplättchen oder ein Plättchen aus rostfreiem Stahl als Elektrode. Darauf wird der Fingerabdruck aufgetragen und eine Lösung mit Reaktanden (ein Rutheniumkomplex, der mit einem Reaktionspartner, typischerweise Tripropylamin, reagiert) zugegeben. Wo die fetthaltigen Komponenten des Fingerabdrucks anhaften, ist die Elektrode inaktiv, die elektrochemische Reaktion kann nicht stattfinden und das Leuchten wird verhindert. In den anderen Bereichen ist die Elektrode aktiv und es entsteht ein Negativ-Bild des Fingerabdrucks, das mit einer CCD-Kamera aufgezeichnet werden kann. In einer Variante lassen sich Fingerabdrücke als Positiv-Bild darstellen. Dazu werden die Fingerabdrücke zunächst mit einem Reagenz behandelt, das an die Bestandteile der Fingerabdrücke bindet. Nach Auftragen des Reaktionspartners leuchten dann ausschließlich die Linien.[15]

Belege

  1. Peer Reviewed Glossary of the Scientific Working Group on Friction Ridge Analysis, Study and Technology (SWGFAST). (PDF) Abgerufen am 6. Februar 2015 (englisch).
  2. Florian Kinzinger, Rafael Heil: Biometrische Systeme und Fingerabdruckerkennung. Universität Salzburg, Februar 2008, S. 13ff, abgerufen am 6. Februar 2015 (deutsch).
  3. a b Fingerabdruckerkennung (BSI). Abgerufen am 6. Februar 2015.
  4. a b c Studie – Evaluierung biometrischer SystemeFinge rabdrucktechnologien – BioFinger (BSI). 6. August 2004, S. 13-16, abgerufen am 6. Februar 2015 (deutsch).
  5. Sind die Fingerabdrücke eineiiger Zwillinge identisch? (Auskunft eines Spezialisten des BKA gegenüber spektrumdirekt). 8. Januar 2002, abgerufen am 3. Dezember 2010.
  6. Auch die Fingerabdrücke verändern sich langsam, 3sat nano, abgerufen am 5. November 2011.
  7. Patrick Imhasly: Spur unter Verdacht, NZZ am Sonntag, 30. Mai 2010.
  8. BBC Radio 4, 10 Mar 2011, "Fingerprints on Trial" [1]
  9. Jean-Marc Leclerc: Roms: un fichier pour éviter la fraude de l'aide au retour. Le Figaro, 17. August 2010, abgerufen am 19. August 2010 (französisch).
  10. Chaos Computer Club konkretisiert Biometrie-Debatte an Schäubles Fingerabdruck CCC, 29. März 2008
  11. Frank Rosengart: Wie kopiere ich einen Fingerabdruck?, CCC 2004
  12. hacking touchID. ccc-tv, 21. Juni 2014, abgerufen am 15. Februar 2015.
  13. Animal fingerprints, Schulprojekt
  14. Henneberg, Maciej; Lambert, Kosette M., Leigh, Chris M.: Fingerprint homoplasy: koalas and humans, naturalscience.com, 11. März 1997.
  15. Linru Xu, Yan Li, Suozhu Wu, Xianghong Liu, Bin Su: Imaging Latent Fingerprints by Electrochemiluminescence. In: Angewandte Chemie. Band 124, Nr. 32, 2012, S. 8192–8196, doi:10.1002/ange.201203815.

Weblinks

Wiktionary: Fingerabdruck – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Fingerabdrücke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien