Gemeinde

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Als Gemeinde, politische Gemeinde oder Kommune bezeichnet man Gebietskörperschaften (territoriale und hoheitliche Körperschaften des öffentlichen Rechts), die im öffentlich-verwaltungsmäßigen Aufbau von Staaten meistens die kleinste räumlich-administrative, also politisch-geographische Verwaltungseinheit darstellen. Das entspricht der LAU-2-Ebene der Europäischen Union.

Arten von Kommunen und Siedlungsformen

Als Gemeindeebene oder Kommunalebene bezeichnet man die politische Ebene, die dem Gebiet einer kommunalen Gebietskörperschaft zugeordnet ist. In manchen Staaten wird der Begriff in der LAU-2 in anderen Staaten als LAU-1-Ebene eingeordnet. Die Begriffe Kommunalebene und Gemeindeebene sind daher unter Umständen nicht synonym. Zu beachten ist, dass zwar jede Stadt eine Kommune, aber nicht jede Kommune eine Stadt ist. Im Allgemeinen werden als „Gemeinde“ in Deutschland nur diejenigen Kommunen bezeichnet, die nicht das Stadtrecht erhalten haben. Heute besitzen Städte praktisch nur noch ein einziges Vorrecht im Vergleich zu anderen Kommunen, und zwar das, sich „Stadt“ nennen zu dürfen. Zu den Kommunen gehören in einigen Bundesländern auch Märkte und Flecken, Gebietskörperschaften mit einem eigenen offiziellen Status. Siedlungsformen ohne offiziellen Status sind Dörfer, Bauerschaften bzw. Weiler (und solche Stadtviertel, die nicht als Stadtbezirk im rechtlichen Sinn gelten).

Politik und Verwaltung in Kommunen

Bei Kommunalwahlen werden in der Bundesrepublik Deutschland im Zuge der kommunalen Selbstverwaltung als Vertretung der einheimischen Bevölkerung nicht nur Stadt- und Gemeinderäte, sondern auch die Abgeordneten von Kreistagen und (in größeren Städten und Stadtstaaten) Vertreter der Stadtbezirke sowie oftmals auch (Ober-)Bürgermeister und Landräte gewählt.

Die Gemeindeverwaltung ist die Gesamtheit aller Organe, Ämter und Behörden der Gemeinde. Das Gebäude des Verwaltungssitzes wird im deutschen Sprachraum regional unterschiedlich Rathaus, Stadthaus, Gemeindehaus oder Gemeindeamt genannt.

Durchschnittliche Einwohnerzahlen je Stadt oder Gemeinde in einigen Ländern

Staat Gemeinden
(Anzahl)
Einwohner Einwohner/Gemeinde
(Durchschnitt)
Jahr
Deutschland 11.114 80.716.000 7.263 2014
Griechenland 325 10.815.197 33.278 2011
Niederlande 443 16.730.632 37.767 2014
Österreich 2.354 8.507.786 3.614 2013
Schweden 290 9.573.466 33.012 2013
Schweiz 2.408 8.609.000 3.575 2013

Geschichte

Im späten 11. Jahrhundert setzte im westlichen Teil des Heiligen Römischen Reiches eine Bewegung ein, die in den Quellen mit den Begriffen coniuratio oder communio bezeichnet wird. In Le Mans verbreitete sich im Jahre 1070 eine „Verschwörung, die sie Kommune nannten“.[1] Später beschworen die Bürger von Cambrai im Jahre 1077 eine schon lange geplante „Kommune“. Sie nutzten die Abwesenheit des bischöflichen Stadtherrn. Sie beschworen untereinander durch Eid, dem Bischof den Eintritt in die Stadt zu verwehren, wenn er die neue Eidgenossenschaft nicht anerkennt. Zwar wurde diese erste Kommune niedergeschlagen und wieder aufgelöst; dennoch zog sich der Kampf der Bürger von Cambrai um Wehrhoheit, Gerichtsbarkeit und städtische Selbstverwaltung bis in die 20er Jahre des 13. Jahrhunderts.

Aber auch in anderen Städten des deutschen Sprachraums gab es kommunale Bewegungen. So 1074 in Köln gegen den Erzbischof von Köln und 1073 in Worms. In beiden Fällen ging es um die Erreichung größerer Freiheiten vom feudalen Stadtherrn, insbesondere von geistlichen Herren. Der Stadtherr übte mit seinen Dienstleuten und Amtsträgern die Gerichts- und Verwaltungsbefugnisse in der Stadt aus, er hatte Gewalt über die Befestigungen der Stadt, übte Markt- und Zollrechte aus und bezog Einnahmen daraus. Sehr oft gehörte dem Stadtherrn auch der Grund und Boden der Stadt, sodass für dessen Nutzung für Bauten und die Wirtschaftstätigkeiten Abgaben zu zahlen waren. Weiterhin standen viele Bürger in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Stadtherrn.

