Gerasa

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Ovales Forum, Gerasa
Die Ruinen der antiken Stadt vor der modernen Stadt

Gerasa (auch Jerasch, Jarash oder Jerash, arabisch جرش Dscharasch, DMG Ǧaraš) liegt im Norden Jordaniens und etwa 40 Kilometer nördlich von Amman. Die antike Stadt Gerasa war Teil der sogenannten Dekapolis. Die moderne Stadt hat etwa 40.000 Einwohner und ist Verwaltungszentrum des Gouvernement Dscharasch.

Geschichte

Bereits aus dem 6. Jahrtausend v. Chr. stammen erste Spuren menschlicher Besiedlung in Gerasa. Es sind Bronzezeitliche- und Eisenzeitliche Spuren erhalten. Aus diesen Zeiten stammt auch der Name Gerasa.[1]

Die bis ins 1. nachchristliche Jahrhundert nur unbedeutende Stadt erlebte unter römischer Herrschaft und unter dem römischen Frieden einen schnellen Aufstieg. Sie wurde Teil der Dekapolis und machte als Handelsstadt zunehmend dem älteren Petra Konkurrenz. Ihre Einwohner gewannen Erz in den nahen Adschlun-Bergen. Ab der Mitte des ersten Jahrhunderts führte dieser Aufschwung zu reger Bautätigkeit und einer reichen, auch heute noch beeindruckenden Fülle von Baudenkmälern.

Karte von Gerasa

Im 2. Jahrhundert führten die römischen Expansionskriege in Asien zu einem weiteren Bedeutungsgewinn, es entstanden gut ausgebaute Straßen nach Pella, Philadelphia, Dion und zur Provinzhauptstadt Bos(t)ra. Kaiser Hadrian stattete der Stadt im Winter 129/130 einen Besuch ab. In den folgenden Jahrhunderten änderte sich die politische Situation in dieser Region grundlegend und die Stadt verlor an Bedeutung. In diese Zeit fällt auch der Aufstieg des Christentums und der Bau vieler Kirchen. Gerasa hatte einen eigenen Bischof – noch heute ist es ein Titularbistum – Bischof Placcus (oder Plancus) nahm 451 am Konzil von Chalcedon teil.

Nach einem Erdbeben im Jahr 658 wurde die sogenannte Kathedrale von Gerasa aufgegeben. Die danach wieder instandgesetzte Portikus überließ man ab der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts sich selbst, zeitweise wurde der Bereich als Deponie verwendet. Ein erneutes Erdbeben 749 führte zum Einsturz des Baus.[2]

Das Erdbeben von 749 hatte wie für die gesamte Region auch für Gerasa verheerende Folgen. Allerdings zeigen jüngere Forschungen, dass es nicht zu einem abrupten Siedlungsabbruch kam, sondern eher eine längere Phase des Niedergangs einsetzte.

In der Kreuzfahrerzeit scheint Gerasa unbewohnt geblieben zu sein. Fulcher von Chartres und Wilhelm von Tyrus erwähnen allerdings eine Episode, wonach im Jahr 1121 König Balduin II. eine Festung in Gerasa einnahm und anschließend zerstörte, die erst im Jahr zuvor durch Tughtigin, den Atabeg von Damaskus erbaut worden war. Diese Festung ist bisher archäologisch nicht nachweisbar.

Aus ayyubidisch-mamlukischer Zeit ist ebenfalls Bebauung nachweisbar. Bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts ist die Stadt nach Angaben des Yāqūt al-Ḥamawī aber völlig verlassen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden auch in Gerasa Tscherkessen angesiedelt, womit die neuzeitliche Wiederbesiedlung des Ortes beginnt.

Aus Gerasa stammen u. a. Schimon bar Giora und Nikomachos von Gerasa.

Baudenkmäler

Triumphbogen zu Ehren des Kaisers Hadrian im Jahr 2008
Triumphbogen zu Ehren des Kaisers Hadrian, zwischen 1898 und 1914

Triumphbogen

Der Triumphbogen wurde im Winter 129/130 zu Ehren des Kaisers Hadrian erbaut. Er befand sich außerhalb des antiken Gerasa. Ursprünglich sollte der Bogen wohl als Stadttor dienen. Einer Inschrift zufolge wollte Hadrian ein ganzes Stadtviertel an dieser Stelle gründen. Allerdings fiel dieses Bauvorhaben einer Wirtschaftskrise zum Opfer.

Nach Restaurierungsarbeiten, die etwa von 2003 bis 2008 teilweise mit den Originalsteinen ausgeführt wurden, ragt das dreiteilige Tor wieder mit der ursprünglichen Höhe von 21 Metern empor bei einer Gesamtbreite von über 25 Metern.

