Francis Lieber

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Francis Lieber, zwischen 1855 und 1865

Francis Lieber (* 18. März 1800 in Berlin; † 2. Oktober 1872 in New York), ursprünglich Franz Lieber, war ein deutsch-amerikanischer Jurist, Publizist und Rechts- und Staatsphilosoph. Basierend auf einer Übersetzung des Brockhaus-Konversationslexikons schuf er die Encyclopedia Americana, die erste bedeutende Enzyklopädie in den USA. Er wurde darüber hinaus bekannt durch die Erstellung des Lieber Codes, einer Vorschrift zur Kriegsführung, die durch einen Erlass des damaligen US-Präsidenten Abraham Lincoln für die Truppen der Nordstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 bindend war. Der Lieber Code war in der Rechts- und in der Militärgeschichte das erste schriftlich fixierte Regelwerk mit Vorgaben zu Methoden der Kriegsführung und hatte Auswirkungen auf die spätere Entwicklung des Kriegsvölkerrechts. Francis Lieber gilt als einer der herausragendsten amerikanischen Juristen seiner Zeit und als einer der Wegbereiter der Politikwissenschaft und der Soziologie in den Vereinigten Staaten.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Undatierte Zeichnung aus Appletons’ Cyclopædia of American Biography

Der 1800 in Berlin als zehntes von zwölf Kindern in eine deutsch-jüdische Händlerfamilie geborene Lieber (Eduard Lieber war ein Bruder) wurde hinsichtlich seiner politischen Ansichten geprägt durch den Einmarsch französischer Truppen in seine Heimatstadt, den er 1806 im Alter von sechs Jahren miterlebte. Aufgrund dessen war er später ein Verfechter patriotischer Ansichten und maß den Idealen der Freiheit und Unabhängigkeit große Bedeutung bei. Während seines Studiums wurde er 1818 Mitglied der Alten Berliner Burschenschaft. Er nahm an den Napoleonischen Kriegen auf Seiten Preußens teil und wurde in der Schlacht von Waterloo verwundet. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg sympathisierte er mit den Ideen von Friedrich Ludwig Jahn und sah sich deshalb der Verfolgung durch staatliche Behörden ausgesetzt. Es war ihm deshalb unter anderem nicht möglich, an einer preußischen Universität zu studieren. Stattdessen erwarb er 1820 seinen Abschluss an der Universität von Jena und später seine Promotion an der Universität Halle. Während der Griechischen Revolution kämpfte er auf Seiten der Griechen gegen die Türken. Nach seiner Rückkehr 1824 nach Deutschland, erneuter Verfolgung und zweifacher Inhaftierung floh er 1826 nach England. Ein Jahr später wanderte er nach Boston aus. Im Jahr 1829 begründete er in Philadelphia die Encyclopedia Americana und wirkte bis 1833 als deren Herausgeber. Dieses aus 13 Bänden bestehende Werk basierte auf der 7. Auflage des Brockhaus-Konversationslexikons und gilt als die erste bedeutende amerikanische Enzyklopädie. 1830 wurde Lieber in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

1835 wurde Lieber Professor für Geschichte und politische Ökonomie am South Carolina College, der heutigen Universität von South Carolina, wo er bis 1856 blieb. Hier verfasste er eine Reihe von Schriften und Büchern zu Frage der politischen Ethik, der Eigentumsrechte und des demokratischen Staatswesens, unter anderem „A Manual of Political Ethics“ und „Legal and Political Hermeneuties, or Principles of Interpretation and Construction in Law and Politics“, „Laws of Property: Essays on Property and Labor“ und „On Civil Liberty and Self-Government“. Er wurde aufgrund seiner darauf aufbauenden Reputation 1844 vom preußischen König rehabilitiert und wirkte auf dessen Einladung hin ein Jahr lang als Berater des Königs, bevor er nach South Carolina zurückkehrte. Von 1856 bis 1865 war er Professor für Geschichte und politische Ökonomie am Columbia College, der heutigen Columbia University, wo er ab 1858 die Juristische Fakultät aufbaute. An dieser hatte er von 1860 bis zu seinem Tod einen Lehrstuhl für Politikwissenschaften inne.

Trotz seiner persönlichen Bindungen zum Süden der Vereinigten Staaten aufgrund seines langjährigen Lebens in South Carolina stellte Lieber sich während des Bürgerkrieges auf die Seite der Nordstaaten. Sein Sohn Oscar Montgomery (1830–1862) trat hingegen in die Konföderierten-Armee ein und starb am 27. Juni 1862 in Richmond aufgrund von Verletzungen, die er sich in der Schlacht von Williamsburg zugezogen hatte. Seine Söhne Hamilton (1835–1876) und Guido Norman (1837–1923) dienten in den Truppen der Nordstaaten. Während des Krieges wirkte Lieber als Berater von Präsident Lincoln und des Kriegsministeriums der Vereinigten Staaten. Im Rahmen dieser Tätigkeit verfasste er den Lieber Code, der am 24. April 1863 von Lincoln unterzeichnet wurde. Nach dem Ende des Bürgerkrieges erhielt er den Auftrag, die Aufzeichnungen und Akten der Regierung der Konföderierten Staaten von Amerika zu sammeln und zu archivieren. Von 1870 bis zu seinem Tod im Jahr 1872 in New York wirkte er als diplomatischer Unterhändler in Verhandlungen zwischen den USA und Mexiko.

Erinnerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lieberweg in München

Am 5. September 1945 wurde im Verlauf der Entmilitarisierung die Wilhelm-Gustloff-Straße in München in Gedenken an Francis Lieber in Lieberweg umbenannt.[1]

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • The Stranger in America. Zwei Bände. London 1833–1835
  • Erinnerungen aus meinem Zusammenleben mit Georg Berthold Niebuhr, dem Geschichtsschreiber Roms. Winter, Heidelberg 1837 Digitalisat
  • A Manual of Political Ethics; designed chiefly for the Use of Colleges and Students at Law. Zwei Bände. Boston 1838–1839
  • Legal and Political Hermeneuties, or Principles of Interpretation and Construction in Law and Politics. Boston 1838
  • Laws of Property: Essays on Property and Labor, as connected with Natural Law and the Constitution of Society. New York 1842
  • On Civil Liberty and Self-Government. Zwei Bände. Philadelphia 1853
  • The Unanimity of Juries. New York 1867

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikisource: Franz Lieber – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Lieberweg in München Milbertshofen-Am Hart. In: Münchner Straßenverzeichnis. Stadtgeschichte München, abgerufen am 11. September 2021.