George Tiller

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
George Tiller während einer Konferenz im Januar 2009

George Richard Tiller (* 8. August 1941 in Wichita, Kansas; † 31. Mai 2009 ebenda) war ein US-amerikanischer Arzt. Bekanntheit erlangte er in seinem Heimatland durch von ihm durchgeführte Spätabtreibungen. Er starb durch ein Attentat, das ein Abtreibungsgegner verübt hatte.[1]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Klinik in Wichita, in der Tiller medical director war, ist spezialisiert auf Schwangerschaftsabbrüche und eine von nur drei Kliniken in den USA, in denen Schwangerschaftsabbrüche nach der 21. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden. Tiller nahm seit 1973 Schwangerschaftsabbrüche vor. Er und seine Klinik waren schon mehrfach das Ziel von Anschlägen und Demonstrationen von Abtreibungsgegnern. So schoss ihm 1993 Rachelle Shannon, die der Terrorgruppe Army of God nahesteht, in beide Arme, 1985 explodierte ein Sprengsatz in seinem Krankenhaus.[1]

The O’Reilly Factor[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über die Person Tiller wurde in der Talkshow The O’Reilly Factor des rechten Moderators Bill O’Reilly am 25. Februar 2005 zum ersten Mal diskutiert. Bis zu seiner Ermordung war er insgesamt 28 Mal Thema dieser Sendung. Er wurde unter anderem als „Tiller, the Baby Killer“ (dt.: Tiller, der Baby-Mörder) diffamiert. Moderator Bill O’Reilly protestierte gegen diese Bezeichnung nicht. Der Kongressabgeordnete Robert K. Dornan hatte diese Bezeichnung ebenfalls im Vorraum des Kongresses benutzt. O’Reilly sagte, er möchte „nicht Tiller am Tage des jüngsten Gerichts sein“.[2]

Prozess gegen Tiller[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tiller wurde im März 2009 in Kansas angeklagt, weil er bei 19 Fällen keinen zweiten Arzt bei der Beratung hinzugezogen habe, was nach dem Recht des Staates Kansas erforderlich ist.[3][4]

Der Prozess wurde ein cause célèbre, ein Fall nationalen Interesses. Der Kolumnist Jack Cashill verglich den Prozess mit dem Kriegsverbrechertribunal in Nürnberg.[5] Jacob M. Appel, Professor der New York University, beschrieb Tiller als einen Helden, der neben Susan B. Anthony und Martin Luther King Jr. „im Pantheon der Verteidigung der Freiheit stehe“.[6]

Am 27. März 2009 wurde Tiller in allen Anklagepunkten freigesprochen.[7]

Ermordung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am Pfingstsonntag 2009, dem 31. Mai, wurde er beim Gottesdienstbesuch erschossen.[8] Er war damit seit 1993 der vierte in den USA ermordete Abtreibungsarzt. Der Täter hatte ihm aus nächster Nähe ins Auge geschossen und Personen bedroht, die Tiller zu Hilfe eilen wollten.[9] Als Tatverdächtiger wurde drei Stunden nach dem Attentat der militante Abtreibungsgegner Scott P. Roeder festgenommen.[1]

Reaktionen auf die Ermordung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tillers Ermordung wurde weitestgehend verurteilt, sowohl von Abtreibungsgegnern als auch von Abtreibungsbefürwortern.[10][11][12][13][14][15] Präsident Barack Obama sagte, er sei wütend und schockiert.[10] David N. O’Steen, Direktor von National Right to Life Committee, sagte, er verurteile solche Gewaltakte.[11]

Abtreibungsgegner Randall Terry beschrieb Tiller als Massenmörder[16] und der Radioprediger und ehemalige Vize-Präsident der Southern Baptist Convention Wiley Drake sagte, er sei froh, dass Tiller tot sei.[17][18]

Rechte Kommentatoren wie Michelle Malkin empörten sich darüber, dass die Anteilnahme am Tode Tillers verglichen mit anderen Trauerfällen absurd unproportional sei.[19][20] Am Tage nach der Ermordung Tillers wurden beispielsweise zwei US-Soldaten in Little Rock, Arkansas angegriffen. Einer starb und der andere wurde verwundet. Michelle Malkin schrieb dazu:

“Tiller’s suspected murderer, Scott Roeder, was white, Christian, anti-government, and anti-abortion. The gunman in the military recruiting center attack, Abdul Hakim Mujahid Muhammad, was black, a Muslim convert, anti-military, and anti-American. Both crimes are despicable, cowardly acts of domestic terrorism. But the disparate treatment of the two brutal cases by both the White House and the media is striking.”[19]
„Tillers mutmaßlicher Mörder Scott Roeder, war weiß, christlich, regierungsfeindlich und Abtreibungsgegner. Der Attentäter in Little Rock, Abdul Hakim Mujahid Muhammad, war schwarz, Muslim, antimilitaristisch und antiamerikanisch. Beide Verbrechen sind verachtenswerte, feige Akte von inländischem Terrorismus. Aber die unterschiedliche Behandlung beider Fälle durch die Presse und das Weiße Haus sind beachtlich.“