Ovales Forum

Das ovale Forum liegt zu Füßen des Jupitertempels. Seine Maße betragen 90 × 80 Meter. Das Oval ist mit Kolonnaden gesäumt. Der Platz wurde strategisch gewählt - er überdeckt eine natürliche Senke. Um diese auszugleichen, wurde das Forum auf 6 bis 8 Meter hohem Unterbau errichtet. Der birnenförmige Umriss ist dabei untypisch für ein römisches Forum, da die Römer regelmäßigere Formen bevorzugten. Nach der Meinung vieler Archäologen ist das Forum deswegen oval, um den Zeustempel mit dem römischen Teil der Stadt auf einer Nord-Süd-Achse miteinander zu verbinden. Der Zweck des ovalen Marktplatzes bleibt jedoch umstritten: entweder handelte es sich um einen Handelsplatz, oder um einen Opferplatz.

Jupiter-Tempel
Nymphäum
Südtheater, Gerasa
Artemis-Tempel

Jupiter-Tempel

Der Jupiter-Tempel wurde oberhalb des ovalen Forums auf einem gewaltigen Tonnengewölbe errichtet. Der gesamte Hang wurde künstlich gestaltet, um den Jupitertempel an dieser Stelle errichten zu können. Sein Gelände hatte schon zuvor als Heiligtum verschiedener Gottheiten gedient. Höchstwahrscheinlich war auf dem Gelände in hellenistischer Zeit ein Zeustempel errichtet worden. Ein Indiz dafür ist, dass der Jupitertempel von seiner Lage her nicht in einen typisch römischen Stadtplan passt. Die Ruinen, die heute noch zu sehen sind, stammen aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. Die Tempelmauern, von denen heute noch Teile stehen, sind etwa 10 Meter hoch. Der Tempelbau selbst ruhte auf einem Podest von 41 Meter Länge und 28 Meter Breite. Der syro-nabatäischen Bauweise folgend führte eine Treppe auf das Dach der Cella. Ursprünglich war das Allerheiligste von 38 Säulen umgeben, von denen heute noch drei original stehen. Weitere Säulen wurden im Rahmen des Restaurierungsprogrammes der Jordanischen Antikenverwaltung wieder aufgerichtet.

Nymphäum

Das prächtige 22 Meter breite Nymphäum stammt ebenfalls aus dem 2. Jahrhundert. Das den Wassernymphen geweihte zweigeschossige Heiligtum ist eines der besterhaltenen Gebäude des antiken Gerasa. Das untere Stockwerk des Nymphäums war mit Marmor verkleidet. Das obere war mit Fresken verziert, die zum Teil noch erkennbar sind. Auffällig ist die Dachkonstruktion – eine Halbkuppel mit gesprengtem Giebel, die sich über einem großen Prachtbrunnen wölbt. Die Brunnenfassade wurde in Nischen unterteilt, in denen sich Statuen befanden. Einige Statuen hielten große Behälter, aus denen sich Wasser in das Bassin des Prachtbrunnens ergoss. Ein komplexes Leitungssystem führte das Wasser aus der Umgebung heran.

Südtheater

Das Südtheater entstand etwa 90 bis 92 n. Chr. Es verfügte über 32 Sitzreihen, in denen bis zu 5000 Zuschauer Platz fanden. Das Theater ist westlich des Jupiter-Tempels in den Hang gebaut, der obere Rang wurde über Tonnengewölbe aufgesetzt. Die Bühne ist klassisch-römisch gestaltet und verfügt über zwei seitliche Bogentore sowie drei Kulissenzugänge. Die Zuschauer wurden nicht geblendet, da das Theater nach Norden ausgerichtet war.

Artemis-Tempel

Der aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammende Artemis-Tempel war mit den Ausmaßen seiner Umfassungsmauer von 160 × 120 Meter besonders imposant und sicherlich eines der wichtigsten Bauwerke der Stadt. Die Pilger näherten sich dem Tempel über eine Prozessionsstraße und -treppe, die aus der Stadt heraufführt. Von den einstmals 32 Säulen des Tempels sind elf aufrechterhalten, davon tragen neun noch ihre korinthischen Kapitelle und ragen damit 13 Meter hoch. Die Cella selbst maß 23 × 40 Meter.

