Fruchtbarer Halbmond

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Ungefähre Abgrenzung des Fruchtbaren Halbmondes

Fruchtbarer Halbmond (englisch Fertile Crescent, arabisch الهلال الخصيب, DMG al-hilāl al-chaṣīb) ist die von James Henry Breasted 1916 eingeführte Bezeichnung für das Winterregengebiet am nördlichen Rand der Syrischen Wüste, die sich im Norden an die arabische Halbinsel anschließt. Namensgebend war die Ausdehnung des Gebiets in Form einer Mondsichel in einem weiten Bogen, der sich vom Persischen Golf im Süden des heutigen Irak, über den Norden von Syrien, den Libanon, Israel, Palästina und Jordanien erstreckt. Gelegentlich wird der Norden Ägyptens hinzugezählt.

Kulturgeschichte

Abgrenzung des Fruchtbaren Halbmondes nach der heutigen Definition[1]

Der Fruchtbare Halbmond gilt als eine der Ursprungsregionen der neolithischen Revolution, des Überganges von der wildbeuterischen Lebensweise zu Ackerbau oder Viehzucht ab dem 12. Jahrtausend v. Chr. Archäologische Forschungen haben ergeben, dass Volksgruppen der Zeitstufe Präkeramisches Neolithikum B (PPNB) im 7. Jahrtausend v. Chr. im Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds intensiv Ackerbau betrieben. Es gibt Vermutungen, dass das Klima im 7. Jahrtausend v. Chr. günstiger und niederschlagsreicher war als davor und danach, was ein Vordringen in Steppengebiete ermöglicht haben könnte.[2] Angebaut wurden Getreide (Gerste, Einkorn, Emmer) und Hülsenfrüchte; die ersten domestizierten Tiere waren Ziegen, gefolgt von Schafen und später Rindern und Schweinen.[3] Der Fruchtbare Halbmond lag im Verbreitungsgebiet von Wildrindern. Spätestens Anfang des 6. Jahrtausends züchteten sesshafte Ackerbauern die ersten Hausrinder.[4] Während heute im Norden und in der Levante im Westen Regenfeldbau bei Niederschlagsmengen von 400 bis 900 Millimetern pro Jahr möglich ist, lässt sich im Südosten bei Niederschlägen von unter 250 Millimetern eine Ernte nur durch künstliche Bewässerung erreichen.

Im Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds entstanden einige der frühesten städtischen Kulturen: Eridu, vermutlich die älteste sumerische Stadt, und wenig später Uruk in Mesopotamien im 4. Jahrtausend v. Chr. Zum Fruchtbaren Halbmond gehörten das Reich von Akkade im 3., das Assyrische Reich im 2. und Phönizien im 1. Jahrtausend v. Chr.

Der britische Ingenieur William Willcocks versuchte 1918, den im Glauben von Judentum, Christentum und Islam vorgestellten Garten Eden bei vier Kanälen im alten Babylonien zwischen Ramadi und Bagdad zu verorten.[5] Seither wurden weitere Lokalisierungsvorschläge weiter nördlich im Bereich des Fruchtbaren Halbmondes geäußert.

Begriffsgeschichte

Ausschnitt aus Breasteds Karte von 1916 mit dem als Fertile Crescent bezeichneten Gebiet, das im Südwesten bis Palästina reicht. Auf der Originalkarte ist der Fruchtbare Halbmond durch ein schmales grünes Band dargestellt.