Quellen zufolge kritisierten insbesondere die zu Reichtum gelangten Kaufleute die Herrschsucht der Stadtherren. Die vielschichtigen Gründe führten aber dazu, dass nicht nur die Kaufleute und Handwerker aufbegehrten, sondern sich auch in die Stadt geflüchtete hörige Bauern, Ministeriale und abhängige Dienstleute dem Kampf um die Kommune anschlossen.

In der Schweiz hat sich wegen fehlender bzw. schwacher Zentralmächte ein ausgeprägter Kommunalismus entwickelt. Bis heute gilt die Schweizer Gemeinde als Ausgangspunkt der politischen Selbstverwaltung und Selbstbestimmung. Schweizer Gemeinden verfügen über ein hohes Maß an Autonomie, einschließlich der Steuerautonomie. Der Historiker Peter Jósika bezeichnet das in der Schweiz praktizierte System der kommunalen Selbstbestimmung als Vorbild für die Überwindung nationalistischer und zentralistischer politischer Strukturen sowie dem Aufbau eines zukünftigen Vereinten „Europas der Regionen“.[2]

Rechtliche Situation nach Staat

Deutschland

Dreieck mit dem Bund an der Spitze, darunter in Schichten die Bundesländer, optional Regierungsbezirke, (Land-)Kreise, optional Gemeindeverbände und Gemeinden. Die strikte Schichtung wird durchbrochen durch Stadtstaaten und Kreisfreie Städte, die Aufgaben mehrerer Schichten wahrnehmen.BundBundesländer/FlächenländerBundesländer/Stadtstaaten(Regierungsbezirke)(Land-)KreiseGemeindeverbände(Gemeindeverbandsangehörige/Kreisangehörige Gemeinden)(Gemeindeverbandsfreie) Kreisangehörige GemeindenKreisfreie Städte
Vertikale Staatsstruktur Deutschlands

In Deutschland benutzt man für Orte oder Städte als politische Gemeinde oder Ortsgemeinde meist den einfachen Ausdruck „Gemeinde“, der aber auch andere regionalspezifische Gemeindeformen beinhaltet. Die Gemeindeordnungen werden von den Ländern beschlossen. Interkommunale Kooperationen, die eine eigene Rechtspersönlichkeit erfordern, erfolgen im Rahmen eines Gemeindeverbandes.

In Deutschland wird die Gemeinde in der LAU-2-Ebene (der früheren NUTS5) eingeordnet, während die Verwaltungsgemeinschaften in LAU-1 eingereiht werden.

Österreich

In Österreich benutzt man meist den einfachen Ausdruck Gemeinde, der aber auch andere regionalspezifische Gemeindeformen beinhaltet. Sämtliche Gemeinden in Österreich werden bei LAU-2 eingeordnet. Die LAU-1-Ebene wird nicht verwendet.

Schweiz

Die Bezeichnung politische Gemeinde (deutsch Gemeinde, französisch commune, bourgeoisie, italienisch comune, rätoromanisch vischnauncas) wird in der Schweiz aufgrund einer intensiveren Präsenz der Bezeichnungen weiterer Gemeindearten sehr viel häufiger, verbindlicher und auch amtlich benutzt. Ferner kann dort darunter auch die Gesamtheit aller stimmberechtigten Einwohner einer politischen Gemeinde verstanden werden; der Begriff der ‚Gemeinde‘ bezeichnet dann die Stimmgemeinde bzw. das Stimmvolk.

Gemeindebegriffe in der Schweiz:

Weitere Länder

Siehe auch

Literatur

  • Evamaria Engel: Die deutsche Stadt im Mittelalter. München 1993, ISBN 3-491-96135-1.
  • Peter Blickle: Art. Gemeinde, Gemeindeverfassung, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, hrsg. von Albrecht Cordes, Heiner Lück, Dieter Werkmüller und Christa Bertelsmeier-Kierst als philologischer Beraterin. Redaktion: Falk Hess und Andreas Karg, Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2009, 9. Lieferung, Sp. 47–54. ISBN 978-3-503-07911-7

Weblinks

Wiktionary: Gemeinde – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Kommune – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Jean-Charles-Léonard Simonde ¬de Sismondi: Histoire des Français. Treuttel et Würtz, 1823, S. 406. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  2. Peter Josika: Ein Europa der Regionen – Was die Schweiz kann, kann auch Europa, IL-Verlag, Basel 2014, ISBN 978-3-906240-10-7.