Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije
Gründung | 5. November 1918 |
Land | Russische Föderation |
Aufgabe der Behörde | Militärnachrichtendienst |
Aufsichtsbehörde | Verteidigungsministerium der Russischen Föderation |
Direktor | Generalleutnant Igor Korobow |
Behördensitz | uliza Grisodubowoj, Moskau (Hauptquartier) |
Budget | geheim |
Anzahl der hauptamtlichen Mitarbeiter | geheim |
Leitsatz | Величие Родины – в Ваших славных делах = In Euren ruhmreichen Taten liegt die Größe des Vaterlandes |
unterstellte Dienste | GRU SpezNas |
Die Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (russisch Главное разведывательное управление Генерального штаба ВС (ГРУ), kurz GRU, vollständig GRU GSch WS RF, übersetzt Hauptverwaltung für Aufklärung [beim Generalstab der Streitkräfte der Russischen Föderation]) ist das leitende Zentralorgan des russischen Militärnachrichtendienstes (Военная разведка) und wird auch als das „alles sehende Auge“ des russischen Militärs bezeichnet.
Der offizielle Name lautet inzwischen Glawnoje Uprawlenije Generalnogo Staba Wooruschennych Sil Rossijskoj Federazii (russisch Главное управление Генерального штаба Вооружённых Сил Российской Федерации), übersetzt Hauptverwaltung beim Generalstab der Streitkräfte der Russischen Föderation. Das die Hauptaufgabe benennende Wort (Разведывательный = „Aufklärungs...“) kommt also als Namensbestandteil nicht mehr vor.
Auftrag
Die Aufgabe der GRU ist die nachrichtendienstliche Beschaffung aller militärisch relevanter Informationen sowie die Spionageabwehr innerhalb der russischen Streitkräfte. Ferner unterhält die GRU mit der Spezialeinheit Speznas eine operative Kommandoeinheit für Unkonventionelle Kriegführung und Terrorismusbekämpfung, die in der Lage ist, verdeckt auf sich allein gestellt hinter feindlichen Linien zu operieren.
Geschichte
Der ehemalige zaristische Offizier und Mitglied des kaiserlich russischen Militärgeheimdienstes Semjon Aralow wurde im Januar 1918 erster Direktor der GRU, jedoch wurde er bereits im Juli 1920 degradiert und Leiter der Militärischen Geheimdienstabteilung in der 12. Armee.[1]
Die Aufgabe der GRU bestand darin militärisch relevante Informationen zu sammeln, Befehlszentralen auszukundschaften und in der Spionageabwehr. Militärische Spezialeinheiten, sog. Speznas wurden im November 1950 aufgestellt. Ab 1970 gab es auch die GRU-Speznas für verdeckte Operationen, beauftragt mit Informationsbeschaffung und gezielter Tötung von Personen. Später kam die Aufklärung mobiler Abschussrampen für taktische Nuklearwaffen dazu und gegebenenfalls Elimination derselben.
Die GRU war in der Zeit des Kalten Krieges für Militärspionage, später auch für Waffenlieferungen an Rebellengruppen und Regime in Afrika, Asien und Lateinamerika zuständig, in denen die Sowjetunion eine kommunistische Regierung anstrebte.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1990 blieb das GRU-Netzwerk intakt und ist nun für die Russische Föderation tätig. In den neunziger Jahren wurden offizielle Waffenverkäufe über eine staatliche Exportagentur abgewickelt, und nur für heikle Situationen wurden die inoffiziellen Kanäle der GRU benutzt, wie z.B. Lieferungen an Palästina um Beziehungen zu Israel nicht zu gefährden.[2]
Die historisch jüngste Aufgabe der GRU ist die Wirtschaftsspionage, wie bei anderen Geheimdiensten auch. Der deutsche Verfassungsschutz erwähnt dabei nicht nur den zivilen Auslandsnachrichtendienst SWR, sondern auch die GRU und den Inlandsgeheimdienst FSB. Hans-Peter Uhl, Mitglied des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Nachrichtendienste sagte, Putin habe 2007 "bei der Amtseinführung des Chefs des SWR die Anweisung gegeben, durch Wirtschaftsspionage im Ausland dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft der Russischen Föderation gestärkt wird." [3]
Als Nachfolger von Walentin Korabelnikow wurde Ende April 2009 Generalleutnant Alexander Schljachturow zum Leiter der zweiten Hauptverwaltung (GRU) der Militäraufklärung und zum stellvertretenden Chef des Generalstabs der russischen Streitkräfte ernannt. Zwischen der Leitung der GRU und dem russischen Verteidigungsministerium soll es zu Differenzen über die Konzeption der Militärreformen – besonders in dem Teil, der die GRU unmittelbar betraf – gekommen sein, berichtete RIA Nowosti 2009.[4]
Die Süddeutsche Zeitung berichtete 2015, dass die GRU in der Ostukraine tätig ist.[5]
Organisation
Im Gegensatz zum KGB war und ist die GRU nur wenig bekannt. Die GRU war und ist eine Hauptverwaltung des sowjetischen und nach dem Zusammenbruch russischen Generalstabs. Anders als der aufgelöste KGB hat die GRU den Zusammenbruch der Sowjetunion als Struktur überstanden. Sie ist dem Chef des Generalstabs untergeordnet.