James Taranto vom The Wall Street Journal reagierte auf diesen Vorwurf und schrieb:

„In der Hierarchie der öffentlichen Aufmerksamkeit sind Attentate höher angesiedelt als Hassverbrechen (Hate-crimes) und Hassverbrechen höher, als ordinäre Morde. Die Ermordung von Martin Luther King hatte eine höhere Aufmerksamkeit und ist ein wichtigerer Teil unserer Geschichte, als ein gewöhnlicher Lynchmord, auch wenn beides entsetzliche Verbrechen aus der gleichen Motivation heraus sind.“[21]

Eine weitere Reaktion auf Malkins Vorwurf war das Herunterspielen der Tatsache, dass Tillers Mörder Christ war, während die Massenmedien sich auf die Tatsache stürzten, dass Abdul Hakim Mujahid Muhammad Muslim war.[22]

Die meisten Abtreibungsgegner blieben der Beerdigung Tillers fern. Mitglieder der Westboro Baptist Church fanden sich am Zaun des Friedhofs ein und hielten Schilder hoch, auf denen stand „Gott sandte den Schützen“, „Abtreibung ist blutiger Mord“ und „Babymörder in der Hölle“.[23][24]

Verurteilung Roeders[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Roeder gestand die Tat bereits kurz nach der Festnahme, bekannte sich allerdings nicht als schuldig, da die Tat in seinen Augen gerechtfertigt war. Er wurde 2010 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Uwe Schmitt: Dr. Tiller, Opfer eines amerikanischen Kulturkampfs, Die Welt, 1. Juni 2009
  2. O’Reilly’s campaign against murdered doctor, salon.com, 31. Mai 2009 
  3. Tiller Jury Selection, Kansas City Star, 18. März 2009.
  4. “Jury set in trial of Wichita late-term abortionist”, Kansas Liberty, 18. März 2009.
  5. “Why George Tiller is on trial in Wichita”, World Net Daily, 19. März 2009.
  6. Los Angeles Times, 21. März 2009
  7. Kan. doctor acquitted in abortion case – Crime & courts – msnbc.com. Abgerufen am 23. April 2009.
  8. Spiegel Online: Mann erschießt US-Abtreibungsarzt in Kirche, 31. Mai 2009
  9. 51-year-old man arrested in murder of George Tiller outside his church, vom 31. Juli 2009, geladen am 21. November 2017
  10. a b Barack Obama shocked by abortion doctor shooting, Telegraph.co.uk, 1. Juni 2009. Abgerufen am 3. Mai 2010 .
  11. a b National Right to Life condemns the killing of Dr. George Tiller. National Right to Life, 31. Mai 2009, archiviert vom Original am 3. Juni 2009; abgerufen am 17. Mai 2012.
  12. KS NOW Mourns the Murder of Dr. George Tiller. Kansas Now, 31. Mai 2009, archiviert vom Original am 6. Juni 2009; abgerufen am 17. Mai 2012.
  13. “Jewish groups speak out on Tiller killing”, Jewish Telegraphic Agency (JTA), 2. Juni 2009.
  14. Operation Rescue Denounces The Killing of Abortionist Tiller. Operation Rescue, 31. Mai 2009, abgerufen am 17. Mai 2012.
  15. Pro-life groups condemn slaying of late-term abortionist. In: CatholicCutlure.org. 1. Juni 2009, abgerufen am 17. Mai 2012.
  16. Sandy Veritas: George Tiller was a Mass-Murderer, says Randall Terry -- We Grieve That he Did Not Have Time to Properly Prepare his Soul to Face God. Christian News Wire, abgerufen am 17. Mai 2012.
  17. Alex Koppelman: Keyes’ running mate: Tiller murder “answer to prayer”. In: Salon.com. Archiviert vom Original am 14. Juni 2009; abgerufen am 2. Juni 2009.
  18. Bob Allen: Former SBC officer says Tiller murder answer to prayer. Associated Baptist Press, 2. Juni 2009, archiviert vom Original am 19. Juli 2011; abgerufen am 17. Mai 2012.
  19. a b Michelle Malkin: Mapping the “climate of hate”. MichelleMalkin.com, 3. Juni 2009, abgerufen am 17. Mai 2012.
  20. John McCormak: Obama Quietly Issues Statement on Terrorist Attack in Arkansas. The Weekly Standard, abgerufen am 17. Mai 2012.
  21. Let Turkey Handle It (Link nicht mehr abrufbar?)
  22. Dan Mathewson: Muslims Murder, Christians Don’t: What Went Missing in Analysis of Tiller’s Executioner. Religion Dispatches, 5. Juni 2009, abgerufen am 13. Juni 2009.
  23. George Tiller Funeral Attended By Hundreds In: Huffington Post, 6. Juni 2009. Abgerufen am 17. Mai 2012 
  24. http://www.christianpost.com/news/hundreds-pay-last-respects-to-george-tiller-39026/

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: George Tiller – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien