Franz von Pocci

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Franz Pocci)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Franz von Pocci (Franz Hanfstaengl, 1857)

Graf Franz Ludwig Evarist Alexander von Pocci ([pɔtʃi]) (* 7. März 1807 in München; † 7. Mai 1876 ebenda) war ein deutscher Zeichner, Radierer, Schriftsteller, Musiker und Komponist. Aufgrund seiner Werke für das Kasperl- und Marionettentheater wurde er auch als „Kasperlgraf“ bekannt.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Franz von Pocci war der Sohn des aus Italien stammenden Offiziers Graf Fabrizio Evaristo von Pocci (1766–1844), der unter Kurfürst Karl Theodor in bayerische Dienste getreten war und es bei der Geburt von Franz von Pocci zum Generalleutnant und Obersthofmeister der Königin Karoline gebracht hatte. Seine Mutter war die Dresdner Baronin Xaveria von Posch. Er studierte Rechtswissenschaft und wurde 1826 Mitglied des Corps Isaria.[1] Mit 23 Jahren wurde er Zeremonienmeister von Ludwig I. von Bayern. Dieser berief ihn 1847 zum Hofmusikintendanten und Ludwig II. ernannte ihn 1864 zum königlich bayerischen Oberstkämmerer.

Pocci unterstützte den Marionettentheater-Gründer Josef Leonhard Schmid beim schwierigen Genehmigungsverfahren für das Münchner Marionettentheater, für das Pocci ab 1858 zahlreiche Puppenspiele mit Stoffen aus alten deutschen Volksbüchern, Märchen, Opern und Theaterstücken schuf.[2] Auf seinen Rat hin beantragte Schmid das Theater für Kinder und Erwachsene.

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Bade, Illustration aus Der Staatshämorrhoidarius in der Wochenschrift Fliegende Blätter, 1845

Der „Kasperlgraf“ verfasste mehr als 40 Kasperlstücke für das Marionettentheater mit Themen aus der Märchen- und Sagenwelt sowie Beiträge für die Münchener Bilderbogen. Er war sehr kreativ und produktiv und hinterließ der Nachwelt unzählige Karikaturen und rund 600 Musikstücke, so zum Beispiel das Lied Wenn ich ein Vöglein wär.

Seine Kasperlgeschichten ranken sich um den Kasperl Larifari, der jedoch kein netter Held, sondern eine eher ambivalente Figur ist. Larifari weist auch dunkle Seiten auf und ist als ein nie erwachsen gewordener Erwachsener zu verstehen. Larifari hat keine Eltern, sondern wird von einem Zauberer in ein goldenes Ei hineingezaubert und einer Henne zum Ausbrüten gegeben. Er hat nie die Chance, in einer intakten Familie aufzuwachsen, und wird zum Blender, Trickser und Narzissten.

Zu seinen wichtigsten Werken zählt das Lustige Komödienbüchlein, das unter anderem die Kasperlgeschichten Kasperl unter den Wilden und Kasperl in der Türkei enthält.

Gleichwohl ist Pocci nicht der Erfinder des Kasperltheaters. Beispielsweise existierten davor schon in England der Mr. Punch oder im deutschsprachigen Raum der Hanswurst. Entstanden ist die Figur des Larifari im Salzburger Land als derbes Vergnügen, das Pocci in seinen Werken kultivieren wollte.

Pocci war zeitlebens ein geradezu besessener Zeichner. „Und hättʼ ich wohl an hundert Händʼ / mit Burgen kämʼ ich nie zu Endʼ!“, dichtete er selbst über seine Leidenschaft, ständig die Bildphantasie spielen zu lassen.[3] Pocci schuf erfundene Landschaften und illustrierte seine Texte, konnte aber auch genauso gut mit unbestechlicher Schärfe seine Kollegen in Verwaltung und Künstlerschaft als Karikaturen aufspießen. So entstanden tausende, überwiegend kleinformatige Zeichnungen im Laufe seines Lebens. In den Fliegenden Blättern und im Münchener Bilderbogen erreichten seine Bildideen auch ein breites Publikum. Die Geschichte vom Staatshämorrhoidarius kann als erster deutschsprachiger Comic gelten.[4]

Mitgliedschaften und Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1837 bis 1875 war er Mitglied der Zwanglosen Gesellschaft München,[5] für die er viele Zeichnungen und Radierungen fertigte.

Münsing: Familiengrab

In München ist nach ihm die Poccistraße und die anliegende U-Bahn-Haltestelle benannt, in Landshut der Graf-Pocci-Weg und in Ingolstadt die Poccistraße.

Am 11. März 2006 wurde ihm zu Ehren in Münsing ein Denkmal errichtet: Poccis Sommerresidenz war für mehr als die letzten drei Jahrzehnte seines Lebens sein zu Münsing gehörendes Schloss Ammerland gewesen.