Die Hauptverwaltung Dienst gliedert sich in zwölf operative Verwaltungen und zahlreiche sonstige Verwaltungen, Abteilungen und Verbände.
Operative Verwaltungen
- Erste Verwaltung: Europa
- Zweite Verwaltung: Nord- und Südamerika; Großbritannien, Australien und Neuseeland
- Dritte Verwaltung: Asien
- Vierte Verwaltung: Afrika
- Fünfte Verwaltung: Operative Aufklärung
- Sechste Verwaltung: Funktechnische Aufklärung[6]
- Siebte Verwaltung: NATO
- Achte Verwaltung: Operationen, auch solche, welche nur sporadisch in kleineren Ländern stattfinden
- Neunte Verwaltung: Rüstungstechnik
- Zehnte Verwaltung: Wehrwirtschaft
- Elfte Verwaltung: Militärdoktrin und Bewaffnung ausländischer Streitkräfte
- Zwölfte Verwaltung: Spionageabwehr
- Dreizehnte Verwaltung: Informationskriegführung
Sonstige Verwaltungen, Abteilungen und Verbände
- Verwaltung Kosmische Aufklärung (Satelliten)
- Kaderverwaltung (Personal)
- Operativ-technische Verwaltung
- Administrativ-technische Verwaltung
- Verwaltung Außenbeziehungen
- Politische Verwaltung
- Finanzverwaltung
- Archivabteilung
- Informationsdienst
- Abteilung Informationsverbreitung
- Dechiffrierdienst
- Militärpolitische Akademie
- 16. Speznas-Brigade (Rjazan)
- 22. Speznas-Brigade (Moskau)
Speznas
Die GRU unterhält außerdem eine eigene Spezialeinheit Spezial'noje naznačenije (Speznas), deren Stärke auf 25.000 Soldaten geschätzt wird. Außerdem befehligt sie alle Arten der Fernmelde- und elektronischen Aufklärung (SIGINT), inklusive communications intelligence (COMINT), electronic intelligence (ELINT), radar intelligence (RADINT), telemetry intelligence (TELINT) und infrared sets reconnaissance. Die Speznas sind ähnlich ausgerüstet wie das United States Marine Corps (USMC). Zur Ausrüstung gehören somit Panzer, Erdkampfflugzeuge und Kampfhubschrauber. Ihr unterstehen auch Spionagesatelliten und Aufklärungsflugzeuge.
GRU in Deutschland
DDR
Die Struktur der GRU bestand in der DDR bis 1990 innerhalb der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD/WGT) und eingeschränkt fortgesetzt bis zum Abschluss des Truppenabzugs 1994.
