Friedrich Panzinger

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Friedrich Panzinger (* 1. Februar 1903 in München; † 8. August 1959 ebenda) war ein deutscher Polizeibeamter, Jurist und SS-Führer. In der Zeit des Nationalsozialismus war er Leiter der Amtsgruppe IV A des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), von August 1943 bis Mai 1944 Führer der Einsatzgruppe A im Baltikum und Weißrussland sowie ab 15. August 1944 Chef des Reichskriminalpolizeiamtes (Amt V des Reichssicherheitshauptamtes). Innerhalb der SS stieg er bis zum SS-Oberführer auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND).

Frühe Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Panzinger trat nach Abschluss der Oberrealschule 1919 in den Polizeidienst der Stadt München ein. Er nahm an einer Einstellungsprüfung für den mittleren Polizeidienst teil und wurde als Polizist in das Beamtenverhältnis aufgenommen. Später wechselte er zur Politischen Polizei in seiner Heimatstadt. Als Abendschüler holte er 1927 das Abitur nach. Danach absolvierte er neben dem Polizeidienst ein Jurastudium und legte 1931 sein Referendarexamen und 1934 die große juristische Staatsprüfung ab. Er wurde anschließend in den höheren Polizeidienst als Regierungsassessor übernommen und wurde später zum Regierungsrat befördert.[1]

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung war Panzinger im Sommer 1933 der SA beigetreten.[2] Trotz einer positiven Stellungnahme der NSDAP-Ortsgruppe im Oktober 1936 zum Aufnahmeantrag Panzingers konnte er aufgrund des allgemeinen Aufnahmestopps erst zum 1. Mai 1937 Parteimitglied werden (Mitgliedsnummer 5.017.341[3]). Der SS trat Panzinger im April 1937 bei (SS-Nr. 322.118[3]).

Zweiter Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit November 1939 war er SS-Sturmbannführer. Er war sodann als Kriminalkommissar in der Staatspolizeileitstelle Berlin beschäftigt. Ab August 1940 nahm er Aufgaben eines Sonderbeauftragten der Sicherheitspolizei bei der deutschen Gesandtschaft in Sofia wahr. Im September 1941 trat Panzinger seinen Dienst als Leiter der Amtsgruppe IV A (Gegnerbekämpfung) im Amt IV (Gegnererforschung und -bekämpfung – Gestapo: Leiter SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Heinrich Müller) des Reichssicherheitshauptamtes an. Die Amtsgruppe IV A Panzingers bestand aus den folgenden Referaten:

  • IV A 1 (Kommunismus, Marxismus und Nebenorganisationen, Kriegsdelikte, illegale und Feindpropaganda): SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor Josef Vogt, ab August 1941 SS-Hauptsturmführer Günther Knobloch
  • IV A 2 (Sabotageabwehr, Sabotagebekämpfung, Politisch-polizeiliche Abwehrbeauftragte, Politisches Fälschungswesen): SS-Hauptsturmführer und Kriminalkommissar Horst Kopkow
  • IV A 3 (Reaktion, Opposition, Legitimismus, Liberalismus, Emigranten, Heimtücke-Angelegenheiten – soweit nicht IV A 1): SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor Willy Litzenberg
  • IV A 4 (Schutzdienst, Attentatsmeldung, Überwachungen, Sonderaufträge, Fahndungstrupp): SS-Sturmbannführer und Kriminaldirektor Franz Schulz.

Im Januar 1941 wurde er zum SS-Obersturmbannführer befördert, im April 1943 zum SS-Standartenführer und im September 1943 zum SS-Oberführer.[4]

Vom 4. September 1943 bis Mai 1944 führte Panzinger als Nachfolger von Humbert Achamer-Pifrader die aus drei Einsatzkommandos bestehende Einsatzgruppe A, die im Bereich der Heeresgruppe Nord im Baltikum und Weißruthenien als Teil der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD die sicherheitspolizeilichen Belange wahrzunehmen und zugleich die Liquidierung aller potentiellen Gegner und der „rassisch Minderwertigen“ durchzuführen hatte. In dieser Zeit war Panzinger auch Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Reichskommissariat Ostland mit Sitz in Riga.

Eine Umorganisation des Amtes IV des RSHA im März 1944 führte zu einer Aufteilung der Fach- und Gebietsabteilungen zwischen Panzinger und Achamer-Pifrader. Während Panzinger mit der Amtsgruppe IV A die Leitung der Fachabteilungen übernahm, kamen zur Amtsgruppe IV B unter Achamer-Pifrader die Gebietsabteilungen. Panzingers Amtsgruppe stellte sich nun wie folgt dar:

Ab 15. August 1944 führte Panzinger das Amt V (Reichskriminalpolizeiamt) des RSHA als Nachfolger von Arthur Nebe, der aufgrund seines Wissens um das Hitlerattentat vom 20. Juli 1944 untertauchte. Für sein regimetreues Handeln nach dem Attentat im Zuge seiner Beteiligung an der Niederschlagung und Ermittlungen wurde er Mitte Oktober zum Oberst der Polizei ernannt und Ende November 1944 mit dem Deutschen Kreuz in Silber ausgezeichnet.[5]

Panzinger war mitverantwortlich für die Ermordung des kriegsgefangenen französischen Generals Gustave Mesny am 19. Januar 1945 in der Nähe der Stadt Nossen (Sachsen).[6]

