Frank Thiess

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Frank Thiess (1960)

Frank Theodor Thiess * 1. März / 13. März 1890 in Luisenstein (Gut Lindenberg), Kspl. Uexküll-Kirchholm, get. 22. April, Gouvernement Livland, Russisches Kaiserreich, heute Lettland[1]; † 22. Dezember 1977 in Darmstadt war ein deutscher Schriftsteller.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Sohn des Bauingenieurs Franz Thieß aus Riga und der Gutsbesitzerin Sophie von Eschenbach[2] kam bereits im Alter von drei Jahren nach Berlin, weil seine Familie wegen der Russifizierungsmaßnahmen der zaristischen Behörden die Heimat vorübergehend verließ. Nach seinem Abitur am Gymnasium Stephaneum in Aschersleben studierte Thiess an der Universität Berlin und an der Universität Tübingen Germanistik und Philosophie und promovierte 1914 mit einer Arbeit über Die Stellung der Schwaben zu Goethe. Im Ersten Weltkrieg wurde er – nach einer kurzen Zeit als Schauspielschüler am Lessingtheater in Berlin – zum Kriegsdienst eingezogen und erkrankte an der Ostfront schwer. Von 1915 bis 1919 arbeitete er als Redakteur für Außenpolitik beim Berliner Tageblatt unter Theodor Wolff. Danach war er 1920/21 Dramaturg an der Volksbühne Stuttgart und ab 1921 Theaterkritiker in Hannover beim Hannoverschen Anzeiger. Danach arbeitete er ab 1923 als freier Schriftsteller in Berlin und am Steinhuder Meer.

Frank Thiess wurde auf dem Waldfriedhof Darmstadt (Grabstelle: L 3d 3) bestattet.

Werk und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frühen Erfolg als Schriftsteller brachte ihm der Roman Die Verdammten (Juli 1922) ein, der den Zerfall einer baltischen Familie schildert. Neben dem vierteiligen Romanzyklus Jugend (1924–1931), der den Identitätskrisen Jugendlicher in den Jahren nach 1918 gewidmet war,[3] ist es vor allem sein in mehreren hunderttausend Exemplaren aufgelegter Tatsachenroman über die Seeschlacht bei Tsushima 1905 Tsushima: Roman eines Seekriegs (1936), der Thiess bekanntmachte.

1933 versah Thiess seinen Roman Der Leibhaftige mit einem neuen Vorwort, das ihn den Nationalsozialisten empfahl.[4] Thiess bezeichnete sich selbst als Vertreter der Inneren Emigration, eine Haltung, die er vor allem in Auseinandersetzung mit dem Emigranten Thomas Mann bekräftigte. Zwei seiner Romane (Die Verdammten und Frauenraub)[5] waren außerdem bei den Bücherverbrennungen 1933 dem Scheiterhaufen übergeben worden, ein Faktum, auf das er nach 1945 öfter verwies. Ein weiteres Verbot erhielt 1941 sein Roman Das Reich der Dämonen. Während und kurz nach dem Krieg erschienen zwei Romane über Enrico Caruso, Neapolitanische Legende (1942) und Caruso in Sorrent (1946), die auf große Resonanz stießen. Thiess verfasste zahlreiche essayistische Werke und war im Nachkriegsdeutschland Vizepräsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte.

In den 1950er Jahren gab Frank Thiess die Zeitschrift Das literarische Deutschland heraus. Sie erschien zweiwöchentlich im Format einer Tageszeitung und sollte in gewisser Weise die Zeitschrift Die literarische Welt, die Willy Haas aus Prag früher in Berlin herausgegeben hatte, wieder aufleben lassen. Die letzten Nummern dieser Zeitschrift titelten auch „Die literarische Welt“.