- Verwaltung Aufklärung der GSSD/WGT in Wünsdorf:
- Koordination und Kontrolle der gesamten nachrichtendienstlichen Tätigkeit der Armeegruppe
- 1. Abteilung – Taktische Aufklärung:
- Aufklärungseinheiten der Divisionen und Regimenter der GSSD
- 2. Abteilung – Operative Aufklärung:
- Aufklärungszentrum Berlin-Karlshorst
- Operativdienststellen: Rostock I, Rostock II (Baltische Rotbannerflotte), Magdeburg, Leipzig, Dresden
- 3. Abteilung – Speznas
- 3. Garde-Spezialaufklärungsbrigade Neuthymen, SpN-Kompanien, SpN-Basis
- 4. Abteilung – Information
- Auswertungszentrale (KRZ)
- 5. Abteilung: Elektronische Aufklärung
- OsNaz-Regimenter
- Hubschraubergeschwader (Flugplatz Rechlin-Lärz, REB)
- 82. Funktechnische Brigade in Torgau für die Funkaufklärung mit regional verteilten Horchposten, unter anderem auf dem Brocken.
Strategischer Zweig in Westdeutschland
- Sowjetische Militärverbindungsmissionen / Militärinspektionen
- Bünde/Westfalen (britische Zone) bis 1990
- Frankfurt-Niederrad (amerikanische Zone) bis 1990
- Baden-Baden (französische Zone) bis 1990
- Tarnresidenturen: Köln, Bonn
- Legalresidenturen: Russische Botschaft in Berlin, Russisches Generalkonsulat Bonn
Leitung
- Zu Zeiten der Sowjetunion
- Semjon Iwanowitsch Aralow 1918–1919
- Sergei Iwanowitsch Gussew Juni–Dezember 1919
- Georgi Leonidowitsch Pjatakow Januar–Februar 1920
- Wladimir Christianowitsch Aussem Februar–Juni 1920
- Jan Davydowitsch Lenzman 1920–1921
- Arwid Janowitsch Seibot 1921–1924
- Jan Karlowitsch Bersin 1924–1935 und Juli–November 1937
- Semjon Petrowitsch Urizki 1935–1937
- Semjon Grigorjewitsch Gendin 1937–1938
- Alexander Grigorjewitsch Orlow 1938–1939
- Iwan Iosifowitsch Proskurow 1939–1940
- Filipp Iwanowitsch Golikow 1940–1941
- Alexei Pawlowitsch Panfilow 1941–1942
- Iwan Iwanowitsch Iljitschow 1942–1945
- Fjodor Fedotowitsch Kusnezow 1945–1947
- Nikolai Michailowitsch Trussow 1947–1949
- Matwei Wassiljewitsch Sacharow 1949–1952
- Michail Alexejewitsch Schalin 1952–1956, 1957–1958
- Sergei Matwejewitsch Schtemenko 1956–1957
- Iwan Alexandrowitsch Serow 1958–1963
- Pjotr Iwanowitsch Iwaschutin 1963–1987
- Wladlen Michailowitsch Michailow 1987–1991
- Russische Föderation
- Jewgeni Leonidowitsch Timochin 1991–1992
- Fjodor Iwanowitsch Ladygin 1992–1997
- Walentin Wladimirowitsch Korabelnikow 1997–2009
- Alexander Wassiljewitsch Schljachturow 2009–2011
- Igor Dmitrijewitsch Sergun 2011–2016
- Igor Walentinowitsch Korobow seit 2016
Bekannte Agenten
- Kurt Fischer (SED)
- Aino Kuusinen
- Richard Sorge
- Ilse Stöbe ungeklärt [7]
- Leopold Trepper ca 1937–1950?
- Ruth Werner 1931–1950
- Viktor Suworow ?1967–1978
- Oleg Wladimirowitsch Penkowski 1953–1960
- Sándor Radó 1935–1944
- Rudolf Herrnstadt ca. 1933–1939
- Gerhard Kegel (Diplomat) ca. 1933-?
- Klaus Fuchs 1942–1944 (danach für den NKGB)
Verräter und Überläufer
- Pjotr Semjonowitsch Popow
- Dmitri Fjodorowitsch Poljakow
- Nikolai Dmitrijewitsch Tschernow
- Anatoli Nikolajewitsch Filatow
- Walter Germanowitsch Kriwitzki
- Wladimir Bogdanowitsch Resun
- Gennadi Alexandrowitsch Smetanin
- Wjatscheslaw Maximowitsch Baranow
- Oleg Wladimirowitsch Penkowski
- Igor Guschenko
Literatur
- Pawel Gusterin: Советская разведка на Ближнем и Среднем Востоке в 1920—30-х годах, Саарбрюккен, 2014, ISBN 978-3-659-51691-7
- Stanislaw Lunew: Through the Eyes of the Enemy: The Autobiography of Stanislav Lunev. Regnery Publishing, Inc., 1998, ISBN 0-89526-390-4.