Erstmals taucht der Fruchtbare Halbmond auf einer Karte von James H. Breasted als grün eingefärbter, hufeisenförmiger Bogen mit der Öffnung nach Süden auf. Breasted liefert dazu für die Antike eine Umschreibung des Gebiets, das demnach von Palästina am östlichen Mittelmeer über Assyrien am Scheitel bis nach Mesopotamien im Osten reichte, im Süden begrenzt von Wüsten und im Norden von den Bergketten Anatoliens. Euphrat und Tigris sind die Hauptflüsse des Fruchtbaren Halbmonds. Die mäßigen Regenfälle sorgten im Winter für grünes Weideland, das über Jahrtausende den Lebensraum für Viehnomaden bot und Hochkulturen entstehen ließ. Nach Breasted lässt sich die antike Geschichte des Nahen Ostens als Kampf der nomadischen Wüstenbewohner gegen die Völker aus den nördlichen Bergen um das Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds beschreiben. Die Nomaden waren demnach semitische Völker, die ab 3000 v. Chr. aus der Wüste Arabiens nach Nordwesten zogen und sich in Palästina niederließen, wo sie später als Kanaaniter und weiter nördlich am Euphrat als Amurriter in Erscheinung traten.[6]

Auch wenn der Begriff „Fruchtbarer Halbmond“ schon bald nach Breasteds Einführung vielfach übernommen wurde, stellte Albert T. Clay 1924 kritisch fest, dass das schmale grüne Band auf Breasteds Karte mehrere 100 Kilometer am Mittellauf von Euphrat und Tigris frei lässt – Gebiete mit altem Bewässerungsfeldbau, die Breasted stattdessen dem Wüstenraum (desert bay) zurechnet. Das am mittleren Euphrat gelegene Mari muss in babylonischer Zeit im 2. Jahrtausend v. Chr. von fruchtbarem Ackerland umgeben gewesen sein, das bei Hochwasser weitflächig überschwemmt wurde. Die stetige Bodendegradation haben bereits Autoren zur römischen Zeit bemerkt. Weil der Euphrat allmählich die fruchtbaren Böden mit sich spülte, ist sein Flussbett heute schmäler und tiefer eingegraben als damals.[7] Die Gebiete außerhalb der bewässerten Flussebenen sind heute wüstenartig. Die Südgrenze von Breasteds Band des Fruchtbaren Halbmonds im mittleren Bereich entspricht etwa der 250-Millimeter-Isolinie, bis zu der Regenfeldbau möglich ist. Auf vielen Karten ist das Gebiet wesentlich breiter dargestellt und schließt gelegentlich fast ganz Syrien ein. Im übertragenen Sinn können die Länder insgesamt gemeint sein, die am Fruchtbaren Halbmond Anteil haben.

Nordägypten ist durch die Sinai-Halbinsel vom Fruchtbaren Halbmond getrennt und liegt nicht auf dem asiatischen, sondern auf dem afrikanischen Kontinent. Aufgrund seiner geschichtlichen Verbindung zu den antiken Reichen in Palästina wird Unterägypten heute manchmal entweder als Fortsetzung oder als Teil des Fruchtbaren Halbmonds angesehen.[8]

Literatur

Weblinks

Commons: Fruchtbarer Halbmond – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://kids.britannica.com/elementary/art-54537/The-Fertile-Crescent-includes-the-river-valleys-of-the-Nile?&articleTypeId=38
  2. Juris Zarins: Early Pastoral Nomadism and the Settlement of Lower Mesopotamia. In: Bulletin of the American Schools of Oriental Research, No. 280. November 1990, S. 31–65, hier S. 38
  3. Melinda A. Zeder: The Origins of Agriculture in the Near East. In: Current Anthropology, Vol. 52, No. 4 (The Origins of Agriculture: New Data, New Ideas) Oktober 2011, S. 221–235, hier S. 222
  4. Kunz Dittmer: Zur Entstehung des Rinderhirtennomadismus. In: Paideuma, Band 11, 1965, S. 8–23, hier S. 11
  5. William Willcocks: From the Garden of Eden to the Crossing of the Jordan. The French Institute of Oriental Archaeology, Kairo 1918
  6. James Henry Breasted, 1916, S. 101, 104
  7. Albert T. Clay: The So-Called Fertile Crescent and Desert Bay. In: Journal of the American Oriental Society, Vol. 44. 1924, S. 186–201, hier S. 186, 196
  8. James Maxwell Miller, John Haralson Hayes: History of Ancient Israel and Judah. Westminster John Knox Press, Louisville (KY) 2006, S. 31