Das Lexikon der phantastischen Literatur urteilt über Thiess’ Reputation in der Gegenwart: „Sein Werk ist heute weitgehend, und teilweise zu Unrecht, in Vergessenheit geraten.“[6]

Politisches Wirken nach 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach 1945 machte sich Thiess zum Wortführer der „Inneren Emigration“. Seine Angriffe auf den tatsächlich vor den Nazis emigrierten Thomas Mann bestärkten im In- und Ausland die Vorbehalte gegen die „Innere Emigration“.[4] Thiess rezensierte das Buch des geschichtsrevisionistischen Historikers David Leslie Hoggan Der erzwungene Krieg: Die Ursachen und Urheber des Zweiten Weltkriegs positiv als „Leistung, die mit wissenschaftlicher Sorgfalt, seltener Noblesse und beispielhafter Gerechtigkeit von einem Amerikaner für Deutschland vollbracht wurde“; der rechtsextreme Grabert Verlag nutzte diese Rezension als Klappentext.[7]

1965 publizierte Thiess in der Deutschen National- und Wochenzeitung; seine Artikel wurden im Reichsruf, dem Organ der Deutschen Reichspartei, nachgedruckt. Er unterstützte student, war Autor im Deutschen Studentenanzeiger, in Konservativ heute und in den Deutschen Monatsheften. Thiess gehörte dem Witikobund an. 1967 setzte er sich für die Freilassung von Rudolf Heß ein.[8]

Auszeichnungen und Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Cäsar Flaischlen. Ein Essay, 1914
  • Die Stellung der Schwaben zu Goethe, 1915
  • Der Tanz als Kunstwerk. Studien zu einer Ästhetik der Tanzkunst, 1920 Delphin-verlag
  • Lucie Höflich, 1920 E. Reiss Verlag
  • Der Tod von Falern. Roman einer sterbenden Stadt. Roman, 1921 Stuttgart, J. Engelhorns Nachfahren
  • Die Verdammten, Roman, 1922 J. Engelhorns Nachfahren
  • Nikolaus W. Gogol und seine Bühnenwerke. Eine Einführung, 1922 Berlin, Schneiders Bühnenführer
  • Das Gesicht des Jahrhunderts. Briefe an Zeitgenossen, 1923 Stuttgart, Engelhorn
  • Angelika ten Swaart, Roman, 1923
  • Jugend (Tetralogie)
    • Der Leibhaftige, Roman, 1924
    • Das Tor zur Welt, Roman, 1926
    • Abschied vom Paradies. Ein Roman unter Kindern, 1927
    • Der Zentaur, Roman, 1931
  • Narren. Fünf Novellen, 1926
  • Frauenraub, Roman, 1927 (neubearb. Katharina Winter, 1949)
  • Der Kampf mit dem Engel, 1928
  • Erziehung zur Freiheit. Abhandlungen und Auseinandersetzungen, 1929
  • Eine sonderbare Ehe, Novelle, 1929
  • Die Geschichte eines unruhigen Sommers und andere Erzählungen, 1932
  • Die Zeit ist reif. Reden und Vorträge, 1932
  • Johanna und Esther. Eine Chronik ländlicher Ereignisse, Roman, 1933
  • Der Weg zu Isabelle, Roman, 1934
  • Der ewige Taugenichts. Romantisches Spiel in 3 Akten (nach Eichendorff), 1935
  • Tsushima. Der Roman eines Seekrieges, 1936
  • Stürmischer Frühling. Ein Roman unter jungen Menschen, 1937
  • Die Herzogin von Langeais, Tragödie, 1938
  • Die Wölfin, Erzählung, 1939
  • Das Reich der Dämonen. Der Roman eines Jahrtausends, 1941
  • Neapolitanische Legende, Roman, 1942
  • Der Tenor von Trapani, Novelle, 1942
  • Caruso, Vortrag, 1943
  • Caruso in Sorrent, Roman, 1946
  • Puccini. Versuch einer Psychologie seiner Musik, 1947
  • Despotie des Intellekts, 1947
  • Goethe als Symbol, Vortrag, 1947
  • Geistige Revolution. Deutsches Theater – Europäisches Theater. Zwei Vorträge. Friedrich Trüjen Verlag, Bremen 1947.
  • Shakespeare und die Idee der Unsterblichkeit, Vortrag, 1947
  • Zeitwende. 3 Vorträge, 1947
  • Ideen zur Natur- und Leidensgeschichte der Völker, 1949
  • Wir werden es nie wissen, 1949
  • Vulkanische Zeit. Vorträge, Reden, Aufsätze, 1949
  • Die Blüten welken, aber der Baum wächst. Ein Brevier für Tag und Nacht, 1950
  • Goethe der Mensch, Rede, 1950
  • Don Juans letzte Tage, 1950
  • Tropische Dämmerung, 1951
  • Die Straßen des Labyrinths, Roman, 1951
  • Die Wirklichkeit des Unwirklichen. Untersuchungen über die Realität der Dichtung, 1954 Paul Zsolnay Verlag
  • In Memoriam Wilhelm Furtwängler. 2 Gedenkreden, 1955 Paul Zsolnay Verlag
  • Geister werfen keinen Schatten, Roman, 1955 Paul Zsolnay Verlag
  • Das Menschenbild bei Knut Hamsun, 1956 August Langen
  • Theater ohne Rampe. Stücke für Zimmertheater und Studiobühnen, 1956 Hamburg, Wegner Verlag
  • Gäa, Roman, 1957 Europäischer Buchklub
  • Über die Fähigkeit zu lieben, 1958 Verlagsanstalt Hermann Klemm
  • Ursprung und Sinn des Ost-West-Gegensatzes, Vortrag, 1958
  • Die griechischen Kaiser. Die Geburt Europas, 1959 Paul Zsolnay Verlag
  • Aphorismen, 1961
  • Sturz nach oben. Roman über das Thema eines Märchens, 1961 Zsolnay Verlag
  • Verbrannte Erde [Autobiographie], 1963 Zsolnay Verlag.
  • Plädoyer für Peking. Ein Augenzeugenbericht, 1966 Seewald Verlag
  • Der schwarze Engel, Novellen, 1966 Zsolnay Verlag
  • Zauber und Schrecken. Die Welt der Kinder, 1969 Paul Zsolnay Verlag
  • Dostojewski. Realismus am Rande des Transzendenz, 1971 Seewald Verlag
  • Jahre des Unheils. Fragmente erlebter Geschichte, 1972 Paul Zsolnay Verlag
  • Der Zauberlehrling, Roman, 1975 List Verlag

Drehbücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oper[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • O du schöner Rosengarten (oder: Der Fall Dr. Mann); nach dem Roman Der Weg zu Isabelle; Musik von Carlos Ehrensperger

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Im Kirchenbuch als „Eluisenstein“ bezeichnet, so auch Thiess in seinen Erinnerungen (Verbrannte Erde, S. 310). Auf damaligen Karten (1914ff.) erscheint jedoch nur „Luisenstein“ am Kleinen Jägel, heute im Ort Dobelnieki bei Ogre.
  2. Eigene Auskunft von Thiess in: Glenzdorfs Internationales Filmlexikon, Bd. III (1961), S. 1728.
  3. Dazu: Roy L. Ackermann: The role of the trial in the school prose of the Weimar Republic. Lang, Bern 1982, ISBN 3-261-04980-4, darin das Kapitel Frank Thiess's „Das Tor zur Welt“.
  4. a b Ernst Loewy: Literatur unter dem Hakenkreuz. Fischer Verlag 1969, S. 331.
  5. Beide Bücher in der „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“, Stand vom 31. Dezember 1938, S. 148 (online).
  6. Rein A. Zondergeld, Holger E. Wiedenstried: Lexikon der phantastischen Literatur. Weibrecht Verlag, Stuttgart u. a. 1998, ISBN 3-522-72175-6, S. 342.
  7. Klappentext von David Hoggan: Der erzwungene Krieg. Tübingen 1990.
  8. Wolf Rüdiger Hess: Weder Recht noch Menschlichkeit. Druffel, Leoni am Starnberger See 1974, S. 35.