Stadtmauer

Die spätantike Stadtmauer ist in ihrem Verlauf fast vollständig erhalten. Sie umgibt das rund 90 Hektar große antike Stadtgebiet, von dem gut die Hälfte in einer archäologischen Schutzzone liegt (der restliche Teil ist durch die moderne Stadt Jerash überbaut). Beim Anfang 2015 begonnenen Bau einer neuen Straße auf der Westseite des alten Gerasa wurden Teile der Stadtmauer schwer beschädigt und ein Mauerabschnitt einschließlich eines antiken Turmes bis auf die Grundmauern zerstört.[3]

Weitere Bauwerke

  • Der Cardo Maximus aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert, eine 800 Meter lange, gepflasterte Hauptstraße zwischen dem Marktplatz und dem nördlichen Stadttor (erbaut 115). Sie war von einem Säulengang gesäumt, von dem heute noch 500 Säulen erhalten sind.
  • Das Nordtheater mit ca. 800 Plätzen
Kirche St. Cosmas und Damian

Zahlreiche Kirchen aus römischer und byzantinischer Zeit mit teilweise gut erhaltenen Mosaikböden:

  • Die sogenannte Kathedrale, eine dreischiffige Säulenbasilika aus dem späten 4. Jahrhundert
  • Theodosiuskirche, Basilika mit hohen korinthischen Säulen, 494–496
  • Prokopiuskirche um 526/527
  • Georgskirche von 529
  • Synagogenkirche, um 530/531 zur Kirche umgebaute Synagoge
  • Johanneskirche von 531, ein Rundbau mit ca. 24 × 30 Meter
  • St. Cosmas und Damian um 533 mit besonders schönem Mosaikboden
  • Peter-und-Paul-Kirche (Säulenbasilika) um 540, daneben Gedächtniskirche (Hallenkirche)
  • Propyläenkirche um 565
  • Kirche des Bischofs Genesius von 611

Biblische Erwähnung

Nach dem Markusevangelium (5,1 EU) und dem Lukasevangelium (8,26 EU) heilt Jesus in der Gegend von Gerasa einen von vielen Dämonen besessenen Menschen, der in Grabhöhlen lebte. Die Dämonen fahren in eine Herde Säue, die darauf in einen See stürzen und ertrinken. Dass der Evangelist irrtümlicherweise Gerasa am Ufer des See Genezareth lokalisiert, wird in der Wissenschaft als Indiz für die schlechte Ortskenntnis des Verfassers gewertet, der also wahrscheinlich nicht aus Palästina stammte. Schon früh korrigierten Handschriften diese Ortsangabe und boten einige Varianten, u.a. das heute unbekannte Gergesa. Der Evangelist Matthäus (Kap. 8,28) lokalisiert die Erzählung in die Gegend von Gadara, südöstlich des See Genezareth.

Literatur

  • S. Applebaum, A. Segal: Gerasa. In: E. Stern (Hrsg.): The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land II. New York u. a. 1993, S. 470–479.
  • A. R. Bellinger: Coins from Jerash, 1928-1934. In: Numismatic Notes and Monographs 81. New York 1938.
  • I. Browning: Jerash and the Decapolis. London 1982, ISBN 0-7011-2591-8.
  • John Winter Crowfoot: Churches at Jerash. A Preliminary Report on the Joint Yale-British School Expeditions to Jerash 1928-1930. London 1931.
  • Adolf Hoffmann, Susanne Kerner (Hrsg.): Gadara – Gerasa und die Dekapolis. Zabern, Mainz 2002, ISBN 3-8053-2687-4. (Antike Welt, Sonderheft; Zaberns Bildbände zur Archäologie)
  • David Kennedy: Gerasa and the Decapolis. A 'virtual island' in northwest Jordan. London 2007, ISBN 978-0-7156-3567-4.
  • R. G. Khoury: Jerash. A Frontier City of the Roman East. London/ New York 1986, ISBN 0-582-78384-4.
  • C. H. Kraeling: Gerasa. City of the Decapolis. An account embodying the record of a joint excavation conducted by Yale University and the British School of Archaeology in Jerusalem (1928-1930), and Yale University and the American Schools of Oriental Research (1930-1931). New Haven 1938.
  • Achim Lichtenberger, Rubina Raja: Ǧeraš in the Middle Islamic Period. Connecting Texts and Archaeology through New Evidence from the Northwest Quarter, in: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 132 (2016), S. 63–81, Tafeln 7–10.
  • Frank Rainer Scheck: Jordanien. Völker und Kulturen zwischen Jordan und Rotem Meer. 5. Auflage. Dumont, Ostfildern 2010, ISBN 978-3-7701-3979-8, S. 104–137.

Einzelnachweise

  1. Baedeker: Jordanien. ISBN 978-3-8297-1153-1, S. 186/187.
  2. Ina Eichner, Vasiliki Tsamakda: Syrien und seine Nachbarn von der Spätantike bis in die islamische Zeit. Spätantike – Frühes Christentum – Byzanz. Reichert, Wiesbaden 2009 (Online S. 1027/1028 [PDF; abgerufen am 19. Dezember 2011]).
  3. Rubina Raja, Achim Lichtenberger: Aus der Traum vom Kulturerbe. Ein Straßenbau zerstört Teile der antiken Stadtmauer von Jerash in Jordanien. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. April 2015, S. 12.

Weblinks

Commons: Gerasa – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 32° 17′ N, 35° 54′ O