Nach Kriegsende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Kriegsende hielt sich Panzinger bei Linz auf. Er wurde im Oktober 1946 festgenommen und an die Sowjetunion ausgeliefert. In Moskau wurde er am 22. März 1952 zu drei Mal 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, die später auf 25 Jahre herabgesetzt wurden.[7] Als sogenannter Nichtamnestierter wurde er im September 1955 in die Bundesrepublik Deutschland entlassen.[2]

Operation Panoptikum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Regierungsrat zur Wiederverwendung (z. Wv.) wurde Panzinger mit dem Decknamen „Heinz Paulsen“, Verwaltungsnummer V-1150, Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes unter Reinhard Gehlen und war später (1959) bei einer Treuhandgesellschaft angestellt.[2] Friedrich Panzinger und andere ehemalige NS-Personen wirkten unter dem V-Mann-Führer Friedrich Busch bei der von Heinz Felfe geleiteten Operation Panoptikum (Codename UJNUTLET), bei der Panzinger als Doppelagent gegen den KGB eingesetzt werden sollte.

Als die Staatsanwaltschaft gegen Panzinger wegen der im Januar 1945 durchgeführten Ermordung des französischen Generals Gustave Mesny Anklage erhob, entzog er sich seiner Verhaftung am 8. August 1959 durch Suizid (Vergiftung) in seiner Münchner Wohnung.[8] Danach sollte Friedrich Busch die Rolle von Panzinger übernehmen und wurde während der Olympischen Spiele 1960 in Rom als Agent des KGB angeworben. Die „Operation Panoptikum“ endete 1961 mit der Festnahme von Heinz Felfe als Doppelagent.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gerhard Sälter: NS-Kontinuitäten im BND: Rekrutierung, Diskurse, Vernetzungen (Veröffentlichungen der UHK zur BND-Geschichte, Band 15), Ch. Links Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-96289-131-2.
  • Daniel Stange / Ingo Wirth: Friedrich Panzinger (1903–1959): Letzter Chef der Reichskriminalpolizei. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Jg. 67, 2019, Heft 11, S. 913–933.
  • Sebastian Weitkamp: "Mord mit reiner Weste". Die Ermordung des Generals Maurice Mesny im Januar 1945, in: Timm C. Richter (Hg.): Krieg und Verbrechen. Situation und Intention: Fallbeispiele. Meidenbauer, München 2006, ISBN 3-89975-080-2, S. 31–40.
  • Sebastian Weitkamp: Braune Diplomaten. Horst Wagner und Eberhard von Thadden als Funktionäre der „Endlösung“. J.H.W. Dietz, Bonn 2008, ISBN 3-8012-4178-5.
  • Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburger Edition HIS Verlagsges. mbH, Hamburg 2002, ISBN 3-930908-75-1.
  • Ingo Wirth: Friedrich Panzinger: Am Ende stand der Suizid. In: Wolfgang Proske (Hrsg.): Täter Helfer Trittbrettfahrer, Bd. 16. NS-Belastete aus München. Kugelberg Verlag, Gerstetten 2023, ISBN 978-3-945893-24-1, S. 325–336.
  • Eine deutsche Karriere: Friedrich Panzinger; Protokoll des Verhörs des Gefangenen Panzinger, Friedrich vom 12. Februar 1947 in: „Utopie kreativ“, 1995 (Förderverein Konkrete Utopien e.V. Berlin) ISSN 0863-4890.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Sebastian Weitkamp: "Mord mit reiner Weste". Die Ermordung des Generals Maurice Mesny im Januar 1945, in: Timm C. Richter (Hg.): Krieg und Verbrechen. Situation und Intention: Fallbeispiele. Meidenbauer, München 2006, S. 33.
  2. a b c Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 449.
  3. a b Erschließungsband zur Mikrofiche-Edition: Mit einer Einleitung von Angelika Ebbinghaus zur Geschichte des Prozesses und Kurzbiographien der Prozeßbeteiligten. S. 129. Karsten Linne (Hrsg.): Der Nürnberger Ärzteprozeß 1946/47. Wortprotokolle, Anklage- und Verteidigungsmaterial, Quellen zum Umfeld. Im Auftrag der Hamburger Stiftung Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts herausgegeben von Klaus Dörner, Deutsche Ausgabe, Mikrofiche-Edition, München 1999
  4. Sebastian Weitkamp: "Mord mit reiner Weste". Die Ermordung des Generals Maurice Mesny im Januar 1945, in: Timm C. Richter (Hg.): Krieg und Verbrechen. Situation und Intention: Fallbeispiele. Meidenbauer, München 2006, S. 33f.
  5. Sebastian Weitkamp: "Mord mit reiner Weste". Die Ermordung des Generals Maurice Mesny im Januar 1945, in: Timm C. Richter (Hg.): Krieg und Verbrechen. Situation und Intention: Fallbeispiele. Meidenbauer, München 2006, S. 33.
  6. Sebastian Weitkamp: "Mord mit reiner Weste". Die Ermordung des Generals Maurice Mesny im Januar 1945, in: Timm C. Richter (Hg.): Krieg und Verbrechen. Situation und Intention: Fallbeispiele. Meidenbauer, München 2006 S. 31–40, ISBN 3-89975-080-2.
  7. Sebastian Weitkamp: "Mord mit reiner Weste". Die Ermordung des Generals Maurice Mesny im Januar 1945, in: Timm C. Richter (Hg.): Krieg und Verbrechen. Situation und Intention: Fallbeispiele. Meidenbauer, München 2006, S. 38.
  8. Sebastian Weitkamp: Kopfschuss in der Dämmerung, SPIEGEL Geschichte, 16. November 2008, abgerufen am 19. Juni 2020.