- Juri Puschkin: GRU in Deutschland. Aktivitäten des sowjetischen Geheimdiensts nach der deutschen Wende. BARETT Verlag, 1992, ISBN 3-924753-56-3.
- Hans Schafranek: „Angehörigen von Volksfeinden können wir nicht helfen.“ Das Schicksal der Familie Nebenführ. In: Hans Schafranek (Hg): Die Betrogenen. Österreicher als Opfer stalinistischen Terrors in der Sowjetunion. Wien 1991, S. 75–100 (betr. einen hochrangigen österreichischen GRU-Offizier, der 1939 in Moskau ermordet wurde).
- Matthias Uhl: „Und deshalb besteht die Aufgabe darin, die Aufklärung wieder auf die Füße zu stellen“ – Zu den Großen Säuberungen in der sowjetischen Militäraufklärung 1937/38. In: Hermann Weber und Ulrich Mählert (Hg.): Verbrechen im Namen der Idee: Terror im Kommunismus 1936–1938. Berlin 2007, ISBN 978-3-7466-8152-8, S. 124–141.
- Viktor Suworow: Aquarium. (Аквариум), Hamish Hamilton Ltd, 1985, ISBN 0-241-11545-0.
- Viktor Suworow: GRU – Die Speerspitze: Was der KGB für die Polit-Führung, ist die GRU für die Rote Armee. 3., korr. Aufl., Barett, Solingen 1995, ISBN 3-924753-18-0.
- Viktor Suworow: Inside Soviet Military Intelligence (Memento vom 17. Januar 2003 im Internet Archive) 1984, ISBN 0-02-615510-9.
- Viktor Suworow: Spetsnaz (Memento vom 7. Januar 2002 im Internet Archive) Hamish Hamilton Ltd, 1987, ISBN 0-241-11961-8.
Weblinks
- Organization of the Main Intelligence Administration globalsecurity.org Über die GRU allgemein (englisch)
- The Aquarium GRU Headquarters globalsecurity.org Über das Hauptquartier der GRU (englisch)
- YouTube Neues Hauptquartier der GRU (russisch)
- History of military intelligence Agenta.ru project History of military intelligence (englisch)
- MAIN INTELLIGENCE DIRECTORATE (GRU) Glavnoye Razvedovatel'noye Upravlenie (GRU) FAS.org GRU Info
- MAIN INTELLIGENCE DIRECTORATE (GRU) Fas.org FAS site
- militera.lib.ru GRU High Command and Leading GRU Officers
- GRU structure (Memento vom 25. März 2008 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- ↑ Leaders of Soviet Military Intelligence. Abgerufen am 1. September 2014 (englisch).
- ↑ Benjamin von Bidder, Matthias Schepp, Thilo Thielke: Sagenhafte Gewinne. In: Der Spiegel. Nr. 46, 2010 (online – 15. November 2010).
- ↑ Bernd Kallina: Schwimmen im Haifischbecken. Deutsche Unternehmen als Ziel internationaler Wirtschaftsspionage. In: Deutschlandfunk. 15. Juni 2008, abgerufen am 20. Februar 2014.
- ↑ Ilja Kramnik: Stühlerücken bei Russlands Militäraufklärung (RIA Nowosti, 28. April 2009)
- ↑ "Das Gebäude ist ab sofort neues GRU-Hauptquartier in Donezk."
- ↑ GRU Klimowsk
- ↑ Hans Coppi, Sabine Kebir: Ilse Stöbe: Wieder im Amt. Eine Widerstandskämpferin in der Wilhelmstraße. VSA, Hamburg 2013, ISBN 978-3-89965-569-8.
Koordinaten: 55° 46′ 55,2″ N, 37° 31′ 22,8″ O