Zusätzlich wurde 2007 in München vor dem Marionettentheater anlässlich seines 200. Geburtstages ein weiteres Denkmal neben dem Eingang in der Blumenstraße aufgestellt. Geschaffen wurde es vom Künstler Ernst Grünwald. Seine Form erinnert an eine kleine transportable Bühne. Vor einem großen Porträt Poccis steht das Münchner Kindl, das den sich verneigenden Kasperl Larifari vorstellt.

Nachlass[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Nachlass wird in der Bayerischen Staatsbibliothek in München aufbewahrt und besteht aus großen Mappen, drei Bänden und drei Konvoluten. Darin enthalten sind sein Briefverkehr und Zeichnungen und Grafiken sowie Dichtungen. Ebenfalls sind auch das Archiv des Herrenclubs Zwanglose Gesellschaft und eine Sammlung seiner Druckschriften sowie ein umfangreiches Repertorium vorhanden. Der Nachlass ist in großen Teilen digitalisiert und wurde in das Verzeichnis national wertvoller Archive aufgenommen.

Anlässlich des 200. Geburtstages des Künstlers zeigte die Bayerische Staatsbibliothek vom 27. Juli bis 14. Oktober 2007 eine Ausstellung des Schriftstellers, Zeichners und Komponisten Pocci: Lebensdokumente, Briefe, Originalzeichnungen und Druckgrafiken aus seinem Nachlass.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Illustrationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Blumenlieder 1830
  • Lieder für Knaben und Mädchen 1832
  • Festkalender in Bildern und Liedern, geistlich und weltlich, hg. zusammen mit Guido Görres 1834–37
  • Schneewittchen 1837
  • Hänsel und Gretel 1838
  • Kleiner Frieder 1838
  • Schönröslein 1838
  • Kindermärchen von A.L. Grimm 1839
  • Fliegende Blätter. 1844–1856 Mitarbeit
  • Geschichten und Lieder mit Bilder 1841–45
  • Sechs Märlein von Schreiber 1842
  • Alte und neue Soldatenlieder 1842
  • Jägerlieder 1843
  • Studentenlieder 1844
  • Blaubart. Ein Märchen 1845.
  • Kinderheimat in Liedern und Bildern von Friedrich Güll 1846
  • Schattenspiel 1847.
  • Münchener Bilderbogen 1848–1866 (insg. 29 Bogen) Mitarbeit
  • Der Osterhas. Eine Festgabe für Kinder 1850
  • Andersens Märchen 1851
  • Alte und neue Kinderlieder. Mit Bildern und Singweisen hg. zusammen mit Karl von Raumer, 1852 (urn:nbn:de:bvb:12-bsb11161108-1)
  • Lustiges Bilderbuch 1852.
  • Altes und Neues 1855–1856
  • Der Staatshämorrhoidarius in: Fliegende Blätter 1845, Neuausgabe München 1957
  • Landknechtslieder 1861
  • Totentanz 1862
  • Lustige Gesellschaft 1867.
  • Viola Tricolor 1876

Dichtungen und Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Marionette Frau Moosmayerin zu von Poccis 1872 uraufgeführtem Schicksalsdrama Kasperl wird reich;
Münchner Stadtmuseum, Sammlung Puppentheater, Schaustellerei
Band 1 (1859): Prinz Rosenroth und Prinzessin Lilienweiß; Kasperl unter den Wilden; Heinrich von Eichenfels; Kasperl in der Türkei; Blaubart; Kasperl als Porträtmaler; Dornröslein
Band 2 (1861): Doktor Sassafras; Der Weihnachtsbrief; Die drei Wünsche; Die Taube; Munzl, der gestiefelte Kater; Prinz Herbed; Kasperl als Garibaldi
Band 3 (1869): Hansel und Grethel oder der Menschenfresser; Die stolze Hildegard oder Asprian mit dem Zauberspiegel; Das Märchen vom Rothkäppchen; Albert und Bertha oder Kasperl im Sacke; Die Zaubergeige; Kasperl als Prinz
Band 4 (1871): Kalasiris, die Lotosblume; Das Schusserspiel; Die geheimnißvolle Pastete; Die sieben Raben; Das Glück ist blind; Waldkönig Laurin; Das Eulenschloß
Band 5 (1875): Aschenbrödel; Der artesische Brunnen oder Kasperl bei den Leuwutschen; Kasperl als Turner; Kasperl wird reich; Der Zaubergarten (Zwischenspiel); Crocodilus und Persea, oder der verzauberte Krebs; Schimpanse, der Darwinaffe
Band 6 (1877): Undine, die Wassernixe; Kasperl in der Zauberflöte; Die Erbschaft; Schuriburiburilchuribimbampuff oder Kasperl als Bergknappe (Zauberspiel in drei Aufzügen); Der gefangene Turko; König Drosselbart
  • Karfunkel 1859 (Volksdrama)
  • Gedenkblätter 1860
  • Der wahre Hort 1864 (Volksdrama)
  • Herbstblätter 1867
  • Odoardo 1869 (Romantisches Schattenspiel)
  • Giovannina 1871 (Schauspiel)

Kompositionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Flug der Liebe 1826
  • Sechs deutsche Lieder 1829
  • Blumenlieder 1832
  • Der Alchymist 1832 (Hofoper) UA 1840 in München
  • Sechs Lieder als Frühlingsgruß – Sonate fantastique 1833
  • Frühlingssonate 1834
  • Bildertöne fürs Klavier – sechs altdeutsche Minnelieder 1835
  • Sechs Lieder (als Weihnachtsausgabe) 1836
  • Drei Duetten Trifolien 1838
  • Drei Quartette, vier Duette 1849

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der Allitera Verlag, München, bringt zusammen mit Monacensia, Bayerischer Staatsbibliothek und Internationaler Jugendbibliothek 2007 eine Gesamtausgabe in der edition monacensia heraus.
  • Hyacinth HollandPocci, Franz Graf von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 331–338.
  • Marianne Bernhard (Hrsg.): Franz Graf von Pocci. Die gesamte Druckgraphik. Rogner und Bernhard, München 1974, ISBN 3-8077-0022-6, ISBN 3-8077-0025-0
  • Annemarie Czettritz: Franz Graf Pocci. Freund der Kinder und der Musen. Bayerische Vereinsbank, München, 1979
  • Michael Dirrigl: Franz Graf Pocci. Der Kasperlgraf; „drîer künege getriuwer kameraere“. Lectura, Nürnberg 2001, ISBN 3-934772-32-3
  • Johannes Glötzner: Der nackerte Larifari – Franz Graf von Poccis Nudität-Satire. Edition Enhuber, München, 2007
  • Günter Goepfert: Franz von Pocci. Vom Zeremonienmeister zum „Kasperlgrafen“. Lebens- und Schaffenswege eines universellen Talents. Verlagsanstalt Bayerland, Dachau 1999, ISBN 3-89251-265-5
  • Stefan JordanPocci, Franz Ludwig Evarist Alexander Graf von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 552–554 (Digitalisat).
  • Anna Lucas: Franz Pocci und das Kinderbuch. Mit einer Bearbeitung der Schattenspiele. Regensberg, Münster in W. 1929
  • Sigrid von Moisy: Franz Graf Pocci (1807–1876). Schriftsteller, Zeichner, Komponist unter drei Königen. (Bayerische Staatsbibliothek, Ausstellungskataloge, 78). Allitera Verlag, München, 2007. ISBN 978-3-86520-265-9
  • Eckart Sackmann: Der Staatshämorrhoidarius. In: ders. (Hrsg.): Deutsche Comicforschung 2007. Comicplus, Hildesheim 2006, ISBN 3-89474-168-6, S. 16–32.
  • Maximilian Schreiber: Dem „Spottteufel“ verfallen. Poccis Karikaturen von Mitgliedern der Herrengesellschaft „Altengland“. In: Bibliotheksforum Bayern. Bd. 17 (2023), Heft 1, S. 6–10 (online).
  • Michael Stephan: Franz von Pocci. Unveröffentlichte Karikaturen für die Gesellschaft „Altengland“ von 1840 bis 1876, hrsg. von der Franz-Graf-von-Pocci-Gesellschaft, Apelles Verlag, Starnberg, 2021. ISBN 978-3-946375-10-4.
  • Andreas Strobl und Max Oppel: Franz von Pocci. Phantasie und Spott, Studio-Reihe der Staatlichen Graphischen Sammlung München, Band 6, Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2019. ISBN 978-3-422-92200-6.
  • Reinhard Valenta: Franz von Poccis Münchener Kulturrebellion. Alternatives Theater in der Zeit des bürgerlichen Realismus. Ludwig, München 1991, ISBN 3-7787-2117-8 (zugleich Dissertation der Universität Konstanz)
  • Franz Wolter: Franz von Pocci als Simplizissimus der Romantik. Schmidt, München, 1925

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weitere Inhalte in den
Schwesterprojekten der Wikipedia:

Commons – Medieninhalte (Kategorie)
Wikiquote – Zitate
Wikisource – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kösener Corpslisten 1930, 111, 158
  2. Barbara Rott: Felix Fechenbach und das Puppenspiel. In: Roland Flade, Barbara Rott (Hrsgg.): Felix Fechenbach, Der Puppenspieler. Ein Roman aus dem alten Würzburg. Königshausen & Neumann, Würzburg 1988, ISBN 3-88479-376-4, S. 31–34; hier: S. 33 f.
  3. Strobl/Oppel: Franz von Pocci. Phantasie und Spott, S. 22.
  4. Strobl/Oppel: Franz von Pocci. Phantasie und Spott, S. 48.
  5. Gustav Rohmer: Die Zwanglose Gesellschaft in München 1837–1937; als Manuskript gedruckt, C.H.Beck’sche Buchdruckerei, Nördlingen 1937